Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.Uriegstcigcvuch gedrungen. Der Gedanke an das furchtbare Ringen im Osten lastet auf allen Im Süden des östlichen Kriegsschauplatzes pflücken unsere schwarzgelben Auf dem politischen Kriegsschauplatz haben sich zwei bemerkenswerte Ereig¬ Die alles Alte umwälzenden Wirkungen des Weltkrieges beginnen sichtbar zu werden. Uriegstcigcvuch gedrungen. Der Gedanke an das furchtbare Ringen im Osten lastet auf allen Im Süden des östlichen Kriegsschauplatzes pflücken unsere schwarzgelben Auf dem politischen Kriegsschauplatz haben sich zwei bemerkenswerte Ereig¬ Die alles Alte umwälzenden Wirkungen des Weltkrieges beginnen sichtbar zu werden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0352" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329086"/> <fw type="header" place="top"> Uriegstcigcvuch</fw><lb/> <p xml:id="ID_1190" prev="#ID_1189"> gedrungen. Der Gedanke an das furchtbare Ringen im Osten lastet auf allen<lb/> Gemütern und läßt eine helle Freude über die Siege im Westen nicht recht auf¬<lb/> kommen. Wir brauchen dennoch nicht zu verzagen: alles, was bisher in Ost¬<lb/> preußen geschehen ist, liegt begründet in der geopraphischen Lage der Provinz<lb/> und in den strategischen Verhältnissen dieses Krieges; alles war vorausgesehen!<lb/> Auch dort wird der Sieg unser sein. Die Umzingelung einer Armeeabteilung,<lb/> die unseren Braven am Sonnabend' gelang, die Gefangennahme von dreißig¬<lb/> tausend Russen, — alles zeugt, daß selbst erdrückende Übermacht unsern Sieg<lb/> nicht aufzuhalten vermag. Das Vorgehen der Russen in Ostpreußen ist von<lb/> solcher Eigenart und widerspricht so sehr allen Lehren des modernen Krieges,<lb/> daß die merkwürdigsten Schlüsse möglich sind. Ein Augenzeuge der Schlacht<lb/> von Gumbinnen berichtet, die Russen suchten kaum eine Deckung auf; sie gehen<lb/> in dicken Schwärmen vor und knien zum Feuern nieder, statt sich auf den<lb/> Boden zu werfen. Reihenweise werden sie vom vernichtenden Feuer unserer<lb/> Infanterie niedergemäht, — neue Reihen stehen aufi Offiziere erscheinen nicht<lb/> oder doch nur ausnahmsweise vor der Front. Ihre Aufgabe ist es, die Soldaten<lb/> mit Knute und Revolver gegen die deutschen Stellungen zu treiben. Der arme<lb/> Teufel von Mushik hat beim Vorgehen wenigstens die Hoffnung, in deutsche<lb/> Gefangenschaft zu geraten; die Flucht bedeutet ihm sicheren Tod. Die Gefallenen<lb/> werden nicht begraben; zu Hunderten werden sie in Hänser und Gehöfte gebracht<lb/> und mit diesen zusammen verbrannt! — Wehe, wenn diese Massen geschlagen,<lb/> die Offiziere in panischen Schrecken überrennend, zurückfinden! Eine solche<lb/> Flucht kann bei Wilna nicht Halt machen! — Jetzt stehen wir in Erwartung<lb/> der Dinge, die die Lage im nördlichen Teil Ostpreußens entscheiden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1191"> Im Süden des östlichen Kriegsschauplatzes pflücken unsere schwarzgelben<lb/> Bundesbrüder reichlichen Lorbeer. Die Schlacht bei Krasnik östlich der Weichsel<lb/> bezeichnet, wie die Schlacht bei Metz, eine große Zahl von kriegerischen Einzel¬<lb/> unternehmungen, die sich auf einer Linie von siebzig Kilometer Länge abspielten.<lb/> Im östlichen Galizien, zwischen Lemberg und Brodn stehen die Entscheidungen<lb/> noch aus. — Ganz im Süden beginnewdie Russen Rumänien zu drangsalieren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1192"> Auf dem politischen Kriegsschauplatz haben sich zwei bemerkenswerte Ereig¬<lb/> nisse zugetragen: Frankreich hat amtlich an Belgien mitgeteilt, daß es nicht<lb/> imstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und das französische Kabinett<lb/> hat sich durch Männer aus allen Parteien ergänzt, also auch durch sozialistische<lb/> Gegner dieses Krieges. Der Vorwärts veröffentlicht dazu in seiner Nummer 234<lb/> einen höchst bemerkenswerten Leitartikel, der die Bedeutung eines historischen<lb/> Dokuments hat. Er sei daher vollständig wiedergegeben:</p><lb/> <p xml:id="ID_1193" next="#ID_1194"> Die alles Alte umwälzenden Wirkungen des Weltkrieges beginnen sichtbar zu werden.<lb/> Die Führer der französischen Sozialdemokratie sind in das Ministerium eingetreten und<lb/> nehmen an der Regierung teil, in der die Vertrauensmänner aller republikanischen Parteien<lb/> sitzen. Die Radikalen, sozialistisch-Radikalen und Sozialdemokraten, also die Parteien, die<lb/> urit der Friedensparole den Sieg bei den letzten Wahlen errangen, besitzen trotz der Teil¬<lb/> nahme der rechtsstehenden Republikaner eine starke Mehrheit, während ausgesprochene</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0352]
Uriegstcigcvuch
gedrungen. Der Gedanke an das furchtbare Ringen im Osten lastet auf allen
Gemütern und läßt eine helle Freude über die Siege im Westen nicht recht auf¬
kommen. Wir brauchen dennoch nicht zu verzagen: alles, was bisher in Ost¬
preußen geschehen ist, liegt begründet in der geopraphischen Lage der Provinz
und in den strategischen Verhältnissen dieses Krieges; alles war vorausgesehen!
