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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr.

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Die russische Armee als Gegner
von Generalleutnant Freiherr Freytag-Loringhoven

Der geehrte Autor der nachfolgenden Ausführungen hat im Verlage
vou E. S. Mittler u. Sohn zu Berlin kürzlich ein höchst interessantes
Werk "Die Grundbedingungen kriegerischen Erfolges" (Preis M> 6,--,
geb. M. 6,50) veröffentlicht; diesem Buche, das in gegenwärtiger großer
Zeit viele Leser finden möge, sind die folgenden Abschnitte mit gütiger
Die Schriftleitung Erlaubnis des Verlages entnommen.

1. Die Anfänge der russischen Armee

egründer des russischen Heerwesens, wie überhaupt des modernen
russischen Staates ist Peter der Große. Die gewaltsame Durch¬
dringung altrussischen Wesens mit europäischer Kultur, wie sie
dieser großer Reformator vornahm, konnte nur mit Hilfe zahl¬
reicher Ausländer geschehen, die er in seinen Dienst zog. Zu
den vielen Angehörigen verschiedener deutscher Kontingente, die unter Peter dem
Großen und seinen Nachfolgern ihr Glück im russischen Dienst suchten, gesellte
sich dann der deutsche Adel der Schweden abgerungenen baltischen Provinzen,
dessen Söhne an allen Kriegen Rußlands einen höchst ehrenvollen Anteil gehabt
haben. Die 1741 beginnende^Regierung der Kaiserin Elisabeth ist durch ein
Zurückdrängen des deutschen Einflusses und durch Hervorkehrung national¬
russischer Tendenzen gekennzeichnet. Das Offizierkorps war unter Elisabeth noch
wenig gleichartig. Seine Masse entstammte dem kleinen Landadel und stand
auf sehr niedriger Bildungsstufe. Die höheren Stellen befanden sich in den
Händen Angehöriger der reichen und mächtigen Adelsfamilien, die in der Garde
eine rasche Beförderung erfahren hatten. Daneben waren immer noch zahlreiche
Offiziere nicht russischer Nationalität im Heere vertreten. Die bäuerliche Be¬
völkerung lieferte ein überaus williges und brauchbares Menschenmaterial mit
lebenslänglicher Dienstverpflichtung. Die großen Entfernungen des weiten Reiches
erschwerten indessen die Ergänzung der Armee, und es bestanden in ihr zahl¬
reiche Mißstände infolge des steten Geldmangels, so daß es zu einer gedeihlichen
Entwicklung des Heerwesens nicht kam.

Nur die Artillerie wurde unter Elisabeth, dank den Bemühungen des
Grafen Peter Schuwalow, wesentlich gefördert. Bei dem ersten Zusammen-




Die russische Armee als Gegner
von Generalleutnant Freiherr Freytag-Loringhoven

Der geehrte Autor der nachfolgenden Ausführungen hat im Verlage
vou E. S. Mittler u. Sohn zu Berlin kürzlich ein höchst interessantes
Werk „Die Grundbedingungen kriegerischen Erfolges" (Preis M> 6,—,
geb. M. 6,50) veröffentlicht; diesem Buche, das in gegenwärtiger großer
Zeit viele Leser finden möge, sind die folgenden Abschnitte mit gütiger
Die Schriftleitung Erlaubnis des Verlages entnommen.

