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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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In der
bürgerlichen Presse Deutschlands gibt es nur
eine Stimme über den Verlauf der HeereS-
debatten: allgemeine Anerkennung des Kriegs¬
ministers und seiner Mitarbeiter. Ein Ver¬
such sich für sein erstes Auftreten im Reichs¬
tage aus Anlasz der ersten Zaberndebcitte im
Herbst hörigen Jahres zu rächen, wie er
durch die Ablehnung der Nachrichtenstelle im
Ausschuß zutage trat, fand in der Öffentlich¬
keit kaum Verständnis. Die gesamte Presse
desavouierte den Beschluß und trat einmütig
für die Bewilligung der Nachrichtenstelle ein,
ohne weiter Rücksicht auf die Gefühle der
gekränkten Volksvertreter zu nehmen. Dieser
Vorgang ist das beste Zeichen für das Ver¬
trauen, das Herr von Falkenhayn Persönlich
und für sein Ressort in verhältnismäßig kurzer
Zeit bei allen denen zu gewinnen vermochte,
die mit dem Kriegsministerium durch Ver¬
mittlung der Nachrichtenstellen in Berührung
getreten sind. Wird an der sachlichen und
freimütiger Form festgehalten, die bis auf
eine kleine Entgleisung den Verkehr der Presse¬
abteilung bisher auszeichnete, wird weiter in
dem Bestreben fortgefahren, den Organen der
öffentlichen Meinung, ohne Ansehen ihrer
Politischen Richtung, Aufklärung zu bieten,
wird es vermieden, das Bureau zur Ver¬
dunkelung auch gelegentlicher Unannehmlich¬
keiten, über die die Presse zu berichten ge¬
zwungen ist, zu benutzen und wird es weiter¬
hin bertrcmensvoll und ohne Empfindlichkeit
dem Ermessen der einzelnen Pressevertreter
überlassen, das exakte Material dem Bedürfnis
seines besonderen Leserkreises entsprechend
kritisch zu bearbeiten, so wird die Nachrichten¬
stelle des Kriegsministers sicher bald dasselbe
hohe Vertrauen genießen, wie eS sich die ent¬
sprechende Einrichtung beim Reichsmarine¬
amt erworben und durch länger als ein Jahr¬
zehnt erhalten hat.

Unkunde Nachrichtenstellen.

Beim Reichsmarineamt hat sich die Ver¬
wendung aktiver, alle Paar Jahr abzulösender
Offiziere in der Presseabteilung, an Stelle
ständiger Pressereferenten, wie sie an anderen
Behörden bestehen, außerordentlich bewährt.
Die büreaukratische Routine hat dort den ihr
gebührenden untergeordneten Platz behalten,
die Leitung liegt tatsächlich in der Hand des
Staatssekretärs, und kein verderbliches Hcms-

