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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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"Freidcutscho Jngendkultnr"

1. Der Sammlung von "Beitrügen zur wissenschaftlichen Fundierung des
Begriffs, der Aufgaben und der Technik der Jugendkultur" dient die Einrichtung
des "Archivs für Jugendkullnr". Ein Aufruf zur Materialsammlung für die
Sonderart des jugendlichen Lebens und den inneren Zustand des gegenwärtigen
Schul- und Familienlebens wurde an Schüler (!), Studenten, Forscher und
Redaktionen gesandt; als Sammler haben sich bisher (d. h. nach dem Bericht
bis Oktober 1913) betätigt Schüler, Schülerinnen und Studenten in Berlin,
Wien, Heidelberg, München. Ein späteres Rundschreiben machte besonders auf
Schülerzeitschristen aller Art bemerkbar, deren über hundertundzwanzig Hefte
eingeliefert wurden, weiter erging als Beilage zu der ersten Nummer der Zeit¬
schrift "Der Anfang" eine Rundfrage über den Zustand des Vereinswesens
an deutschen und österreichischen Mittelschulen.

2. Für die "Verbreitung des Begriffs und der Gesinnung Jugendkultur
unter der Studentenschaft" sollen Broschürenfolgen sorgen, deren Hefte Probleme
des studentischen Lebens behandeln; das erste Heft der Sammlung "Der moderne
Student" erschien im September 1913 als Flugschrift für die Abiturienten bei
Hugo Heller in Wien und bringt unter anderem einen Aufsatz von Dr. Wyneken
über die pädagogische Mission der Studentenschaft.

3. Der "Einrichtung und Unterstützung von Unternehmungen, die der
Schülerschaft wenigstens fragmentarische, neben der Schule und der üblichen
Lebensweise herlaufende Mittel zur Jugendkultur geben sollen", dient die
Schaffung von "Sprechsälen" für Mittelschüler (Gymnasiasten), deren erster am
1. Februar 1913 in Wien von 8tuet. Elly Salomon begründet wurde; weitere
folgten z. B. in Heidelberg, München. Berlin, Jena ("auf eigene Initiative
einiger Schüler": "Der Anfang" 1914), Stuttgart, Darmstadt, Koburg, Prag usw.
Die Wiener Zusammenkünfte finden in Privatwohnungen statt, allwöchentlich
wurden hier bei einer Zahl von etwa fünfundzwanzig Teilnehmern Diskussionen
über Schülervorträge geführt, deren Themata unter anderem behandelten: Er¬
ziehung im Hause; Moderne Moral; Ein Schulfall; Über Joseph Poppers Recht
zu leben und die Pflicht zu sterben; Die Suffragettenbewegung usw."). In
Stuttgart wurde unter anderem über "die Schüleroereine und ihre Bedeutung
für die Jugendkultur" gesprochen; auch gelang es hier jüngstens, zwei Mädchen
als Mitglieder und zwei als Gäste zu gewinnen. -- Das entspricht einem
Wynekenschen Grundsatze, den kameradschaftlichen Verkehr der Geschlechter
"möglichst zu begünstigen". In Stuttgart hat übrigens die Leitung des Gym¬
nasiums die Zusammenkünfte genehmigt, während das bayerische Ministerium
unter den anderen Lebensäußerungen der Bewegung auch die Sprechsäle ver¬
boten hat.



*) Nach Wyneken "Die neue Jugend" S. 16 haben die in, Sprechsaal vereinigten
Schüler eines süddeutschen Gymnasiums zwecks Veredlung der Lebensformen das Lügen und
Mogeln in der Schule abgeschafft. Der betreffende Bericht in? "Anfang" war mir nicht
zur Hand.
„Freidcutscho Jngendkultnr"

1. Der Sammlung von „Beitrügen zur wissenschaftlichen Fundierung des
Begriffs, der Aufgaben und der Technik der Jugendkultur" dient die Einrichtung
des „Archivs für Jugendkullnr". Ein Aufruf zur Materialsammlung für die
Sonderart des jugendlichen Lebens und den inneren Zustand des gegenwärtigen
Schul- und Familienlebens wurde an Schüler (!), Studenten, Forscher und
Redaktionen gesandt; als Sammler haben sich bisher (d. h. nach dem Bericht
bis Oktober 1913) betätigt Schüler, Schülerinnen und Studenten in Berlin,
Wien, Heidelberg, München. Ein späteres Rundschreiben machte besonders auf
Schülerzeitschristen aller Art bemerkbar, deren über hundertundzwanzig Hefte
eingeliefert wurden, weiter erging als Beilage zu der ersten Nummer der Zeit¬
schrift „Der Anfang" eine Rundfrage über den Zustand des Vereinswesens
an deutschen und österreichischen Mittelschulen.

2. Für die „Verbreitung des Begriffs und der Gesinnung Jugendkultur
unter der Studentenschaft" sollen Broschürenfolgen sorgen, deren Hefte Probleme
des studentischen Lebens behandeln; das erste Heft der Sammlung „Der moderne
Student" erschien im September 1913 als Flugschrift für die Abiturienten bei
Hugo Heller in Wien und bringt unter anderem einen Aufsatz von Dr. Wyneken
über die pädagogische Mission der Studentenschaft.

