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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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England und die elsaß-lothringische Frage

König selbst. Kein Schritt geschieht da ohne ihn. Dabei ist er so vorsichtig,
dafür zu sorgen, das formell kein Schritt durch ihn geschieht. Das Volk, das
bei aller Königstreue demokratisch auf seine Selbstentscheidung pocht, steht nur
die vom Volk selbst gewählten Minister handeln. Wo der König durch einen
Brief, ein Telegramm eingreift, tritt er als Werkzeug seiner Regierung auf.
Dies System funktioniert augenblicklich so gut wie je. Das kann uns beruhigen,
solange wir von Rumäniens Politik nichts anderes erwarten, als daß es seine
eigenen Interessen vertritt und solange wir damit zufrieden sind, daß diese
Interessen dem rumänischen Staat Wege weisen, die unsere Bahn nicht stören.
Noch einmal: Sympathie besitzen wir heute in Rumänien kaum, aber Volks¬
gefühle geben dort augenblicklich nicht den Ausschlag. Die weitausschauenden
politischen Berechnungen, die dort regieren, stellen das Land vorläufig neben
uus in freundschaftliche Neutralität. Nur unabwendbarer Zwang wird hieran
etwas ändern.




England und die elsaß-lothringische Frage
von in. Schwabhäuser

me elsaß-lothringische Frage, das heißt die Frage einer etwaigen
Wiederabtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich, gibt es für
uns Deutsche nicht, wohl aber für das Ausland. Da vom Besitze
Elsaß-Lothringens die Sicherheit des Deutschen Reiches vor
Frankreich und damit seine Großmachtstellung abhängt, so kommt
für uns sehr viel darauf an, wie sich die einzelnen Staaten der Welt zu dieser
sogenannten elsaß-lothringischen Frage stellen. An dieser Stellungnahme erkennen
wir Freund und Feind.

Was nun England betrifft, so scheint es sich verpflichtet zu haben, Frank¬
reich im Falle des Sieges die verlorenen Provinzen wieder zu verschaffen.
Seit der Thronbesteigung Eduard des Siebenten hat sich die englische Presse in
dieser Frage immer offener auf die Seite Frankreichs gestellt und die unlieb¬
samen Vorgänge der letzten Jahre in den Neichslanden ganz in französischem
Sinne besprochen. In der Zeit, als das Verhältnis Deutschlands und Englands
das denkbar beste war, zwischen 1890 und 1895, das heißt kurz nach Bismarcks
Rücktritt und vor Kaiser Wilhelms Telegramm an Präsident Krüger, stand die
öffentliche Meinung der meisten unparteiischen Engländer auf deutscher Seite,
und wir empfehlen ganz besonders den Franzosen, den folgenden Äußerungen
ihrer sogenannten Freunde und Bundesgenossen Beachtung zu schenken.


England und die elsaß-lothringische Frage

König selbst. Kein Schritt geschieht da ohne ihn. Dabei ist er so vorsichtig,
dafür zu sorgen, das formell kein Schritt durch ihn geschieht. Das Volk, das
bei aller Königstreue demokratisch auf seine Selbstentscheidung pocht, steht nur
die vom Volk selbst gewählten Minister handeln. Wo der König durch einen
Brief, ein Telegramm eingreift, tritt er als Werkzeug seiner Regierung auf.
Dies System funktioniert augenblicklich so gut wie je. Das kann uns beruhigen,
solange wir von Rumäniens Politik nichts anderes erwarten, als daß es seine
eigenen Interessen vertritt und solange wir damit zufrieden sind, daß diese
Interessen dem rumänischen Staat Wege weisen, die unsere Bahn nicht stören.
Noch einmal: Sympathie besitzen wir heute in Rumänien kaum, aber Volks¬
gefühle geben dort augenblicklich nicht den Ausschlag. Die weitausschauenden
politischen Berechnungen, die dort regieren, stellen das Land vorläufig neben
uus in freundschaftliche Neutralität. Nur unabwendbarer Zwang wird hieran
etwas ändern.




England und die elsaß-lothringische Frage
von in. Schwabhäuser

me elsaß-lothringische Frage, das heißt die Frage einer etwaigen
Wiederabtretung Elsaß-Lothringens an Frankreich, gibt es für
uns Deutsche nicht, wohl aber für das Ausland. Da vom Besitze
Elsaß-Lothringens die Sicherheit des Deutschen Reiches vor
Frankreich und damit seine Großmachtstellung abhängt, so kommt
für uns sehr viel darauf an, wie sich die einzelnen Staaten der Welt zu dieser
sogenannten elsaß-lothringischen Frage stellen. An dieser Stellungnahme erkennen
wir Freund und Feind.

Was nun England betrifft, so scheint es sich verpflichtet zu haben, Frank¬
reich im Falle des Sieges die verlorenen Provinzen wieder zu verschaffen.
Seit der Thronbesteigung Eduard des Siebenten hat sich die englische Presse in
dieser Frage immer offener auf die Seite Frankreichs gestellt und die unlieb¬
samen Vorgänge der letzten Jahre in den Neichslanden ganz in französischem
Sinne besprochen. In der Zeit, als das Verhältnis Deutschlands und Englands
das denkbar beste war, zwischen 1890 und 1895, das heißt kurz nach Bismarcks
Rücktritt und vor Kaiser Wilhelms Telegramm an Präsident Krüger, stand die
öffentliche Meinung der meisten unparteiischen Engländer auf deutscher Seite,
und wir empfehlen ganz besonders den Franzosen, den folgenden Äußerungen
ihrer sogenannten Freunde und Bundesgenossen Beachtung zu schenken.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/432>, abgerufen am 13.11.2024.