Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Die Hexe von Mayen
Roman
Lharlottc Niese von (Schluß)

Herzog Hans Adolf sagte nicht viel, als er den Jammer sah, und auch
Josias konnte nur den Kopf schütteln und ein übers andere Mal seine derbsten
Flüche ausstoßen. Aber dann gingen die Herren zu den Flüchtigen, suchten
sie zu beruhigen und sie zu bewegen, ihre Heimat wieder zu suchen. Bonn
war schon im Herbst von den Brandenburgern erobert und die Franzosen zogen
sich aus der Gegend fort, um an die holländische Grenze zu gehen.

Marschall Luxemburg, der dort den Befehl hatte, sollte geäußert haben,
er wäre kriegsmüde, wie die anderen.

Ihm, seinem alten Gegner, hoffte Hans Adolf noch auf flandrischen Gebiet
zu begegnen und ein Wörtlein mit ihni zu reden. Jetzt aber war es für die
Rheinischen an der Zeit, zum Frühjahr das eigene Land zu bestellen, und zu
versuchen, Früchte davon zu ernten.

In Andernach trafen die Herren mit kurtrierschen Beamten zusammen, die
auch versuchten, die jammernde Bevölkerung zu ermutigen und ihnen Hilfe zu
schaffen. Das war schwer genug, aber einige Männer hörten doch auf Zuspruch
und Ratschläge, und wie sie merkten, daß man Teilnahme für sie empfand,
kam über einige neuer Mut.

Dazu trugen die vornehmen Frauen bei, die das Elend zu lindern suchten,
wo sie es nur fanden. In der Herberge zu Andernach waren die fürstlichen
Wagen untergestellt, und sowohl die Herzogin wie Heilwig gingen jeden Morgen
aus, um Hilflose zu pflegen und zu versuchen, ihnen Unterkommen zu verschaffen.

Manches Kind ward in diesem Elend geboren, mancher müde Wanderer
schloß seine Augen zur ewigen Ruhe, die vielleicht für ihn die erste war, die
milde Herzogin gab Ratschläge, wo sie nur konnte, und legte Hand an, wo es
nötig tat. Und Frau Heilwig wanderte auf ihren Spuren. Weshalb war sie
traurig gewesen, mißmutig und müde? Durfte sie klagen, wenn sie sah, daß
sie nur zu danken hatte, für unverdiente Gnade?

Eine ganze Woche waren die Reisenden in Andernach, dann kam eine
Botschaft von den Generalstaaten, daß man auf den Herzog warte. Es sollte
eine Schlacht gegen die Franzosen geschlagen werden, und der Herzog durfte
nicht fehlen.


Grenzboton II 1!>14 16


Die Hexe von Mayen
Roman
Lharlottc Niese von (Schluß)

Herzog Hans Adolf sagte nicht viel, als er den Jammer sah, und auch
Josias konnte nur den Kopf schütteln und ein übers andere Mal seine derbsten
Flüche ausstoßen. Aber dann gingen die Herren zu den Flüchtigen, suchten
sie zu beruhigen und sie zu bewegen, ihre Heimat wieder zu suchen. Bonn
war schon im Herbst von den Brandenburgern erobert und die Franzosen zogen
sich aus der Gegend fort, um an die holländische Grenze zu gehen.

Marschall Luxemburg, der dort den Befehl hatte, sollte geäußert haben,
er wäre kriegsmüde, wie die anderen.

Ihm, seinem alten Gegner, hoffte Hans Adolf noch auf flandrischen Gebiet
zu begegnen und ein Wörtlein mit ihni zu reden. Jetzt aber war es für die
Rheinischen an der Zeit, zum Frühjahr das eigene Land zu bestellen, und zu
versuchen, Früchte davon zu ernten.

In Andernach trafen die Herren mit kurtrierschen Beamten zusammen, die
auch versuchten, die jammernde Bevölkerung zu ermutigen und ihnen Hilfe zu
schaffen. Das war schwer genug, aber einige Männer hörten doch auf Zuspruch
und Ratschläge, und wie sie merkten, daß man Teilnahme für sie empfand,
kam über einige neuer Mut.

Dazu trugen die vornehmen Frauen bei, die das Elend zu lindern suchten,
wo sie es nur fanden. In der Herberge zu Andernach waren die fürstlichen
Wagen untergestellt, und sowohl die Herzogin wie Heilwig gingen jeden Morgen
aus, um Hilflose zu pflegen und zu versuchen, ihnen Unterkommen zu verschaffen.

Manches Kind ward in diesem Elend geboren, mancher müde Wanderer
schloß seine Augen zur ewigen Ruhe, die vielleicht für ihn die erste war, die
milde Herzogin gab Ratschläge, wo sie nur konnte, und legte Hand an, wo es
nötig tat. Und Frau Heilwig wanderte auf ihren Spuren. Weshalb war sie
traurig gewesen, mißmutig und müde? Durfte sie klagen, wenn sie sah, daß
sie nur zu danken hatte, für unverdiente Gnade?

Eine ganze Woche waren die Reisenden in Andernach, dann kam eine
Botschaft von den Generalstaaten, daß man auf den Herzog warte. Es sollte
eine Schlacht gegen die Franzosen geschlagen werden, und der Herzog durfte
nicht fehlen.