3. Der „Einrichtung und Unterstützung von Unternehmungen, die der
Schülerschaft wenigstens fragmentarische, neben der Schule und der üblichen
Lebensweise herlaufende Mittel zur Jugendkultur geben sollen", dient die
Schaffung von „Sprechsälen" für Mittelschüler (Gymnasiasten), deren erster am
1. Februar 1913 in Wien von 8tuet. Elly Salomon begründet wurde; weitere
folgten z. B. in Heidelberg, München. Berlin, Jena („auf eigene Initiative
einiger Schüler": „Der Anfang" 1914), Stuttgart, Darmstadt, Koburg, Prag usw.
Die Wiener Zusammenkünfte finden in Privatwohnungen statt, allwöchentlich
wurden hier bei einer Zahl von etwa fünfundzwanzig Teilnehmern Diskussionen
über Schülervorträge geführt, deren Themata unter anderem behandelten: Er¬
ziehung im Hause; Moderne Moral; Ein Schulfall; Über Joseph Poppers Recht
zu leben und die Pflicht zu sterben; Die Suffragettenbewegung usw."). In
Stuttgart wurde unter anderem über „die Schüleroereine und ihre Bedeutung
für die Jugendkultur" gesprochen; auch gelang es hier jüngstens, zwei Mädchen
als Mitglieder und zwei als Gäste zu gewinnen. — Das entspricht einem
Wynekenschen Grundsatze, den kameradschaftlichen Verkehr der Geschlechter
„möglichst zu begünstigen". In Stuttgart hat übrigens die Leitung des Gym¬
nasiums die Zusammenkünfte genehmigt, während das bayerische Ministerium
unter den anderen Lebensäußerungen der Bewegung auch die Sprechsäle ver¬
boten hat.



*) Nach Wyneken „Die neue Jugend" S. 16 haben die in, Sprechsaal vereinigten
Schüler eines süddeutschen Gymnasiums zwecks Veredlung der Lebensformen das Lügen und
Mogeln in der Schule abgeschafft. Der betreffende Bericht in? „Anfang" war mir nicht
zur Hand.
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[0358] „Freidcutscho Jngendkultnr" 1. Der Sammlung von „Beitrügen zur wissenschaftlichen Fundierung des Begriffs, der Aufgaben und der Technik der Jugendkultur" dient die Einrichtung des „Archivs für Jugendkullnr". Ein Aufruf zur Materialsammlung für die Sonderart des jugendlichen Lebens und den inneren Zustand des gegenwärtigen Schul- und Familienlebens wurde an Schüler (!), Studenten, Forscher und Redaktionen gesandt; als Sammler haben sich bisher (d. h. nach dem Bericht bis Oktober 1913) betätigt Schüler, Schülerinnen und Studenten in Berlin, Wien, Heidelberg, München. Ein späteres Rundschreiben machte besonders auf Schülerzeitschristen aller Art bemerkbar, deren über hundertundzwanzig Hefte eingeliefert wurden, weiter erging als Beilage zu der ersten Nummer der Zeit¬ schrift „Der Anfang" eine Rundfrage über den Zustand des Vereinswesens an deutschen und österreichischen Mittelschulen. 2. Für die „Verbreitung des Begriffs und der Gesinnung Jugendkultur unter der Studentenschaft" sollen Broschürenfolgen sorgen, deren Hefte Probleme des studentischen Lebens behandeln; das erste Heft der Sammlung „Der moderne Student" erschien im September 1913 als Flugschrift für die Abiturienten bei Hugo Heller in Wien und bringt unter anderem einen Aufsatz von Dr. Wyneken über die pädagogische Mission der Studentenschaft. 3. Der „Einrichtung und Unterstützung von Unternehmungen, die der Schülerschaft wenigstens fragmentarische, neben der Schule und der üblichen Lebensweise herlaufende Mittel zur Jugendkultur geben sollen", dient die Schaffung von „Sprechsälen" für Mittelschüler (Gymnasiasten), deren erster am 1. Februar 1913 in Wien von 8tuet. Elly Salomon begründet wurde; weitere folgten z. B. in Heidelberg, München. Berlin, Jena („auf eigene Initiative einiger Schüler": „Der Anfang" 1914), Stuttgart, Darmstadt, Koburg, Prag usw. Die Wiener Zusammenkünfte finden in Privatwohnungen statt, allwöchentlich wurden hier bei einer Zahl von etwa fünfundzwanzig Teilnehmern Diskussionen über Schülervorträge geführt, deren Themata unter anderem behandelten: Er¬ ziehung im Hause; Moderne Moral; Ein Schulfall; Über Joseph Poppers Recht zu leben und die Pflicht zu sterben; Die Suffragettenbewegung usw."). In Stuttgart wurde unter anderem über „die Schüleroereine und ihre Bedeutung für die Jugendkultur" gesprochen; auch gelang es hier jüngstens, zwei Mädchen als Mitglieder und zwei als Gäste zu gewinnen. — Das entspricht einem Wynekenschen Grundsatze, den kameradschaftlichen Verkehr der Geschlechter „möglichst zu begünstigen". In Stuttgart hat übrigens die Leitung des Gym¬ nasiums die Zusammenkünfte genehmigt, während das bayerische Ministerium unter den anderen Lebensäußerungen der Bewegung auch die Sprechsäle ver¬ boten hat. *) Nach Wyneken „Die neue Jugend" S. 16 haben die in, Sprechsaal vereinigten Schüler eines süddeutschen Gymnasiums zwecks Veredlung der Lebensformen das Lügen und Mogeln in der Schule abgeschafft. Der betreffende Bericht in? „Anfang" war mir nicht zur Hand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/358>, abgerufen am 21.06.2024.