Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Recht gibt. Die körperliche Arbeit, die heute Man hat die Gefahren eines einseitigen Aber auch sonst regt sichs heute allent¬ Erfreulich ist es auch, daß der Sport sich So gibt es Wohl schon mancherlei Ansätze, Rechtsfragen Verschiedene Gründe haben zusammen¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches [Beginn Spaltensatz] Recht gibt. Die körperliche Arbeit, die heute Man hat die Gefahren eines einseitigen Aber auch sonst regt sichs heute allent¬ Erfreulich ist es auch, daß der Sport sich So gibt es Wohl schon mancherlei Ansätze, Rechtsfragen Verschiedene Gründe haben zusammen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0296" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326466"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <cb type="start"/> <p xml:id="ID_1407" prev="#ID_1406"> Recht gibt. Die körperliche Arbeit, die heute<lb/> vielfach als niedrig angesehen wird, musz<lb/> wieder mehr zu Ehren kommen. Es könnte<lb/> dem sozialen Empfinden nur dienlich sein,<lb/> wenn sich auch die Kinder reicher und vor¬<lb/> nehmer Eltern wieder mehr der Handarbeit<lb/> zuwendeten, vorausgesetzt, daß dafür eben die<lb/> ausgesprochene Begabung vorhanden ist.<lb/> Heute wendet sich diesen Berufen leider fast<lb/> nur derjenige aus den höheren Ständen zu,<lb/> der auf den höheren Schulen absolut nicht<lb/> mit fortkommt.</p> <p xml:id="ID_1408"> Man hat die Gefahren eines einseitigen<lb/> Intellektualismus und einer vernachlässigten<lb/> Körperkultur immer mehr erkannt und ihnen<lb/> zu begegnen gesucht. Auf dem Gebiete der<lb/> Schule ist dieser erfreulichen Reaktion die<lb/> Einführung des sogenannten Werkunterrichts<lb/> zuzuschreiben, der aus der Lern- mehr eine Ar¬<lb/> beitsschule machen will und der durch Schulung<lb/> des Auges und der Hand ein Gegengewicht<lb/> zu der rein geistigen Betätigung schaffen und<lb/> mehr technische Bildung und einen besseren<lb/> Geschmack erzielen will. Wenn dieser Unter¬<lb/> richt als Ergänzung zur heutigen Wissens¬<lb/> schule auftreten soll, so können wir ihn nur<lb/> willkommen heißen; jedoch muß man nicht zu<lb/> weit in seiner Bewertung gehen und sich hüten,<lb/> das ganze Erziehungsgebäude aufseiner Grund¬<lb/> lage zu errichten.</p> <p xml:id="ID_1409" next="#ID_1410"> Aber auch sonst regt sichs heute allent¬<lb/> halben für eine vernünftige Körperkultur.<lb/> Dem Turnen, auch dem der bislang vernach¬<lb/> lässigten Mädchen, wird mehr Aufmerksamkeit<lb/> als bisher zugewandt, Schulspciziergnnge<lb/> werden häufiger als früher unternommen, die<lb/> Bewegung für den Unterricht im Freien erhält<lb/> viele Gemüter wach, Landerziehungsheime<lb/> werden immer neu gegründet, wo man so<lb/> manchen altgewordenen und neu entstandenen<lb/> Schnlnöten aus dem Wege geht und einer<lb/> natürlichen harmonischen Bildung zustrebt. Die<lb/> Jugend tut sich schon vielfach zu Wander¬<lb/> vereinen zusammen, das Bewcgungsspiel im<lb/> Freien wird als universeller Erzieher immer<lb/> mehr gewürdigt, Vereine für eine vernünftige<lb/> Leibeszucht entstehen, die Gnrtenstadtbewegung<lb/> gewinnt nnVerbreitung, für winterliche Leibes¬<lb/> übungen wird propagiert und viele Zeitschriften<lb/> tragen die Forderung einer erhöhten Körper¬<lb/> kultur immer wieder in das Volk hinein.</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_1410" prev="#ID_1409"> Erfreulich ist es auch, daß der Sport sich<lb/> unser Volk immer mehr erobert. Er kann<lb/> jedenfalls sehr viel zu seiner Gesundung bei¬<lb/> tragen. Nur muß er sich beizeiten vor ge¬<lb/> fährlichen Auswüchsen hüten, die jetzt schon<lb/> drohen, nämlich vor der Rekordjägerei, vor<lb/> der öden Sportfexerei, vor dem Sportwetten.