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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Deutschlands Telegraphenisolierung während des
Arieges
von Dr. pkil, Richard Hennig

urch den Ausbruch des großen Weltkrieges ist Deutschland, trotz
der günstigen, den sicheren Sieg verheißenden militärischen Anfänge,
insofern in eine sehr üble Lage gekommen, als ihm die tele¬
graphischen Verbindungen mit den meisten überseeischen Ländern
mit einem Schlage abgeschnitten worden sind. Nicht nur nach
den gegen uns im Felde stehenden Ländern Frankreich, England, Belgien und
Rußland ist der Telegraph völlig unterbrochen, sondern auch nach allen außer¬
europäischen Ländern, einschließlich unserer Kolonien, Die deutschen Kabel, die
wir uns im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte geschaffen haben und die
Deutschland in Friedenszeiten eine unmittelbare telegraphische Verbindung mit
Nord- und Südamerika, mit Spanien, den Azoren und den Kanaren und über
die letzteren mit Togo und Kamerun gewähren, sind bei Ausbruch des Krieges
mit England sogleich am ersten Tage, am 5. August, durch englische Kabelschiffe
zerschnitten worden, und zwar nicht, wie es das Kriegsrecht verlangt, in den
deutschen Gewässern -- in die sich die englischen Schiffe überhaupt noch nicht
hineingewagt haben --, sondern auf der neutralen offenen See!

Kabelstörungen bedeutender Art sind bisher nur im spanisch-amerika¬
nischen und im russisch-japanischen Krieg vorgekommen. Im letzteren ließ die
"Große Nordische Telegraphen-Gesellschaft" ihre von Wladiwostok nach Japan
laufenden Seekadet sehr bald nach erfolgtem Ausbruch des Krieges vollkommen
sperren, um ihrer Zerstörung durch die Japaner aus dem Wege zu gehen.
In der Tat blieben denn auch die Kabel unbeschädigt, da sie ja für die Krieg¬
führung praktisch nicht vorhanden waren und der Betrieb erst nach erfolgter
Wiederkehr friedlicher Zeit aufs neue aufgenommen wurde. Wenn jetzt die
Engländer die deutschen Kabel sogleich zerstört und nicht erst abgewartet haben,
ob sie freiwillig gesperrt würden, so ist freilich nicht zu verkennen, daß in einer
Hinsicht die Dinge doch erheblich anders liegen als im russisch-japanischen Kriege.
Damals endeten die gesperrten Kabel auf japanischem Boden, und die Japaner
hatten es daher völlig in der Hand, eine etwaige, trotz der Sperrung versuchte




Deutschlands Telegraphenisolierung während des
Arieges
von Dr. pkil, Richard Hennig

urch den Ausbruch des großen Weltkrieges ist Deutschland, trotz
der günstigen, den sicheren Sieg verheißenden militärischen Anfänge,
insofern in eine sehr üble Lage gekommen, als ihm die tele¬
graphischen Verbindungen mit den meisten überseeischen Ländern
mit einem Schlage abgeschnitten worden sind. Nicht nur nach
den gegen uns im Felde stehenden Ländern Frankreich, England, Belgien und
Rußland ist der Telegraph völlig unterbrochen, sondern auch nach allen außer¬
europäischen Ländern, einschließlich unserer Kolonien, Die deutschen Kabel, die
wir uns im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte geschaffen haben und die
Deutschland in Friedenszeiten eine unmittelbare telegraphische Verbindung mit
Nord- und Südamerika, mit Spanien, den Azoren und den Kanaren und über
die letzteren mit Togo und Kamerun gewähren, sind bei Ausbruch des Krieges
mit England sogleich am ersten Tage, am 5. August, durch englische Kabelschiffe
zerschnitten worden, und zwar nicht, wie es das Kriegsrecht verlangt, in den
deutschen Gewässern — in die sich die englischen Schiffe überhaupt noch nicht
hineingewagt haben —, sondern auf der neutralen offenen See!

