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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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"Freideutsche Jngendkultur"

Sinne. In Wintersdorf aber, "der einzigen derartigen Schule, die es gibt",
sieht er die Idee der Jugendkultur "verwirklicht", wie er jüngst in dem ein¬
gangs zitierten Vortrag in der pädagogischen Abteilung der Münchener Freien
Studentenschaft erklärte; "und ich kann mir keine andere Verwirklichung dieses
Begriffes denken als so, wie es die Freie Schulgemeinde im Prinzip gefunden
hat, durch die Vereinigung des Jugendlebens mit der Schule, aber mit einer
Schule, die kulturbestimmt und geistdnrchhaucht ist."


2. Die Organisation der "Jugendkultur"

Als die nächste Aufgabe hat Dr. Wyneken in jener Versammlung "die
Eroberung der Mittel- und Hochschule" proklamiert; einen seinen Bestrebungen
und Ideen günstigen Boden fand er in der "frei" - gesinnten Studentenschaft.
Unter seinem Einfluß gründete sich, wohl im Januar 1913, das "Akademische
Komitee für Schulreform" (A. C. S.), das "weitgehender als irgendeine andere
Gruppe sich und meinen pädagogischen Ideen identifiziert". Es ist bisher ver¬
treten an den Hochschulen in München, Freiburg, Heidelberg, Jena, Berlin,
Darmstadt, Stuttgart. Wien, Graz. Prag, Leoben. Das A. C. S. bildet sozu¬
sagen das Rückgrat der Organisation; es strebt nach dem orientierender Referat,
das der Begründer und Arbeitsleiter 8luci. pkil. Siegfried Bernfeld-Wien auf
der "Ersten studentisch-pädagogischen Tagung" zu Breslau am 6. und 7. Oktober
1913 hielt, äußerlich den höchstmöglichen Grad von Vollkommenheit in den
technischen Organisationen an, insofern jede Scheidung zwischen konzipierenden,
beschließenden und ausführenden Kräften aufgehoben wird: jeder, der eine neue
Idee zu irgendeiner Arbeit hat, hat die Machtvollkommenheit, sie auszuführen,
trägt aber zugleich die völlige Verantwortung für das Gelingen. "Man könnte
so das A. C. S. mit einem Verband von Organisationen vergleichen, nur daß
die meisten dieser zusammengeschlossenen Organisationen bloß aus einem oder
zwei Mitgliedern bestehen. Die Geschäftsstelle des Verbandes ist ersetzt durch
den Arbeiisleiter, für jede Teilarbeit ist ihr Leiter in seiner Person Vorsitzender,
Stellvertreter, Kassierer, meist auch Schriftführer. An Stelle des Verbandstages
haben wir zwanglose gesellige Zusammenkünfte... und Rundschreiben. ..."
Auch nicht die kleinste Einrichtung soll von außen her übernommen, sondern
immer uur aus dem Bedürfnis herauswachsen, die adäquate Organisation zu
gestalten.

Neu wie diese Form studentischen Vereinslebens ist auch die leitende Idee
der Vereinsarbeit: "die grundlegende Umgestaltung des Jugenderziehungswesens"
durch Arbeit an der "Jugendknltur". "Dieses Wort, von Gustav Wyneken
geprägt, wurde definiert als jene Gestaltung der Lebensverhältnisse der Jugend,
die der Sonderart ihrer Natur entspricht." Der Bericht über das erste Semester
ist in den "Säemann-Schriften für Erziehung und Unterricht", Heft 9 (Leipzig
1914, Teubner), veröffentlicht. Danach wurde das Arbeitsgebiet nach drei
Richtungen abgegrenzt:


„Freideutsche Jngendkultur"

Sinne. In Wintersdorf aber, „der einzigen derartigen Schule, die es gibt",
sieht er die Idee der Jugendkultur „verwirklicht", wie er jüngst in dem ein¬
gangs zitierten Vortrag in der pädagogischen Abteilung der Münchener Freien
Studentenschaft erklärte; „und ich kann mir keine andere Verwirklichung dieses
Begriffes denken als so, wie es die Freie Schulgemeinde im Prinzip gefunden
hat, durch die Vereinigung des Jugendlebens mit der Schule, aber mit einer
Schule, die kulturbestimmt und geistdnrchhaucht ist."


