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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Aricgstagcbuch

im Sinne meiner Ausführungen geeignetes Werk ist das Phasenwerk von
Müller-Lner, "Die Entwicklungsstufen der Menschheit". Band 1: Der Sinn
des Lebens und die Wissenschaft (München 1910); Band 2: Phasen der Kultur
und Richtungslinien des Fortschritts (München 1908); Band 3: Formen der
Ehe. der Familie und der Verwandtschaft (München 1911); Band 4.: Die
Familie (München 1912); Band 5: Phasen der Liebe (München 1913). von
dem in einem der nächsten Hefte ausführlicher die Rede sein soll.




Kriegstagebuch

Schneller als wir es nach den Ersahrungen früherer Kriege voraussehen konnten
sind an unserer Westgrenze Schlachten geschlagen und Erfolge erzielt worden, die
den weiteren Verlauf des Krieges gegen Frankreich bestimmend beeinflussen. Dank
einem bis in die kleinsten Einzelheiten richtig angesetzten Aufmarsch und hervor¬
ragender Selbsttätigkeit der Unterführer konnte sich im Zentrum unseres Aufmarsches
aus vielen Einzelgefechten die große "Schlacht bei Metz" entwickeln, bei der die
Gegner auf einer Linie von fast hundert Kilometer Länge miteinander rangen.
Inzwischen hat sich die Schlachtlinie auf zweihnndertundfünfzig Kilometer verlängert.
Die mit der Hauptmacht über die Grenze vorgedrungenen Franzosen konnten wieder
in ihr Land zurückgeworfen werden und an einzelnen Stellen vermochten unsere
Truppen sogar aus der Verfolgung heraus die Linie der Sperrforts zu durch¬
brechen. Manonville, das stärkste der Forts, ist seit dem 28. d. Mes. in unserem
Besitz. -- Belgien ist zu Boden getreten, -- eine gerechte Strafe für die hinter¬
hältige Politik seiner Regierung, die, entgegen den von ihr eingegangenen völker¬
rechtlichen Verpflichtungen, Abmachungen mit England und Frankreich getroffen
hatte, die die Belgier zwangen auf die Seite unserer Gegner zu treten. --
Eine schwere Niederlage hat das englische Expeditionskorps erlitten, von dem
Lord Kitchencr vor einigen Tagen behauptete, es habe "Prachtleistungen" voll¬
bracht, obwohl es noch gar nicht an den Feind gekommen war. Unsere Truppen
stehen im Norden bei Se. Quentin. kaum hundert Kilometer von Paris!

Nicht ganz so erfreulich sieht es auf dem nördlichen Teil des östlichen
Kriegsschauplatzes aus, trotz des großen Sieges zwischen Gilgenburg und Ortels-
burg, wo fünf russische Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen von bedeutend
geringeren Streitlüsten zurückgeworfen wurden. Verspätet zwar, aber doch mit
weit an Zahl überlegenen Kräften sind die Russen von Kowno her hinter unseren
langsam zurückweichenden Truppen in Ostpreußen bis über die Angerap ein-


Aricgstagcbuch

im Sinne meiner Ausführungen geeignetes Werk ist das Phasenwerk von
Müller-Lner, „Die Entwicklungsstufen der Menschheit". Band 1: Der Sinn
des Lebens und die Wissenschaft (München 1910); Band 2: Phasen der Kultur
und Richtungslinien des Fortschritts (München 1908); Band 3: Formen der
Ehe. der Familie und der Verwandtschaft (München 1911); Band 4.: Die
Familie (München 1912); Band 5: Phasen der Liebe (München 1913). von
dem in einem der nächsten Hefte ausführlicher die Rede sein soll.