Grenzboton II 1!>14 16
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/328337"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_328099/figures/grenzboten_341899_328099_328337_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Hexe von Mayen<lb/>
Roman<lb/><note type="byline"> Lharlottc Niese</note> von (Schluß) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_994"> Herzog Hans Adolf sagte nicht viel, als er den Jammer sah, und auch<lb/>
Josias konnte nur den Kopf schütteln und ein übers andere Mal seine derbsten<lb/>
Flüche ausstoßen. Aber dann gingen die Herren zu den Flüchtigen, suchten<lb/>
sie zu beruhigen und sie zu bewegen, ihre Heimat wieder zu suchen. Bonn<lb/>
war schon im Herbst von den Brandenburgern erobert und die Franzosen zogen<lb/>
sich aus der Gegend fort, um an die holländische Grenze zu gehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_995"> Marschall Luxemburg, der dort den Befehl hatte, sollte geäußert haben,<lb/>
er wäre kriegsmüde, wie die anderen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_996"> Ihm, seinem alten Gegner, hoffte Hans Adolf noch auf flandrischen Gebiet<lb/>
zu begegnen und ein Wörtlein mit ihni zu reden. Jetzt aber war es für die<lb/>
Rheinischen an der Zeit, zum Frühjahr das eigene Land zu bestellen, und zu<lb/>
versuchen, Früchte davon zu ernten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_997"> In Andernach trafen die Herren mit kurtrierschen Beamten zusammen, die<lb/>
auch versuchten, die jammernde Bevölkerung zu ermutigen und ihnen Hilfe zu<lb/>
schaffen. Das war schwer genug, aber einige Männer hörten doch auf Zuspruch<lb/>
und Ratschläge, und wie sie merkten, daß man Teilnahme für sie empfand,<lb/>
kam über einige neuer Mut.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_998"> Dazu trugen die vornehmen Frauen bei, die das Elend zu lindern suchten,<lb/>
wo sie es nur fanden. In der Herberge zu Andernach waren die fürstlichen<lb/>
Wagen untergestellt, und sowohl die Herzogin wie Heilwig gingen jeden Morgen<lb/>
aus, um Hilflose zu pflegen und zu versuchen, ihnen Unterkommen zu verschaffen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_999"> Manches Kind ward in diesem Elend geboren, mancher müde Wanderer<lb/>
schloß seine Augen zur ewigen Ruhe, die vielleicht für ihn die erste war, die<lb/>
milde Herzogin gab Ratschläge, wo sie nur konnte, und legte Hand an, wo es<lb/>
nötig tat. Und Frau Heilwig wanderte auf ihren Spuren. Weshalb war sie<lb/>
traurig gewesen, mißmutig und müde? Durfte sie klagen, wenn sie sah, daß<lb/>
sie nur zu danken hatte, für unverdiente Gnade?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1000"> Eine ganze Woche waren die Reisenden in Andernach, dann kam eine<lb/>
Botschaft von den Generalstaaten, daß man auf den Herzog warte. Es sollte<lb/>
eine Schlacht gegen die Franzosen geschlagen werden, und der Herzog durfte<lb/>
nicht fehlen.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboton II 1!&gt;14 16</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0237] [Abbildung] Die Hexe von Mayen Roman Lharlottc Niese von (Schluß) Herzog Hans Adolf sagte nicht viel, als er den Jammer sah, und auch Josias konnte nur den Kopf schütteln und ein übers andere Mal seine derbsten Flüche ausstoßen. Aber dann gingen die Herren zu den Flüchtigen, suchten sie zu beruhigen und sie zu bewegen, ihre Heimat wieder zu suchen. Bonn war schon im Herbst von den Brandenburgern erobert und die Franzosen zogen sich aus der Gegend fort, um an die holländische Grenze zu gehen. Marschall Luxemburg, der dort den Befehl hatte, sollte geäußert haben, er wäre kriegsmüde, wie die anderen. Ihm, seinem alten Gegner, hoffte Hans Adolf noch auf flandrischen Gebiet zu begegnen und ein Wörtlein mit ihni zu reden. Jetzt aber war es für die Rheinischen an der Zeit, zum Frühjahr das eigene Land zu bestellen, und zu versuchen, Früchte davon zu ernten. In Andernach trafen die Herren mit kurtrierschen Beamten zusammen, die auch versuchten, die jammernde Bevölkerung zu ermutigen und ihnen Hilfe zu schaffen. Das war schwer genug, aber einige Männer hörten doch auf Zuspruch und Ratschläge, und wie sie merkten, daß man Teilnahme für sie empfand, kam über einige neuer Mut. Dazu trugen die vornehmen Frauen bei, die das Elend zu lindern suchten, wo sie es nur fanden. In der Herberge zu Andernach waren die fürstlichen Wagen untergestellt, und sowohl die Herzogin wie Heilwig gingen jeden Morgen aus, um Hilflose zu pflegen und zu versuchen, ihnen Unterkommen zu verschaffen. Manches Kind ward in diesem Elend geboren, mancher müde Wanderer schloß seine Augen zur ewigen Ruhe, die vielleicht für ihn die erste war, die milde Herzogin gab Ratschläge, wo sie nur konnte, und legte Hand an, wo es nötig tat. Und Frau Heilwig wanderte auf ihren Spuren. Weshalb war sie traurig gewesen, mißmutig und müde? Durfte sie klagen, wenn sie sah, daß sie nur zu danken hatte, für unverdiente Gnade? Eine ganze Woche waren die Reisenden in Andernach, dann kam eine Botschaft von den Generalstaaten, daß man auf den Herzog warte. Es sollte eine Schlacht gegen die Franzosen geschlagen werden, und der Herzog durfte nicht fehlen. Grenzboton II 1!>14 16

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/237
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/237>, abgerufen am 13.11.2024.