2. Die Organisation der „Jugendkultur"

Als die nächste Aufgabe hat Dr. Wyneken in jener Versammlung „die
Eroberung der Mittel- und Hochschule" proklamiert; einen seinen Bestrebungen
und Ideen günstigen Boden fand er in der „frei" - gesinnten Studentenschaft.
Unter seinem Einfluß gründete sich, wohl im Januar 1913, das „Akademische
Komitee für Schulreform" (A. C. S.), das „weitgehender als irgendeine andere
Gruppe sich und meinen pädagogischen Ideen identifiziert". Es ist bisher ver¬
treten an den Hochschulen in München, Freiburg, Heidelberg, Jena, Berlin,
Darmstadt, Stuttgart. Wien, Graz. Prag, Leoben. Das A. C. S. bildet sozu¬
sagen das Rückgrat der Organisation; es strebt nach dem orientierender Referat,
das der Begründer und Arbeitsleiter 8luci. pkil. Siegfried Bernfeld-Wien auf
der „Ersten studentisch-pädagogischen Tagung" zu Breslau am 6. und 7. Oktober
1913 hielt, äußerlich den höchstmöglichen Grad von Vollkommenheit in den
technischen Organisationen an, insofern jede Scheidung zwischen konzipierenden,
beschließenden und ausführenden Kräften aufgehoben wird: jeder, der eine neue
Idee zu irgendeiner Arbeit hat, hat die Machtvollkommenheit, sie auszuführen,
trägt aber zugleich die völlige Verantwortung für das Gelingen. „Man könnte
so das A. C. S. mit einem Verband von Organisationen vergleichen, nur daß
die meisten dieser zusammengeschlossenen Organisationen bloß aus einem oder
zwei Mitgliedern bestehen. Die Geschäftsstelle des Verbandes ist ersetzt durch
den Arbeiisleiter, für jede Teilarbeit ist ihr Leiter in seiner Person Vorsitzender,
Stellvertreter, Kassierer, meist auch Schriftführer. An Stelle des Verbandstages
haben wir zwanglose gesellige Zusammenkünfte... und Rundschreiben. ..."
Auch nicht die kleinste Einrichtung soll von außen her übernommen, sondern
immer uur aus dem Bedürfnis herauswachsen, die adäquate Organisation zu
gestalten.

Neu wie diese Form studentischen Vereinslebens ist auch die leitende Idee
der Vereinsarbeit: „die grundlegende Umgestaltung des Jugenderziehungswesens"
durch Arbeit an der „Jugendknltur". „Dieses Wort, von Gustav Wyneken
geprägt, wurde definiert als jene Gestaltung der Lebensverhältnisse der Jugend,
die der Sonderart ihrer Natur entspricht." Der Bericht über das erste Semester
ist in den „Säemann-Schriften für Erziehung und Unterricht", Heft 9 (Leipzig
1914, Teubner), veröffentlicht. Danach wurde das Arbeitsgebiet nach drei
Richtungen abgegrenzt:


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[0357] „Freideutsche Jngendkultur" Sinne. In Wintersdorf aber, „der einzigen derartigen Schule, die es gibt", sieht er die Idee der Jugendkultur „verwirklicht", wie er jüngst in dem ein¬ gangs zitierten Vortrag in der pädagogischen Abteilung der Münchener Freien Studentenschaft erklärte; „und ich kann mir keine andere Verwirklichung dieses Begriffes denken als so, wie es die Freie Schulgemeinde im Prinzip gefunden hat, durch die Vereinigung des Jugendlebens mit der Schule, aber mit einer Schule, die kulturbestimmt und geistdnrchhaucht ist." 2. Die Organisation der „Jugendkultur" Als die nächste Aufgabe hat Dr. Wyneken in jener Versammlung „die Eroberung der Mittel- und Hochschule" proklamiert; einen seinen Bestrebungen und Ideen günstigen Boden fand er in der „frei" - gesinnten Studentenschaft. Unter seinem Einfluß gründete sich, wohl im Januar 1913, das „Akademische Komitee für Schulreform" (A. C. S.), das „weitgehender als irgendeine andere Gruppe sich und meinen pädagogischen Ideen identifiziert". Es ist bisher ver¬ treten an den Hochschulen in München, Freiburg, Heidelberg, Jena, Berlin, Darmstadt, Stuttgart. Wien, Graz. Prag, Leoben. Das A. C. S. bildet sozu¬ sagen das Rückgrat der Organisation; es strebt nach dem orientierender Referat, das der Begründer und Arbeitsleiter 8luci. pkil. Siegfried Bernfeld-Wien auf der „Ersten studentisch-pädagogischen Tagung" zu Breslau am 6. und 7. Oktober 1913 hielt, äußerlich den höchstmöglichen Grad von Vollkommenheit in den technischen Organisationen an, insofern jede Scheidung zwischen konzipierenden, beschließenden und ausführenden Kräften aufgehoben wird: jeder, der eine neue Idee zu irgendeiner Arbeit hat, hat die Machtvollkommenheit, sie auszuführen, trägt aber zugleich die völlige Verantwortung für das Gelingen. „Man könnte so das A. C. S. mit einem Verband von Organisationen vergleichen, nur daß die meisten dieser zusammengeschlossenen Organisationen bloß aus einem oder zwei Mitgliedern bestehen. Die Geschäftsstelle des Verbandes ist ersetzt durch den Arbeiisleiter, für jede Teilarbeit ist ihr Leiter in seiner Person Vorsitzender, Stellvertreter, Kassierer, meist auch Schriftführer. An Stelle des Verbandstages haben wir zwanglose gesellige Zusammenkünfte... und Rundschreiben. ..." Auch nicht die kleinste Einrichtung soll von außen her übernommen, sondern immer uur aus dem Bedürfnis herauswachsen, die adäquate Organisation zu gestalten. Neu wie diese Form studentischen Vereinslebens ist auch die leitende Idee der Vereinsarbeit: „die grundlegende Umgestaltung des Jugenderziehungswesens" durch Arbeit an der „Jugendknltur". „Dieses Wort, von Gustav Wyneken geprägt, wurde definiert als jene Gestaltung der Lebensverhältnisse der Jugend, die der Sonderart ihrer Natur entspricht." Der Bericht über das erste Semester ist in den „Säemann-Schriften für Erziehung und Unterricht", Heft 9 (Leipzig 1914, Teubner), veröffentlicht. Danach wurde das Arbeitsgebiet nach drei Richtungen abgegrenzt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/357>, abgerufen am 13.11.2024.