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meiertum macht sich breit. Der Möglichkeit
der Verknöcherung, wie sie sich als Ergebnis
langer Verwendung in ein und derselben
Funktion, leicht durchaus zum Schaden des
zwischen Behörde und öffentlicher Meinung
angestrebten Kontaktes einstellt, der Ge¬
fahr der Abstumpfung wird vorgebeugt. Die
Einseitigkeit Persönlicher Sympathien und
Antipathien, unter der Ressorts mit lebens¬
länglich darin beschäftigten Personen leiden,
wird ersetzt durch wohltätigen Wechsel:
mit dem neuen Referenten kommen neue
Beziehungen, -- neue Kreise werden er¬
schlossen, die wieder das Interesse für alle
Bedürfnisse der staatlichen Aufgaben weiter
und weiter tragen. Schließlich kann auch ein
gelegentlicher Mißgriff, der in der Wahl des
Pressereferenten immer einmal vorkommen wird,
schnell und ohne Kränkung für den Betreffenden
durch Ablösung korrigiert werden. Das ist
schon schwerer, wenn es sich um eine Persönlich¬
keit mit langer verdienstvoller Vergangenheit
handelte, ^ fast unmöglich, wenn durch den
Wechsel dem Inhaber der Stelle geradezu
das Brot genommen wird. Das aber muß
bedacht werden, will man diese Stelle verab¬
schiedeten Offizieren vorbehalten. Auch das
folgende Argument darf nicht übersehen
werden: der gesamte Dienst in einer gut
organisierten Presseabteilung bringt für die
Beamten soviel Anregung und Vervoll¬
kommnungsmöglichkeiten mit, daß eS den
meisten unter ihnen nicht zugemutet werden
kann, ihr ganzes Leben hindurch die Rolle
eines Schaltbretts zu spielen, auf dem die
Strömungen zwischen Regierung und öffent¬
licher Meinung ausgetauscht werden. Die
Pressedezernenten und ihre Hilfsarbeiter
sollten daher nicht länger auf diesem Spezial¬
gebiet gehalten werden, als es für die
Überwindung gewisser größerer Aufgaben
notwendig ist. Es liegt eine Unterschätzung
der Bedeutung der Presse in der Zumutung,
den Posten zu einer Sinekure machen zu
wollen. Auf diesen Posten gehören Männer
mit starken Nerven, die ihre fünf Sinne zu-
sam men haben. Der Herr Kriegsminister hat
olchcr Auffassung dadurch beredtesten Ausdruck
gegeben, daß er zur Einrichtung seiner Nach¬
richtenstelle tüchtige Generalstäbler heranzieht,
die die Bedürfnisse der Armee genau kennen

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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In der
bürgerlichen Presse Deutschlands gibt es nur
eine Stimme über den Verlauf der HeereS-
debatten: allgemeine Anerkennung des Kriegs¬
ministers und seiner Mitarbeiter. Ein Ver¬
such sich für sein erstes Auftreten im Reichs¬
tage aus Anlasz der ersten Zaberndebcitte im
Herbst hörigen Jahres zu rächen, wie er
durch die Ablehnung der Nachrichtenstelle im
Ausschuß zutage trat, fand in der Öffentlich¬
keit kaum Verständnis. Die gesamte Presse
desavouierte den Beschluß und trat einmütig
für die Bewilligung der Nachrichtenstelle ein,
ohne weiter Rücksicht auf die Gefühle der
gekränkten Volksvertreter zu nehmen. Dieser
Vorgang ist das beste Zeichen für das Ver¬
trauen, das Herr von Falkenhayn Persönlich
und für sein Ressort in verhältnismäßig kurzer
Zeit bei allen denen zu gewinnen vermochte,
die mit dem Kriegsministerium durch Ver¬
mittlung der Nachrichtenstellen in Berührung
getreten sind. Wird an der sachlichen und
freimütiger Form festgehalten, die bis auf
eine kleine Entgleisung den Verkehr der Presse¬
abteilung bisher auszeichnete, wird weiter in
dem Bestreben fortgefahren, den Organen der
öffentlichen Meinung, ohne Ansehen ihrer
Politischen Richtung, Aufklärung zu bieten,
wird es vermieden, das Bureau zur Ver¬
dunkelung auch gelegentlicher Unannehmlich¬
keiten, über die die Presse zu berichten ge¬
zwungen ist, zu benutzen und wird es weiter¬
hin bertrcmensvoll und ohne Empfindlichkeit
dem Ermessen der einzelnen Pressevertreter
überlassen, das exakte Material dem Bedürfnis
seines besonderen Leserkreises entsprechend
kritisch zu bearbeiten, so wird die Nachrichten¬
stelle des Kriegsministers sicher bald dasselbe
hohe Vertrauen genießen, wie eS sich die ent¬
sprechende Einrichtung beim Reichsmarine¬
amt erworben und durch länger als ein Jahr¬
zehnt erhalten hat.

Unkunde Nachrichtenstellen.

