Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und UnmutzgMiches [Beginn Spaltensatz] Erziehungsfragen Vom Vielerlei in der Schule. Wer sich man über das Ziel hinausschießen wird, da Beide Richtungen spiegeln sich in unserem Maßgebliches und UnmutzgMiches [Beginn Spaltensatz] Erziehungsfragen Vom Vielerlei in der Schule. Wer sich man über das Ziel hinausschießen wird, da Beide Richtungen spiegeln sich in unserem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0201" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/327013"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und UnmutzgMiches</fw><lb/> <cb type="start"/> </div> <div n="2"> <head> Erziehungsfragen</head> <p xml:id="ID_751" next="#ID_752"> Vom Vielerlei in der Schule. Wer sich<lb/> mit grundsätzlichen Erwägungen über Zweck<lb/> und Ziel der Schule beschäftigt, wird immer<lb/> wieder auf die Frage geführt: Geht das<lb/> Bedürfnis unserer Zeit mehr auf ein Wissen<lb/> um die tausenderlei Seiten und Nuancen, die<lb/> im Tatsachenmaterial des Tagesgeschehens<lb/> unser heutiges raschlebiges Geschlecht um¬<lb/> geben, auf ein möglichst rasches, innerlich<lb/> ungerührtes Sichabfinden mit den Erschei¬<lb/> nungen, die uns umfluten, — oder bedarf<lb/> unsere Zeit mehr des tiefeindringenden Ver¬<lb/> ständnisses, das alles in Beziehung setzen muß<lb/> mit dem in sich selbst konzentrierter Indivi¬<lb/> duum? Man wird beobachten können, daß<lb/> wir uns heute mit einiger Hast von der<lb/> ersteren Auffassung abwenden und gewisser¬<lb/> maßen krampfhaft wieder nach einem inneren<lb/> Zentrum hinstreben, das von selbst die Außen¬<lb/> welt strahlenförmig um sich anordnet. Es ist<lb/> kein Zweifel, daß man hier einem Bedürfnis<lb/> der an ihrer Flachheit selbst verzweifelnden<lb/> Zeit folgt, aber ebenso wahrscheinlich, daß</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_752" prev="#ID_751"> man über das Ziel hinausschießen wird, da<lb/> auch dies sich nicht für alle schickt.</p> <p xml:id="ID_753" next="#ID_754"> Beide Richtungen spiegeln sich in unserem<lb/> Schulwesen. Der immer erneute Anspruch<lb/> der verschiedensten Disziplinen, in den Lehr¬<lb/> plan der höheren Schulen aufgenommen zu<lb/> werden, hat seit vielen Jahrzehnten zu einem<lb/> Vielerlei des Unterrichts geführt, das durch<lb/> kein Band geistiger Gemeinsamkeit mehr um¬<lb/> faßt wird. „Alles Mögliche Preßt ihr in den<lb/> Kopf des Jungen hinein, als wäre es eine<lb/> Wurst, die gar nicht fest genug gestopft<lb/> Werden könnte. Aber ihr übertreibt eS. Zu¬<lb/> letzt Platzt die Schale, und alles fällt wieder<lb/> heraus." Dieses drastische Wort eines Kieler<lb/> Universitätslehrers, das Paul Cainer auf dem<lb/> Münchener Kongreß für Jugendbildung und<lb/> Jugendkunde 19l2 zitierte, zeichnet derb die<lb/> seit langem herrschende Lage. Aus ihr ist<lb/> die überbürdungsklage früherer Jahrzehnte,<lb/> ist die Schulverdrossenheit unserer Tage<lb/> großenteils zu erklären; vielleicht gehen auch<lb/> die Vorwürfe über den Rückgang der Schul¬<lb/> leistungen zum Teil auf die Abstumpfung der<lb/> Geisteskräfte bei den Schülern durch das</p> <cb type="end"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0201]
Maßgebliches und UnmutzgMiches
Erziehungsfragen Vom Vielerlei in der Schule. Wer sich
mit grundsätzlichen Erwägungen über Zweck
und Ziel der Schule beschäftigt, wird immer
wieder auf die Frage geführt: Geht das
Bedürfnis unserer Zeit mehr auf ein Wissen
um die tausenderlei Seiten und Nuancen, die
im Tatsachenmaterial des Tagesgeschehens
unser heutiges raschlebiges Geschlecht um¬
geben, auf ein möglichst rasches, innerlich
ungerührtes Sichabfinden mit den Erschei¬
nungen, die uns umfluten, — oder bedarf
unsere Zeit mehr des tiefeindringenden Ver¬
ständnisses, das alles in Beziehung setzen muß
mit dem in sich selbst konzentrierter Indivi¬
duum? Man wird beobachten können, daß
wir uns heute mit einiger Hast von der
ersteren Auffassung abwenden und gewisser¬
maßen krampfhaft wieder nach einem inneren
Zentrum hinstreben, das von selbst die Außen¬
welt strahlenförmig um sich anordnet. Es ist
kein Zweifel, daß man hier einem Bedürfnis
der an ihrer Flachheit selbst verzweifelnden
Zeit folgt, aber ebenso wahrscheinlich, daß
man über das Ziel hinausschießen wird, da
auch dies sich nicht für alle schickt.
Beide Richtungen spiegeln sich in unserem
Schulwesen. Der immer erneute Anspruch
der verschiedensten Disziplinen, in den Lehr¬
plan der höheren Schulen aufgenommen zu
werden, hat seit vielen Jahrzehnten zu einem
Vielerlei des Unterrichts geführt, das durch
kein Band geistiger Gemeinsamkeit mehr um¬
faßt wird. „Alles Mögliche Preßt ihr in den
Kopf des Jungen hinein, als wäre es eine
Wurst, die gar nicht fest genug gestopft
Werden könnte. Aber ihr übertreibt eS. Zu¬
letzt Platzt die Schale, und alles fällt wieder
heraus." Dieses drastische Wort eines Kieler
Universitätslehrers, das Paul Cainer auf dem
Münchener Kongreß für Jugendbildung und
Jugendkunde 19l2 zitierte, zeichnet derb die
seit langem herrschende Lage. Aus ihr ist
die überbürdungsklage früherer Jahrzehnte,
ist die Schulverdrossenheit unserer Tage
großenteils zu erklären; vielleicht gehen auch
die Vorwürfe über den Rückgang der Schul¬
leistungen zum Teil auf die Abstumpfung der
Geisteskräfte bei den Schülern durch das
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