Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr."Freideutsche Iugendkultuv" Linige Kapitel aus der jüngsten Jugendbewegung Schulrat Eberhard von "Kin dem Felde der "Jugendpflege" grünt und blüht, wächst und Und dennoch ist auf diesem reich bestellten Boden im vergangenen Jahre *) Dr. G. Wyneken: Was ist "Jugendkultur"? (Schriften der Münchner Freien Studenten¬
schaft t.) München 1914, Steinicke. „Freideutsche Iugendkultuv" Linige Kapitel aus der jüngsten Jugendbewegung Schulrat Eberhard von «Kin dem Felde der „Jugendpflege" grünt und blüht, wächst und Und dennoch ist auf diesem reich bestellten Boden im vergangenen Jahre *) Dr. G. Wyneken: Was ist „Jugendkultur"? (Schriften der Münchner Freien Studenten¬
schaft t.) München 1914, Steinicke. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0355" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328455"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328099/figures/grenzboten_341899_328099_328455_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> „Freideutsche Iugendkultuv"<lb/> Linige Kapitel aus der jüngsten Jugendbewegung<lb/><note type="byline"> Schulrat Eberhard</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1464"> «Kin dem Felde der „Jugendpflege" grünt und blüht, wächst und<lb/> wuchert es seit dem bekannten Erlaß des preußischen Ministers<lb/> vom Januar 1911 derart, daß tieferblickende Volksfreunde<lb/> gelegentlich bereits nach dem Schutz der Familie gegen diese die<lb/> Urzelle alles Gemeinschaftslebens bedrohenden Fürsorgebestrebnngen<lb/> der Älteren um die Jüngeren zu rufen anfangen. Aber es gibt nichts Neues<lb/> unter der Sonne; längst ehe die Tagespresse von der Jugendpflege etwas wußte<lb/> oder würdigte, hatte die Kirche in ihren Jugendvereinigungen sich der Pflege<lb/> des religiösen Lebens, dann aber auch der leiblichen und sittlichen Wohlfahrt<lb/> ihrer Jugend angenommen; und wenn der Erlaß der preußischen Staatsregierung<lb/> vom 18. Januar 1911 als „Aufgabe der Jugendpflege die Mitarbeit an der<lb/> Heranbildung einer frohen, körperlich leistungsfähigen, sittlich tüchtigen, von<lb/> Gemeinsinn und Gottesfurcht, Heimat- und Vaterlandsliebe erfüllten Jugend"<lb/> bezeichnet, so hatte das die deutsche Turnerschaft in ihren Turnvereinen unter<lb/> dem Wahlspruch „Frisch, fromm, fröhlich, frei" immer erstrebt, seit vor fast<lb/> genau hundert Jahren Fr. L. Jahr auf der Hasenheide bei Berlin die Jugend<lb/> zu turnerischen Übungen gesammelt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1465"> Und dennoch ist auf diesem reich bestellten Boden im vergangenen Jahre<lb/> eine Pflanze emporgeschossen, von der uns einer, der es wissen muß, versichert:<lb/> „Sie ist wirklich etwas Neues, etwas, was man bisher nicht gekannt hat")".<lb/> Diese Pflanze entwickelt sich unter verschiedenartigen Lebensbedingungen, teils<lb/> öffentlich an der Sonne des Tages erblühend, teils unter dem Schutze der Dis¬<lb/> kretion und des „Postlagernd" wuchernd; und ihre Entwicklung ist biologisch<lb/> und psychologisch so eigenartig und überraschend, daß man sich bereits im<lb/> bayerischen Landtage wie seitens der österreichischen Behörde zu einer entschlossenen<lb/> Stellungnahme veranlaßt gesehen hat. Nehmen wir diese Pflanze einmal unter<lb/> die Lupe, nicht erschöpfend, aber doch in charakteristischen Teilmomenten. Sie<lb/> nennt sich, in das System der Jugendbewegung eingereiht. „Jugendkultur".</p><lb/> <note xml:id="FID_55" place="foot"> *) Dr. G. Wyneken: Was ist „Jugendkultur"? (Schriften der Münchner Freien Studenten¬<lb/> schaft t.) München 1914, Steinicke.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0355]
[Abbildung]
„Freideutsche Iugendkultuv"
Linige Kapitel aus der jüngsten Jugendbewegung
Schulrat Eberhard von
«Kin dem Felde der „Jugendpflege" grünt und blüht, wächst und
wuchert es seit dem bekannten Erlaß des preußischen Ministers
vom Januar 1911 derart, daß tieferblickende Volksfreunde
gelegentlich bereits nach dem Schutz der Familie gegen diese die
Urzelle alles Gemeinschaftslebens bedrohenden Fürsorgebestrebnngen
der Älteren um die Jüngeren zu rufen anfangen. Aber es gibt nichts Neues
unter der Sonne; längst ehe die Tagespresse von der Jugendpflege etwas wußte
oder würdigte, hatte die Kirche in ihren Jugendvereinigungen sich der Pflege
des religiösen Lebens, dann aber auch der leiblichen und sittlichen Wohlfahrt
ihrer Jugend angenommen; und wenn der Erlaß der preußischen Staatsregierung
vom 18. Januar 1911 als „Aufgabe der Jugendpflege die Mitarbeit an der
Heranbildung einer frohen, körperlich leistungsfähigen, sittlich tüchtigen, von
Gemeinsinn und Gottesfurcht, Heimat- und Vaterlandsliebe erfüllten Jugend"
bezeichnet, so hatte das die deutsche Turnerschaft in ihren Turnvereinen unter
dem Wahlspruch „Frisch, fromm, fröhlich, frei" immer erstrebt, seit vor fast
genau hundert Jahren Fr. L. Jahr auf der Hasenheide bei Berlin die Jugend
zu turnerischen Übungen gesammelt hatte.
Und dennoch ist auf diesem reich bestellten Boden im vergangenen Jahre
eine Pflanze emporgeschossen, von der uns einer, der es wissen muß, versichert:
„Sie ist wirklich etwas Neues, etwas, was man bisher nicht gekannt hat")".
Diese Pflanze entwickelt sich unter verschiedenartigen Lebensbedingungen, teils
öffentlich an der Sonne des Tages erblühend, teils unter dem Schutze der Dis¬
kretion und des „Postlagernd" wuchernd; und ihre Entwicklung ist biologisch
und psychologisch so eigenartig und überraschend, daß man sich bereits im
bayerischen Landtage wie seitens der österreichischen Behörde zu einer entschlossenen
Stellungnahme veranlaßt gesehen hat. Nehmen wir diese Pflanze einmal unter
die Lupe, nicht erschöpfend, aber doch in charakteristischen Teilmomenten. Sie
nennt sich, in das System der Jugendbewegung eingereiht. „Jugendkultur".
*) Dr. G. Wyneken: Was ist „Jugendkultur"? (Schriften der Münchner Freien Studenten¬
schaft t.) München 1914, Steinicke.
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