Beim Reichsmarineamt hat sich die Ver¬
wendung aktiver, alle Paar Jahr abzulösender
Offiziere in der Presseabteilung, an Stelle
ständiger Pressereferenten, wie sie an anderen
Behörden bestehen, außerordentlich bewährt.
Die büreaukratische Routine hat dort den ihr
gebührenden untergeordneten Platz behalten,
die Leitung liegt tatsächlich in der Hand des
Staatssekretärs, und kein verderbliches Hcms-

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meiertum macht sich breit. Der Möglichkeit
der Verknöcherung, wie sie sich als Ergebnis
langer Verwendung in ein und derselben
Funktion, leicht durchaus zum Schaden des
zwischen Behörde und öffentlicher Meinung
angestrebten Kontaktes einstellt, der Ge¬
fahr der Abstumpfung wird vorgebeugt. Die
Einseitigkeit Persönlicher Sympathien und
Antipathien, unter der Ressorts mit lebens¬
länglich darin beschäftigten Personen leiden,
wird ersetzt durch wohltätigen Wechsel:
mit dem neuen Referenten kommen neue
Beziehungen, — neue Kreise werden er¬
schlossen, die wieder das Interesse für alle
Bedürfnisse der staatlichen Aufgaben weiter
und weiter tragen. Schließlich kann auch ein
gelegentlicher Mißgriff, der in der Wahl des
Pressereferenten immer einmal vorkommen wird,
schnell und ohne Kränkung für den Betreffenden
durch Ablösung korrigiert werden. Das ist
schon schwerer, wenn es sich um eine Persönlich¬
keit mit langer verdienstvoller Vergangenheit
handelte, ^ fast unmöglich, wenn durch den
Wechsel dem Inhaber der Stelle geradezu
das Brot genommen wird. Das aber muß
bedacht werden, will man diese Stelle verab¬
schiedeten Offizieren vorbehalten. Auch das
folgende Argument darf nicht übersehen
werden: der gesamte Dienst in einer gut
organisierten Presseabteilung bringt für die
Beamten soviel Anregung und Vervoll¬
kommnungsmöglichkeiten mit, daß eS den
meisten unter ihnen nicht zugemutet werden
kann, ihr ganzes Leben hindurch die Rolle
eines Schaltbretts zu spielen, auf dem die
Strömungen zwischen Regierung und öffent¬
licher Meinung ausgetauscht werden. Die
Pressedezernenten und ihre Hilfsarbeiter
sollten daher nicht länger auf diesem Spezial¬
gebiet gehalten werden, als es für die
Überwindung gewisser größerer Aufgaben
notwendig ist. Es liegt eine Unterschätzung
der Bedeutung der Presse in der Zumutung,
den Posten zu einer Sinekure machen zu
wollen. Auf diesen Posten gehören Männer
mit starken Nerven, die ihre fünf Sinne zu-
sam men haben. Der Herr Kriegsminister hat
olchcr Auffassung dadurch beredtesten Ausdruck
gegeben, daß er zur Einrichtung seiner Nach¬
richtenstelle tüchtige Generalstäbler heranzieht,
die die Bedürfnisse der Armee genau kennen