<lb/> Gesund ist der Sport nur, wenn er möglichst<lb/> das ganze Volk erfaßt und nur um seiner<lb/> selbst willen getrieben wird.</p> <p xml:id="ID_1411"> So gibt es Wohl schon mancherlei Ansätze,<lb/> die dazu angetan sind, die bisherige einseitige<lb/> Ausbildung wohltuend auszugleichen und zu<lb/> einer wirklich harmonischen Menschheitskultur<lb/> zu führen. Es steht zu erwarten, daß man,<lb/> nachdem die Gefahr einmal erkannt ist, auch<lb/> energisch dagegen weiterkämpfen wird, dafür<lb/> spricht schon das tiefe Interesse, das heute<lb/> gottlob für Erziehungsfragen stark erwacht ist.<lb/> Der Dualismus im Menschen weist schon<lb/> deutlich auf die gleiche Berücksichtigung von<lb/> Geist und Körper hin; jede Einseitigkeit muß,<lb/> sich daher rächen. Für unsere Tage gilt daher<lb/> die Forderung: nicht der möglichst entwickelte,<lb/> oft nur mechanisch gedrillte Geist im ver¬<lb/> kümmerten Körper, sondern eine gesunde Seele<lb/> im gesunden, sinnenstarken Leibe. Das wird<lb/> harmonische Bildung, Lebenstüchtigkeit und-<lb/> Lebensglück für den einzelnen und für das<lb/> ganze deutsche Volk geben.</p> <note type="byline"> Rektor lösche </note> </div> <div n="2"> <head> Rechtsfragen</head> <p xml:id="ID_1412" next="#ID_1413"> Verschiedene Gründe haben zusammen¬<lb/> gewirkt, um bei der Entstehung des Bürger¬<lb/> lichen Gesetzbuches das Recht des Arbeitsver¬<lb/> hältnisses vorläufig von einheitlicher Regelung<lb/> auszuschließen. Diese bleibt einer späteren<lb/> Zukunft vorbehalten. Heute schon ist es aber<lb/> nötig und möglich, gründliche Vorarbeit zu<lb/> leisten für das gewaltige Werk, das unserer<lb/> Söhne harrt. Einen wertvollen Baustein hierzu<lb/> hat Heinrich Potthoff geliefert in seinem bei<lb/> Eugen Diederichs (Jena 1912) verlegten Buche<lb/> „Probleme des Arbcitsrrchtes. Rechtspoli¬<lb/> tische Betrachtungen eines Volkswirtes". Die<lb/> Schaffung eines einheitlichen, fortschrittlichen,,<lb/> sozialen Arbeitsrechtes ist schmierig. Denn<lb/> Private und öffentliche, juristische, wirtschaft¬<lb/> liche und politische Fragen heischen Ausgleich..</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0296]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Recht gibt. Die körperliche Arbeit, die heute
vielfach als niedrig angesehen wird, musz
wieder mehr zu Ehren kommen. Es könnte
dem sozialen Empfinden nur dienlich sein,
wenn sich auch die Kinder reicher und vor¬
nehmer Eltern wieder mehr der Handarbeit
zuwendeten, vorausgesetzt, daß dafür eben die
ausgesprochene Begabung vorhanden ist.
Heute wendet sich diesen Berufen leider fast
nur derjenige aus den höheren Ständen zu,
der auf den höheren Schulen absolut nicht
mit fortkommt.
Man hat die Gefahren eines einseitigen
Intellektualismus und einer vernachlässigten
Körperkultur immer mehr erkannt und ihnen
zu begegnen gesucht. Auf dem Gebiete der
Schule ist dieser erfreulichen Reaktion die
Einführung des sogenannten Werkunterrichts
zuzuschreiben, der aus der Lern- mehr eine Ar¬
beitsschule machen will und der durch Schulung
des Auges und der Hand ein Gegengewicht
zu der rein geistigen Betätigung schaffen und
mehr technische Bildung und einen besseren
Geschmack erzielen will. Wenn dieser Unter¬
richt als Ergänzung zur heutigen Wissens¬
schule auftreten soll, so können wir ihn nur
willkommen heißen; jedoch muß man nicht zu
weit in seiner Bewertung gehen und sich hüten,
das ganze Erziehungsgebäude aufseiner Grund¬
lage zu errichten.
