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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aber mit der wachsenden Erkenntnis der Be¬
deutung eines sozialen Arbeitsrechtes wird sich
Wohl auch ein Weg finden lassen zur Über¬
windung der politischen Schwierigkeiten, an
denen das Werk bisher vornehmlich gescheitert
ist. Soziales Arbeitsrecht brauchen wir. Pott¬
hoff hat Recht, wenn er die Menschenökonomie
an den Anfang aller Staatslehre stellt; die
Frage, wie die Gattung Mensch am besten
entwickelt wird. Aller Kampf der Arbeit¬
nehmer um ein besseres Recht geht darauf
hinaus, das Recht sozialer zu machen. Unser
heutiges Recht ist vielfach noch sehr unsozial,
vermöge seiner Herkunft. Es steht auf dem
römischen Recht, in dem der Typus des ar¬
beitenden Menschen der Sklave war -- er
war seines Herrn Eigentum und rechtlich nicht
anders bewertet als ein Haustier. Soziales
Arbeitsrecht heischt Rücksicht auf den Menschen
als Menschen und als Staatsbürger; Höher¬
wertung des Menschen als des Sachgutes.
In den Menschen liegt der Reichtum eines
Volkes; in den Menschen der Zweck des
Staates; in der Höherentwicklung des Men¬
schen das Ziel unserer Kultur. Der Mensch
ist das wichtigste der Produktiven Kräfte von
Staat und Volk; in ihnen, nicht in den pro¬
duzierten Sachgütern liegt der wahre Reich¬
tum der Nation. So ist der Mensch nicht
bloß Subjekt, sondern auch Objekt der Volks¬
wirtschaft. Staat und Volk aber haben dem¬
entsprechend ein vitales Interesse an Pfleg¬
licher Behandlung des Menschenmaterials, das
seine Kraft durch Arbeit umsetzt in nationale
Werte. Deutschland ist Weltmacht geworden,
treibt Weltpolitik, steht im Wettbewerb der
Weltwirtschaft. Dabei kommt ihm nicht
günstige geographische Lage, nicht Reichtum
an Gütern der Natur zustatten. Die Arbeit ent¬
scheidet über seine Konkurrenzfähigkeit auf dem
Weltmarkte, über die Stärkung seiner Welt-
stellung. Nur der arbeitende Mensch mehrt den
Reichtum seines Volkes; der arbeitsunfähige
zehrt von fremdem Reichtum. Arbeitsfähigkeit
muß aber gepaart sein mit Arbeitsfreudigkeit. An
Georg Kerschonsteiners Gedankengänge klingt
es an, wenn Potlhoff die tiefe Verbittertheit
berührt, von der heute weite Kreise erfüllt
sind und die Frage nach ihrem Ursprünge
dahin beantwortet, daß eben die Millionen
der Arbeiter und auch Millionen anderer keine

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Freude an ihrer Arbeit haben. Warum?
Weil ihnen das Verständnis für die Zu¬
sammenhänge unserer Wirtschaft fehlt; weil
aller Beruf reiner Gelderwerb, die Tätigkeit
vom Zwange der Not diktiert ist. Die Schaffung
eines einheitlichen sozialen Arbeitsrechtes ist
nicht bloß ein Rechtsproblem, sondern ebenso¬
sehr auch ein Kulturproblem und berufen, zu
einem Angelpunkte der gesamten inneren Po¬
litik des Deutschen Reiches zu werden. Die
Forderung aber muß, nach den Worten des
Frankfurter Stadtrates Dr. Karl Flesch, dahin
gehen, daß das Arbeitsverhältnis aus einem
Gewaltverhältnis zu einem Rechtsverhältnis
werde, das der besitzenden Minderheit die
Macht entzieht, Raubbau zu treiben an der
Gesundheit, Lebens- und Zeugungskraft der
Mehrheit.

Dr. Fritz Roeder
Drama und Theater
Ludwig Löser: Drei Dramen. "(Herostrat
von Ephesus", Tragödie. "Die Krone", Schau¬
spiel; beide bei Julius Zwißler in Wolfen-
büttel. "Das Heim im Walde", Schauspiel;
bei Heckner in Wolfenbüttel).