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[0299] Maßgebliches und Unmaßgebliches In der bürgerlichen Presse Deutschlands gibt es nur eine Stimme über den Verlauf der HeereS- debatten: allgemeine Anerkennung des Kriegs¬ ministers und seiner Mitarbeiter. Ein Ver¬ such sich für sein erstes Auftreten im Reichs¬ tage aus Anlasz der ersten Zaberndebcitte im Herbst hörigen Jahres zu rächen, wie er durch die Ablehnung der Nachrichtenstelle im Ausschuß zutage trat, fand in der Öffentlich¬ keit kaum Verständnis. Die gesamte Presse desavouierte den Beschluß und trat einmütig für die Bewilligung der Nachrichtenstelle ein, ohne weiter Rücksicht auf die Gefühle der gekränkten Volksvertreter zu nehmen. Dieser Vorgang ist das beste Zeichen für das Ver¬ trauen, das Herr von Falkenhayn Persönlich und für sein Ressort in verhältnismäßig kurzer Zeit bei allen denen zu gewinnen vermochte, die mit dem Kriegsministerium durch Ver¬ mittlung der Nachrichtenstellen in Berührung getreten sind. Wird an der sachlichen und freimütiger Form festgehalten, die bis auf eine kleine Entgleisung den Verkehr der Presse¬ abteilung bisher auszeichnete, wird weiter in dem Bestreben fortgefahren, den Organen der öffentlichen Meinung, ohne Ansehen ihrer Politischen Richtung, Aufklärung zu bieten, wird es vermieden, das Bureau zur Ver¬ dunkelung auch gelegentlicher Unannehmlich¬ keiten, über die die Presse zu berichten ge¬ zwungen ist, zu benutzen und wird es weiter¬ hin bertrcmensvoll und ohne Empfindlichkeit dem Ermessen der einzelnen Pressevertreter überlassen, das exakte Material dem Bedürfnis seines besonderen Leserkreises entsprechend kritisch zu bearbeiten, so wird die Nachrichten¬ stelle des Kriegsministers sicher bald dasselbe hohe Vertrauen genießen, wie eS sich die ent¬ sprechende Einrichtung beim Reichsmarine¬ amt erworben und durch länger als ein Jahr¬ zehnt erhalten hat. Unkunde Nachrichtenstellen. Beim Reichsmarineamt hat sich die Ver¬ wendung aktiver, alle Paar Jahr abzulösender Offiziere in der Presseabteilung, an Stelle ständiger Pressereferenten, wie sie an anderen Behörden bestehen, außerordentlich bewährt. Die büreaukratische Routine hat dort den ihr gebührenden untergeordneten Platz behalten, die Leitung liegt tatsächlich in der Hand des Staatssekretärs, und kein verderbliches Hcms- meiertum macht sich breit. Der Möglichkeit der Verknöcherung, wie sie sich als Ergebnis langer Verwendung in ein und derselben Funktion, leicht durchaus zum Schaden des zwischen Behörde und öffentlicher Meinung angestrebten Kontaktes einstellt, der Ge¬ fahr der Abstumpfung wird vorgebeugt. Die Einseitigkeit Persönlicher Sympathien und Antipathien, unter der Ressorts mit lebens¬ länglich darin beschäftigten Personen leiden, wird ersetzt durch wohltätigen Wechsel: mit dem neuen Referenten kommen neue Beziehungen, — neue Kreise werden er¬ schlossen, die wieder das Interesse für alle Bedürfnisse der staatlichen Aufgaben weiter und weiter tragen. Schließlich kann auch ein gelegentlicher Mißgriff, der in der Wahl des Pressereferenten immer einmal vorkommen wird, schnell und ohne Kränkung für den Betreffenden durch Ablösung korrigiert werden. Das ist schon schwerer, wenn es sich um eine Persönlich¬ keit mit langer verdienstvoller Vergangenheit handelte, ^ fast unmöglich, wenn durch den Wechsel dem Inhaber der Stelle geradezu das Brot genommen wird. Das aber muß bedacht werden, will man diese Stelle verab¬ schiedeten Offizieren vorbehalten. Auch das folgende Argument darf nicht übersehen werden: der gesamte Dienst in einer gut organisierten Presseabteilung bringt für die Beamten soviel Anregung und Vervoll¬ kommnungsmöglichkeiten mit, daß eS den meisten unter ihnen nicht zugemutet werden kann, ihr ganzes Leben hindurch die Rolle eines Schaltbretts zu spielen, auf dem die Strömungen zwischen Regierung und öffent¬ licher Meinung ausgetauscht werden. Die Pressedezernenten und ihre Hilfsarbeiter sollten daher nicht länger auf diesem Spezial¬ gebiet gehalten werden, als es für die Überwindung gewisser größerer Aufgaben notwendig ist. Es liegt eine Unterschätzung der Bedeutung der Presse in der Zumutung, den Posten zu einer Sinekure machen zu wollen. Auf diesen Posten gehören Männer mit starken Nerven, die ihre fünf Sinne zu- sam men haben. Der Herr Kriegsminister hat olchcr Auffassung dadurch beredtesten Ausdruck gegeben, daß er zur Einrichtung seiner Nach¬ richtenstelle tüchtige Generalstäbler heranzieht, die die Bedürfnisse der Armee genau kennen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/299>, abgerufen am 13.11.2024.