1. Die Anfänge der russischen Armee

egründer des russischen Heerwesens, wie überhaupt des modernen
russischen Staates ist Peter der Große. Die gewaltsame Durch¬
dringung altrussischen Wesens mit europäischer Kultur, wie sie
dieser großer Reformator vornahm, konnte nur mit Hilfe zahl¬
reicher Ausländer geschehen, die er in seinen Dienst zog. Zu
den vielen Angehörigen verschiedener deutscher Kontingente, die unter Peter dem
Großen und seinen Nachfolgern ihr Glück im russischen Dienst suchten, gesellte
sich dann der deutsche Adel der Schweden abgerungenen baltischen Provinzen,
dessen Söhne an allen Kriegen Rußlands einen höchst ehrenvollen Anteil gehabt
haben. Die 1741 beginnende^Regierung der Kaiserin Elisabeth ist durch ein
Zurückdrängen des deutschen Einflusses und durch Hervorkehrung national¬
russischer Tendenzen gekennzeichnet. Das Offizierkorps war unter Elisabeth noch
wenig gleichartig. Seine Masse entstammte dem kleinen Landadel und stand
auf sehr niedriger Bildungsstufe. Die höheren Stellen befanden sich in den
Händen Angehöriger der reichen und mächtigen Adelsfamilien, die in der Garde
eine rasche Beförderung erfahren hatten. Daneben waren immer noch zahlreiche
Offiziere nicht russischer Nationalität im Heere vertreten. Die bäuerliche Be¬
völkerung lieferte ein überaus williges und brauchbares Menschenmaterial mit
lebenslänglicher Dienstverpflichtung. Die großen Entfernungen des weiten Reiches
erschwerten indessen die Ergänzung der Armee, und es bestanden in ihr zahl¬
reiche Mißstände infolge des steten Geldmangels, so daß es zu einer gedeihlichen
Entwicklung des Heerwesens nicht kam.

Nur die Artillerie wurde unter Elisabeth, dank den Bemühungen des
Grafen Peter Schuwalow, wesentlich gefördert. Bei dem ersten Zusammen-


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[0259] [Abbildung] Die russische Armee als Gegner von Generalleutnant Freiherr Freytag-Loringhoven Der geehrte Autor der nachfolgenden Ausführungen hat im Verlage vou E. S. Mittler u. Sohn zu Berlin kürzlich ein höchst interessantes Werk „Die Grundbedingungen kriegerischen Erfolges" (Preis M> 6,—, geb. M. 6,50) veröffentlicht; diesem Buche, das in gegenwärtiger großer Zeit viele Leser finden möge, sind die folgenden Abschnitte mit gütiger Die Schriftleitung Erlaubnis des Verlages entnommen. 1. Die Anfänge der russischen Armee egründer des russischen Heerwesens, wie überhaupt des modernen russischen Staates ist Peter der Große. Die gewaltsame Durch¬ dringung altrussischen Wesens mit europäischer Kultur, wie sie dieser großer Reformator vornahm, konnte nur mit Hilfe zahl¬ reicher Ausländer geschehen, die er in seinen Dienst zog. Zu den vielen Angehörigen verschiedener deutscher Kontingente, die unter Peter dem Großen und seinen Nachfolgern ihr Glück im russischen Dienst suchten, gesellte sich dann der deutsche Adel der Schweden abgerungenen baltischen Provinzen, dessen Söhne an allen Kriegen Rußlands einen höchst ehrenvollen Anteil gehabt haben. Die 1741 beginnende^Regierung der Kaiserin Elisabeth ist durch ein Zurückdrängen des deutschen Einflusses und durch Hervorkehrung national¬ russischer Tendenzen gekennzeichnet. Das Offizierkorps war unter Elisabeth noch wenig gleichartig. Seine Masse entstammte dem kleinen Landadel und stand auf sehr niedriger Bildungsstufe. Die höheren Stellen befanden sich in den Händen Angehöriger der reichen und mächtigen Adelsfamilien, die in der Garde eine rasche Beförderung erfahren hatten. Daneben waren immer noch zahlreiche Offiziere nicht russischer Nationalität im Heere vertreten. Die bäuerliche Be¬ völkerung lieferte ein überaus williges und brauchbares Menschenmaterial mit lebenslänglicher Dienstverpflichtung. Die großen Entfernungen des weiten Reiches erschwerten indessen die Ergänzung der Armee, und es bestanden in ihr zahl¬ reiche Mißstände infolge des steten Geldmangels, so daß es zu einer gedeihlichen Entwicklung des Heerwesens nicht kam. Nur die Artillerie wurde unter Elisabeth, dank den Bemühungen des Grafen Peter Schuwalow, wesentlich gefördert. Bei dem ersten Zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328733/259>, abgerufen am 13.11.2024.