Kriegstagebuch

Schneller als wir es nach den Ersahrungen früherer Kriege voraussehen konnten
sind an unserer Westgrenze Schlachten geschlagen und Erfolge erzielt worden, die
den weiteren Verlauf des Krieges gegen Frankreich bestimmend beeinflussen. Dank
einem bis in die kleinsten Einzelheiten richtig angesetzten Aufmarsch und hervor¬
ragender Selbsttätigkeit der Unterführer konnte sich im Zentrum unseres Aufmarsches
aus vielen Einzelgefechten die große „Schlacht bei Metz" entwickeln, bei der die
Gegner auf einer Linie von fast hundert Kilometer Länge miteinander rangen.
Inzwischen hat sich die Schlachtlinie auf zweihnndertundfünfzig Kilometer verlängert.
Die mit der Hauptmacht über die Grenze vorgedrungenen Franzosen konnten wieder
in ihr Land zurückgeworfen werden und an einzelnen Stellen vermochten unsere
Truppen sogar aus der Verfolgung heraus die Linie der Sperrforts zu durch¬
brechen. Manonville, das stärkste der Forts, ist seit dem 28. d. Mes. in unserem
Besitz. — Belgien ist zu Boden getreten, — eine gerechte Strafe für die hinter¬
hältige Politik seiner Regierung, die, entgegen den von ihr eingegangenen völker¬
rechtlichen Verpflichtungen, Abmachungen mit England und Frankreich getroffen
hatte, die die Belgier zwangen auf die Seite unserer Gegner zu treten. —
Eine schwere Niederlage hat das englische Expeditionskorps erlitten, von dem
Lord Kitchencr vor einigen Tagen behauptete, es habe „Prachtleistungen" voll¬
bracht, obwohl es noch gar nicht an den Feind gekommen war. Unsere Truppen
stehen im Norden bei Se. Quentin. kaum hundert Kilometer von Paris!

Nicht ganz so erfreulich sieht es auf dem nördlichen Teil des östlichen
Kriegsschauplatzes aus, trotz des großen Sieges zwischen Gilgenburg und Ortels-
burg, wo fünf russische Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen von bedeutend
geringeren Streitlüsten zurückgeworfen wurden. Verspätet zwar, aber doch mit
weit an Zahl überlegenen Kräften sind die Russen von Kowno her hinter unseren
langsam zurückweichenden Truppen in Ostpreußen bis über die Angerap ein-


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[0351] Aricgstagcbuch im Sinne meiner Ausführungen geeignetes Werk ist das Phasenwerk von Müller-Lner, „Die Entwicklungsstufen der Menschheit". Band 1: Der Sinn des Lebens und die Wissenschaft (München 1910); Band 2: Phasen der Kultur und Richtungslinien des Fortschritts (München 1908); Band 3: Formen der Ehe. der Familie und der Verwandtschaft (München 1911); Band 4.: Die Familie (München 1912); Band 5: Phasen der Liebe (München 1913). von dem in einem der nächsten Hefte ausführlicher die Rede sein soll. Kriegstagebuch Schneller als wir es nach den Ersahrungen früherer Kriege voraussehen konnten sind an unserer Westgrenze Schlachten geschlagen und Erfolge erzielt worden, die den weiteren Verlauf des Krieges gegen Frankreich bestimmend beeinflussen. Dank einem bis in die kleinsten Einzelheiten richtig angesetzten Aufmarsch und hervor¬ ragender Selbsttätigkeit der Unterführer konnte sich im Zentrum unseres Aufmarsches aus vielen Einzelgefechten die große „Schlacht bei Metz" entwickeln, bei der die Gegner auf einer Linie von fast hundert Kilometer Länge miteinander rangen. Inzwischen hat sich die Schlachtlinie auf zweihnndertundfünfzig Kilometer verlängert. Die mit der Hauptmacht über die Grenze vorgedrungenen Franzosen konnten wieder in ihr Land zurückgeworfen werden und an einzelnen Stellen vermochten unsere Truppen sogar aus der Verfolgung heraus die Linie der Sperrforts zu durch¬ brechen. Manonville, das stärkste der Forts, ist seit dem 28. d. Mes. in unserem Besitz. — Belgien ist zu Boden getreten, — eine gerechte Strafe für die hinter¬ hältige Politik seiner Regierung, die, entgegen den von ihr eingegangenen völker¬ rechtlichen Verpflichtungen, Abmachungen mit England und Frankreich getroffen hatte, die die Belgier zwangen auf die Seite unserer Gegner zu treten. — Eine schwere Niederlage hat das englische Expeditionskorps erlitten, von dem Lord Kitchencr vor einigen Tagen behauptete, es habe „Prachtleistungen" voll¬ bracht, obwohl es noch gar nicht an den Feind gekommen war. Unsere Truppen stehen im Norden bei Se. Quentin. kaum hundert Kilometer von Paris! Nicht ganz so erfreulich sieht es auf dem nördlichen Teil des östlichen Kriegsschauplatzes aus, trotz des großen Sieges zwischen Gilgenburg und Ortels- burg, wo fünf russische Armeekorps und drei Kavalleriedivisionen von bedeutend geringeren Streitlüsten zurückgeworfen wurden. Verspätet zwar, aber doch mit weit an Zahl überlegenen Kräften sind die Russen von Kowno her hinter unseren langsam zurückweichenden Truppen in Ostpreußen bis über die Angerap ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/351>, abgerufen am 13.11.2024.