Kabelstörungen bedeutender Art sind bisher nur im spanisch-amerika¬
nischen und im russisch-japanischen Krieg vorgekommen. Im letzteren ließ die
„Große Nordische Telegraphen-Gesellschaft" ihre von Wladiwostok nach Japan
laufenden Seekadet sehr bald nach erfolgtem Ausbruch des Krieges vollkommen
sperren, um ihrer Zerstörung durch die Japaner aus dem Wege zu gehen.
In der Tat blieben denn auch die Kabel unbeschädigt, da sie ja für die Krieg¬
führung praktisch nicht vorhanden waren und der Betrieb erst nach erfolgter
Wiederkehr friedlicher Zeit aufs neue aufgenommen wurde. Wenn jetzt die
Engländer die deutschen Kabel sogleich zerstört und nicht erst abgewartet haben,
ob sie freiwillig gesperrt würden, so ist freilich nicht zu verkennen, daß in einer
Hinsicht die Dinge doch erheblich anders liegen als im russisch-japanischen Kriege.
Damals endeten die gesperrten Kabel auf japanischem Boden, und die Japaner
hatten es daher völlig in der Hand, eine etwaige, trotz der Sperrung versuchte


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[0371] [Abbildung] Deutschlands Telegraphenisolierung während des Arieges von Dr. pkil, Richard Hennig urch den Ausbruch des großen Weltkrieges ist Deutschland, trotz der günstigen, den sicheren Sieg verheißenden militärischen Anfänge, insofern in eine sehr üble Lage gekommen, als ihm die tele¬ graphischen Verbindungen mit den meisten überseeischen Ländern mit einem Schlage abgeschnitten worden sind. Nicht nur nach den gegen uns im Felde stehenden Ländern Frankreich, England, Belgien und Rußland ist der Telegraph völlig unterbrochen, sondern auch nach allen außer¬ europäischen Ländern, einschließlich unserer Kolonien, Die deutschen Kabel, die wir uns im Laufe der letzten anderthalb Jahrzehnte geschaffen haben und die Deutschland in Friedenszeiten eine unmittelbare telegraphische Verbindung mit Nord- und Südamerika, mit Spanien, den Azoren und den Kanaren und über die letzteren mit Togo und Kamerun gewähren, sind bei Ausbruch des Krieges mit England sogleich am ersten Tage, am 5. August, durch englische Kabelschiffe zerschnitten worden, und zwar nicht, wie es das Kriegsrecht verlangt, in den deutschen Gewässern — in die sich die englischen Schiffe überhaupt noch nicht hineingewagt haben —, sondern auf der neutralen offenen See! Kabelstörungen bedeutender Art sind bisher nur im spanisch-amerika¬ nischen und im russisch-japanischen Krieg vorgekommen. Im letzteren ließ die „Große Nordische Telegraphen-Gesellschaft" ihre von Wladiwostok nach Japan laufenden Seekadet sehr bald nach erfolgtem Ausbruch des Krieges vollkommen sperren, um ihrer Zerstörung durch die Japaner aus dem Wege zu gehen. In der Tat blieben denn auch die Kabel unbeschädigt, da sie ja für die Krieg¬ führung praktisch nicht vorhanden waren und der Betrieb erst nach erfolgter Wiederkehr friedlicher Zeit aufs neue aufgenommen wurde. Wenn jetzt die Engländer die deutschen Kabel sogleich zerstört und nicht erst abgewartet haben, ob sie freiwillig gesperrt würden, so ist freilich nicht zu verkennen, daß in einer Hinsicht die Dinge doch erheblich anders liegen als im russisch-japanischen Kriege. Damals endeten die gesperrten Kabel auf japanischem Boden, und die Japaner hatten es daher völlig in der Hand, eine etwaige, trotz der Sperrung versuchte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/371>, abgerufen am 27.07.2024.