Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Franz Liszt theologische und historische Schulung, noch mehr aber religiöses Empfinden von Der kleine Band von kaum zweihundert Seiten in seiner feinen, gefälligen Franz Liszt von Dr. Hermann Seeliger II. Das Werk und wir s ist ein immer noch weit genug verbreiteter Irrtum, daß der Franz Liszt theologische und historische Schulung, noch mehr aber religiöses Empfinden von Der kleine Band von kaum zweihundert Seiten in seiner feinen, gefälligen Franz Liszt von Dr. Hermann Seeliger II. Das Werk und wir s ist ein immer noch weit genug verbreiteter Irrtum, daß der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0036" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328770"/> <fw type="header" place="top"> Franz Liszt</fw><lb/> <p xml:id="ID_75" prev="#ID_74"> theologische und historische Schulung, noch mehr aber religiöses Empfinden von<lb/> tiefer Innigkeit und Wärme. Darin besteht ja wohl die Religiosität: in der<lb/> Fähigkeit, das kleinste Geschehnis des Alltags und die großen Ereignisse des<lb/> Menschenlebens und der Weltgeschichte einzustellen unter einen beherrschenden<lb/> Gesichtspunkt, der dem Einzelleben Halt, Sinn und Wert gibt. Lud Zpecie<lb/> ÄLterniwtis leben nennt das die Sprache der Religion.</p><lb/> <p xml:id="ID_76"> Der kleine Band von kaum zweihundert Seiten in seiner feinen, gefälligen<lb/> Aufmachung ist ein beachtenswertes Dokument vom religiösen Ringen der Gegen¬<lb/> wart, speziell in den Reihen der gebildeten Katholiken. In ihre Hand gehört<lb/> es in erster Linie: in die Hand der Radikalen und Pessimisten so gut wie in<lb/> die Hand der Indifferenten und der satten Konservativen. Aber es sollte auch<lb/> von Nichtkatholiken keiner daran vorbeigehen, der Interesse hat an den religiösen<lb/> Strömungen der Gegenwart. Der Ernst des Suchens, der aus den Worten<lb/> Furth spricht, der feste Wille zu positivem Aufbau, nicht zu Negation und<lb/> Revolution, die vornehme Weitherzigkeit der Anschauungen und das edle sprach¬<lb/> liche Gewand, das sind Eigenschaften, die der Schrift Hochschätzung und Sym¬<lb/> pathie verschaffen sollten auch da, wo man grundsätzlich anders denkt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Franz Liszt<lb/><note type="byline"> von Dr. Hermann Seeliger</note> II.<lb/> Das Werk und wir</head><lb/> <p xml:id="ID_77" next="#ID_78"> s ist ein immer noch weit genug verbreiteter Irrtum, daß der<lb/> Name Beethoven den letzten gewaltigen Schlußstein einer großen<lb/> Epoche der Musikgeschichte bedeute: wie er einerseits eine jahr¬<lb/> hundertelange künstlerische Kultur zum Abschluß bringt, so steht<lb/> er zugleich am Anfang einer neuen, der neuen, in deren Luft wir<lb/> heute atmen — es ist daher begreiflich, daß die musikalische Romantik ihn ebenso<lb/> für sich in Anspruch nehmen konnte wie die literarische Goethe. Aber von<lb/> dem unirdischen Glänze, in dem sich allein sein Genius baden konnte, von der<lb/> Höhe einer Symbolik, die Gottheit, Natur, Menschenschicksal umspannte<lb/> in einer bisher unerhört persönlichen Offenbarung, mußte sich der Blick der<lb/> jungen, auf Beethoven folgenden Generation wieder der Erde zuwenden,<lb/> deren Reichtum sich jetzt erst dem Verständnis zu erschließen schien. Und aus<lb/> dem liebe- und ahnungsvollen Erfassen dieses Reichtums empfängt die MusikWW</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0036]
Franz Liszt
theologische und historische Schulung, noch mehr aber religiöses Empfinden von
tiefer Innigkeit und Wärme. Darin besteht ja wohl die Religiosität: in der
Fähigkeit, das kleinste Geschehnis des Alltags und die großen Ereignisse des
Menschenlebens und der Weltgeschichte einzustellen unter einen beherrschenden
Gesichtspunkt, der dem Einzelleben Halt, Sinn und Wert gibt. Lud Zpecie
ÄLterniwtis leben nennt das die Sprache der Religion.
Der kleine Band von kaum zweihundert Seiten in seiner feinen, gefälligen
Aufmachung ist ein beachtenswertes Dokument vom religiösen Ringen der Gegen¬
wart, speziell in den Reihen der gebildeten Katholiken. In ihre Hand gehört
es in erster Linie: in die Hand der Radikalen und Pessimisten so gut wie in
die Hand der Indifferenten und der satten Konservativen. Aber es sollte auch
von Nichtkatholiken keiner daran vorbeigehen, der Interesse hat an den religiösen
Strömungen der Gegenwart. Der Ernst des Suchens, der aus den Worten
Furth spricht, der feste Wille zu positivem Aufbau, nicht zu Negation und
Revolution, die vornehme Weitherzigkeit der Anschauungen und das edle sprach¬
liche Gewand, das sind Eigenschaften, die der Schrift Hochschätzung und Sym¬
pathie verschaffen sollten auch da, wo man grundsätzlich anders denkt.
Franz Liszt
von Dr. Hermann Seeliger II.
Das Werk und wir
s ist ein immer noch weit genug verbreiteter Irrtum, daß der
Name Beethoven den letzten gewaltigen Schlußstein einer großen
Epoche der Musikgeschichte bedeute: wie er einerseits eine jahr¬
hundertelange künstlerische Kultur zum Abschluß bringt, so steht
er zugleich am Anfang einer neuen, der neuen, in deren Luft wir
heute atmen — es ist daher begreiflich, daß die musikalische Romantik ihn ebenso
für sich in Anspruch nehmen konnte wie die literarische Goethe. Aber von
dem unirdischen Glänze, in dem sich allein sein Genius baden konnte, von der
Höhe einer Symbolik, die Gottheit, Natur, Menschenschicksal umspannte
in einer bisher unerhört persönlichen Offenbarung, mußte sich der Blick der
jungen, auf Beethoven folgenden Generation wieder der Erde zuwenden,
deren Reichtum sich jetzt erst dem Verständnis zu erschließen schien. Und aus
dem liebe- und ahnungsvollen Erfassen dieses Reichtums empfängt die MusikWW
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |