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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr.

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Bismarck und prokesch - Osten
"Line Ehrenrettung
Ludwig Schemann Von
3. Bismarck contra Prokesch

Aus einer Charakteristik Prokeschs, wie etwa der des Verfassers an der vor¬
erwähnten Stelle, dürfte wohl ein jeder Leser das Bild einer ungewöhnlich edlen
und lauteren Gestalt sich gewinnen. Gleich nach dein Hinscheiden des Mannes
war ferner dessen Lebenslauf in dem eingehendsten und getreuesten der Nachrufe
als einer der ungetrübt glücklichsten bezeichnet worden, was, da es ihm an den
schwersten Schicksalsschlägen nicht gefehlt hat, nur auf den reichen Segen, den
er getragen, sich beziehen kann.

Wie ist es nun denkbar, daß diese selbe Gestalt, dieser selbe Lebenslauf
von einer einzigen, freilich allerhervorragendsten Seite als das gerade Gegen¬
teil, als der Inbegriff des Abstoßenden und Verwerflichen hat hingestellt werden
können?

Hier liegt ein Rätsel vor, das nur durch eingehende Prüfung des Tat-
sachenmateriales und gewissenhafte Versenkung in den Charakter der beiden
Hauptpersonen dieses historischen Dramas sich ganz wird lösen lassen. Bisher
sind hierzu kaum leise Ansätze gemacht worden: begreiflich genug, das Un¬
erquickliche der Aufgabe mochte niemanden locken, und auch der Verfasser der
vorliegenden Untersuchung sieht sich genötigt, für dieselbe nach verschiedenen
Seiten sich Nachsicht zu erbitten. Auch mag es gut sein, in diesem Sinne eine
kurze Allgemeinvemerkung vorauszuschicken.

Vor allem wäre wohl zu begründen, daß und warum bei den zahllosen
Anklagen und Ausfällen Bismarcks gegen Prokesch nur in bescheidenem Um¬
fange ins einzelne gegangen, warum Belegstellen nur in wenigen Fällen gegeben
werden.

Es geschieht dies, wiewohl grundsätzlich nichts von dem allen unberück¬
sichtigt geblieben ist, und zwar reichlich so sehr mit Rücksicht auf Bismarck
selber als auf Prokesch, weil mit der Beschränkung auf einige wenige not¬
wendige Beispiele dasselbe erreicht werden zu können schien als mit dem Her-




Bismarck und prokesch - Osten
«Line Ehrenrettung
Ludwig Schemann Von
3. Bismarck contra Prokesch

Aus einer Charakteristik Prokeschs, wie etwa der des Verfassers an der vor¬
erwähnten Stelle, dürfte wohl ein jeder Leser das Bild einer ungewöhnlich edlen
und lauteren Gestalt sich gewinnen. Gleich nach dein Hinscheiden des Mannes
war ferner dessen Lebenslauf in dem eingehendsten und getreuesten der Nachrufe
als einer der ungetrübt glücklichsten bezeichnet worden, was, da es ihm an den
schwersten Schicksalsschlägen nicht gefehlt hat, nur auf den reichen Segen, den
er getragen, sich beziehen kann.

Wie ist es nun denkbar, daß diese selbe Gestalt, dieser selbe Lebenslauf
von einer einzigen, freilich allerhervorragendsten Seite als das gerade Gegen¬
teil, als der Inbegriff des Abstoßenden und Verwerflichen hat hingestellt werden
können?

Hier liegt ein Rätsel vor, das nur durch eingehende Prüfung des Tat-
sachenmateriales und gewissenhafte Versenkung in den Charakter der beiden
Hauptpersonen dieses historischen Dramas sich ganz wird lösen lassen. Bisher
sind hierzu kaum leise Ansätze gemacht worden: begreiflich genug, das Un¬
erquickliche der Aufgabe mochte niemanden locken, und auch der Verfasser der
vorliegenden Untersuchung sieht sich genötigt, für dieselbe nach verschiedenen
Seiten sich Nachsicht zu erbitten. Auch mag es gut sein, in diesem Sinne eine
kurze Allgemeinvemerkung vorauszuschicken.

Vor allem wäre wohl zu begründen, daß und warum bei den zahllosen
Anklagen und Ausfällen Bismarcks gegen Prokesch nur in bescheidenem Um¬
fange ins einzelne gegangen, warum Belegstellen nur in wenigen Fällen gegeben
werden.

Es geschieht dies, wiewohl grundsätzlich nichts von dem allen unberück¬
sichtigt geblieben ist, und zwar reichlich so sehr mit Rücksicht auf Bismarck
selber als auf Prokesch, weil mit der Beschränkung auf einige wenige not¬
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[0020] [Abbildung] Bismarck und prokesch - Osten «Line Ehrenrettung Ludwig Schemann Von 3. Bismarck contra Prokesch Aus einer Charakteristik Prokeschs, wie etwa der des Verfassers an der vor¬ erwähnten Stelle, dürfte wohl ein jeder Leser das Bild einer ungewöhnlich edlen und lauteren Gestalt sich gewinnen. Gleich nach dein Hinscheiden des Mannes war ferner dessen Lebenslauf in dem eingehendsten und getreuesten der Nachrufe als einer der ungetrübt glücklichsten bezeichnet worden, was, da es ihm an den schwersten Schicksalsschlägen nicht gefehlt hat, nur auf den reichen Segen, den er getragen, sich beziehen kann. Wie ist es nun denkbar, daß diese selbe Gestalt, dieser selbe Lebenslauf von einer einzigen, freilich allerhervorragendsten Seite als das gerade Gegen¬ teil, als der Inbegriff des Abstoßenden und Verwerflichen hat hingestellt werden können? Hier liegt ein Rätsel vor, das nur durch eingehende Prüfung des Tat- sachenmateriales und gewissenhafte Versenkung in den Charakter der beiden Hauptpersonen dieses historischen Dramas sich ganz wird lösen lassen. Bisher sind hierzu kaum leise Ansätze gemacht worden: begreiflich genug, das Un¬ erquickliche der Aufgabe mochte niemanden locken, und auch der Verfasser der vorliegenden Untersuchung sieht sich genötigt, für dieselbe nach verschiedenen Seiten sich Nachsicht zu erbitten. Auch mag es gut sein, in diesem Sinne eine kurze Allgemeinvemerkung vorauszuschicken. Vor allem wäre wohl zu begründen, daß und warum bei den zahllosen Anklagen und Ausfällen Bismarcks gegen Prokesch nur in bescheidenem Um¬ fange ins einzelne gegangen, warum Belegstellen nur in wenigen Fällen gegeben werden. Es geschieht dies, wiewohl grundsätzlich nichts von dem allen unberück¬ sichtigt geblieben ist, und zwar reichlich so sehr mit Rücksicht auf Bismarck selber als auf Prokesch, weil mit der Beschränkung auf einige wenige not¬ wendige Beispiele dasselbe erreicht werden zu können schien als mit dem Her-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_328099/20>, abgerufen am 13.11.2024.