Auch dort wird der Sieg unser sein. Die Umzingelung einer Armeeabteilung,
die unseren Braven am Sonnabend' gelang, die Gefangennahme von dreißig¬
tausend Russen, — alles zeugt, daß selbst erdrückende Übermacht unsern Sieg
nicht aufzuhalten vermag. Das Vorgehen der Russen in Ostpreußen ist von
solcher Eigenart und widerspricht so sehr allen Lehren des modernen Krieges,
daß die merkwürdigsten Schlüsse möglich sind. Ein Augenzeuge der Schlacht
von Gumbinnen berichtet, die Russen suchten kaum eine Deckung auf; sie gehen
in dicken Schwärmen vor und knien zum Feuern nieder, statt sich auf den
Boden zu werfen. Reihenweise werden sie vom vernichtenden Feuer unserer
Infanterie niedergemäht, — neue Reihen stehen aufi Offiziere erscheinen nicht
oder doch nur ausnahmsweise vor der Front. Ihre Aufgabe ist es, die Soldaten
mit Knute und Revolver gegen die deutschen Stellungen zu treiben. Der arme
Teufel von Mushik hat beim Vorgehen wenigstens die Hoffnung, in deutsche
Gefangenschaft zu geraten; die Flucht bedeutet ihm sicheren Tod. Die Gefallenen
werden nicht begraben; zu Hunderten werden sie in Hänser und Gehöfte gebracht
und mit diesen zusammen verbrannt! — Wehe, wenn diese Massen geschlagen,
die Offiziere in panischen Schrecken überrennend, zurückfinden! Eine solche
Flucht kann bei Wilna nicht Halt machen! — Jetzt stehen wir in Erwartung
der Dinge, die die Lage im nördlichen Teil Ostpreußens entscheiden müssen.
Im Süden des östlichen Kriegsschauplatzes pflücken unsere schwarzgelben
Bundesbrüder reichlichen Lorbeer. Die Schlacht bei Krasnik östlich der Weichsel
bezeichnet, wie die Schlacht bei Metz, eine große Zahl von kriegerischen Einzel¬
unternehmungen, die sich auf einer Linie von siebzig Kilometer Länge abspielten.
Im östlichen Galizien, zwischen Lemberg und Brodn stehen die Entscheidungen
noch aus. — Ganz im Süden beginnewdie Russen Rumänien zu drangsalieren.
Auf dem politischen Kriegsschauplatz haben sich zwei bemerkenswerte Ereig¬
nisse zugetragen: Frankreich hat amtlich an Belgien mitgeteilt, daß es nicht
imstande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, und das französische Kabinett
hat sich durch Männer aus allen Parteien ergänzt, also auch durch sozialistische
Gegner dieses Krieges. Der Vorwärts veröffentlicht dazu in seiner Nummer 234
einen höchst bemerkenswerten Leitartikel, der die Bedeutung eines historischen
Dokuments hat. Er sei daher vollständig wiedergegeben:
Die alles Alte umwälzenden Wirkungen des Weltkrieges beginnen sichtbar zu werden.
Die Führer der französischen Sozialdemokratie sind in das Ministerium eingetreten und
nehmen an der Regierung teil, in der die Vertrauensmänner aller republikanischen Parteien
sitzen. Die Radikalen, sozialistisch-Radikalen und Sozialdemokraten, also die Parteien, die
urit der Friedensparole den Sieg bei den letzten Wahlen errangen, besitzen trotz der Teil¬
nahme der rechtsstehenden Republikaner eine starke Mehrheit, während ausgesprochene
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