Aber auch sonst regt sichs heute allent¬
halben für eine vernünftige Körperkultur.
Dem Turnen, auch dem der bislang vernach¬
lässigten Mädchen, wird mehr Aufmerksamkeit
als bisher zugewandt, Schulspciziergnnge
werden häufiger als früher unternommen, die
Bewegung für den Unterricht im Freien erhält
viele Gemüter wach, Landerziehungsheime
werden immer neu gegründet, wo man so
manchen altgewordenen und neu entstandenen
Schnlnöten aus dem Wege geht und einer
natürlichen harmonischen Bildung zustrebt. Die
Jugend tut sich schon vielfach zu Wander¬
vereinen zusammen, das Bewcgungsspiel im
Freien wird als universeller Erzieher immer
mehr gewürdigt, Vereine für eine vernünftige
Leibeszucht entstehen, die Gnrtenstadtbewegung
gewinnt nnVerbreitung, für winterliche Leibes¬
übungen wird propagiert und viele Zeitschriften
tragen die Forderung einer erhöhten Körper¬
kultur immer wieder in das Volk hinein.
Erfreulich ist es auch, daß der Sport sich
unser Volk immer mehr erobert. Er kann
jedenfalls sehr viel zu seiner Gesundung bei¬
tragen. Nur muß er sich beizeiten vor ge¬
fährlichen Auswüchsen hüten, die jetzt schon
drohen, nämlich vor der Rekordjägerei, vor
der öden Sportfexerei, vor dem Sportwetten.
Gesund ist der Sport nur, wenn er möglichst
das ganze Volk erfaßt und nur um seiner
selbst willen getrieben wird.
So gibt es Wohl schon mancherlei Ansätze,
die dazu angetan sind, die bisherige einseitige
Ausbildung wohltuend auszugleichen und zu
einer wirklich harmonischen Menschheitskultur
zu führen. Es steht zu erwarten, daß man,
nachdem die Gefahr einmal erkannt ist, auch
energisch dagegen weiterkämpfen wird, dafür
spricht schon das tiefe Interesse, das heute
gottlob für Erziehungsfragen stark erwacht ist.
Der Dualismus im Menschen weist schon
deutlich auf die gleiche Berücksichtigung von
Geist und Körper hin; jede Einseitigkeit muß,
sich daher rächen. Für unsere Tage gilt daher
die Forderung: nicht der möglichst entwickelte,
oft nur mechanisch gedrillte Geist im ver¬
kümmerten Körper, sondern eine gesunde Seele
im gesunden, sinnenstarken Leibe. Das wird
harmonische Bildung, Lebenstüchtigkeit und-
Lebensglück für den einzelnen und für das
ganze deutsche Volk geben.
Rektor lösche Rechtsfragen Verschiedene Gründe haben zusammen¬
gewirkt, um bei der Entstehung des Bürger¬
lichen Gesetzbuches das Recht des Arbeitsver¬
hältnisses vorläufig von einheitlicher Regelung
auszuschließen. Diese bleibt einer späteren
Zukunft vorbehalten. Heute schon ist es aber
nötig und möglich, gründliche Vorarbeit zu
leisten für das gewaltige Werk, das unserer
Söhne harrt. Einen wertvollen Baustein hierzu
hat Heinrich Potthoff geliefert in seinem bei
Eugen Diederichs (Jena 1912) verlegten Buche
„Probleme des Arbcitsrrchtes. Rechtspoli¬
tische Betrachtungen eines Volkswirtes". Die
Schaffung eines einheitlichen, fortschrittlichen,,
sozialen Arbeitsrechtes ist schmierig. Denn
Private und öffentliche, juristische, wirtschaft¬
liche und politische Fragen heischen Ausgleich..
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