Wer das Elend der dramatischen Pro¬
duktion von Heute kennt, wer täglich erfahren
muß, daß von hundert auf die Theaterkanzleien
einstürmenden Angeboten kaum zwei ein wenig
Beherrschung des Handwerks und auch nur
ein Mindestmaß dramatischen Instinktes zeigen,
mag sich doppelt der kärglichen Ausnahme
von dieser traurigen Regel freuen. Ludwig
Löser, jenseits der Grenzen seiner engeren Hei¬
mat leider noch ziemlich unbekannt, verfügt
Wohl über beides: über eine fleißig entwickelte
dramatische Technik und über eine starke
Fähigkeit zum Bühnenwirken (ich glaube
ihm den größeren Gefallen zu tun, wenn ich
hier in erster Linie mich mit der Bühnen¬
tauglichkeit, in zweiter erst mit dem literarischen
Wert seiner Werke auseinandersetze). Beide
Eigenschaften sind bei ihm so augenfällig,
daß man ihm mit gutem Gewissen wirksamere
Erfolge in der Zukunft voraussagen kann --
falls er von Zeit zu Zeit die Wege, auf denen
er geht, gründlich Prüft.

Merkwürdigerweise ist sein ältestes Werk,
der "Herostrnt", sein vollkommenstes: es greift

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Aber mit der wachsenden Erkenntnis der Be¬
deutung eines sozialen Arbeitsrechtes wird sich
Wohl auch ein Weg finden lassen zur Über¬
windung der politischen Schwierigkeiten, an
denen das Werk bisher vornehmlich gescheitert
ist. Soziales Arbeitsrecht brauchen wir. Pott¬
hoff hat Recht, wenn er die Menschenökonomie
an den Anfang aller Staatslehre stellt; die
Frage, wie die Gattung Mensch am besten
entwickelt wird. Aller Kampf der Arbeit¬
nehmer um ein besseres Recht geht darauf
hinaus, das Recht sozialer zu machen. Unser
heutiges Recht ist vielfach noch sehr unsozial,
vermöge seiner Herkunft. Es steht auf dem
römischen Recht, in dem der Typus des ar¬
beitenden Menschen der Sklave war — er
war seines Herrn Eigentum und rechtlich nicht
anders bewertet als ein Haustier. Soziales
Arbeitsrecht heischt Rücksicht auf den Menschen
als Menschen und als Staatsbürger; Höher¬
wertung des Menschen als des Sachgutes.
In den Menschen liegt der Reichtum eines
Volkes; in den Menschen der Zweck des
Staates; in der Höherentwicklung des Men¬
schen das Ziel unserer Kultur. Der Mensch
ist das wichtigste der Produktiven Kräfte von
Staat und Volk; in ihnen, nicht in den pro¬
duzierten Sachgütern liegt der wahre Reich¬
tum der Nation. So ist der Mensch nicht
bloß Subjekt, sondern auch Objekt der Volks¬
wirtschaft. Staat und Volk aber haben dem¬
entsprechend ein vitales Interesse an Pfleg¬
licher Behandlung des Menschenmaterials, das
seine Kraft durch Arbeit umsetzt in nationale
Werte. Deutschland ist Weltmacht geworden,
treibt Weltpolitik, steht im Wettbewerb der
Weltwirtschaft. Dabei kommt ihm nicht
günstige geographische Lage, nicht Reichtum
an Gütern der Natur zustatten. Die Arbeit ent¬
scheidet über seine Konkurrenzfähigkeit auf dem
Weltmarkte, über die Stärkung seiner Welt-
stellung. Nur der arbeitende Mensch mehrt den
Reichtum seines Volkes; der arbeitsunfähige
zehrt von fremdem Reichtum. Arbeitsfähigkeit
muß aber gepaart sein mit Arbeitsfreudigkeit. An
Georg Kerschonsteiners Gedankengänge klingt
es an, wenn Potlhoff die tiefe Verbittertheit
berührt, von der heute weite Kreise erfüllt
sind und die Frage nach ihrem Ursprünge
dahin beantwortet, daß eben die Millionen
der Arbeiter und auch Millionen anderer keine

[Spaltenumbruch]

Freude an ihrer Arbeit haben. Warum?
Weil ihnen das Verständnis für die Zu¬
sammenhänge unserer Wirtschaft fehlt; weil
aller Beruf reiner Gelderwerb, die Tätigkeit
vom Zwange der Not diktiert ist. Die Schaffung
eines einheitlichen sozialen Arbeitsrechtes ist
nicht bloß ein Rechtsproblem, sondern ebenso¬
sehr auch ein Kulturproblem und berufen, zu
einem Angelpunkte der gesamten inneren Po¬
litik des Deutschen Reiches zu werden. Die
Forderung aber muß, nach den Worten des
Frankfurter Stadtrates Dr. Karl Flesch, dahin
gehen, daß das Arbeitsverhältnis aus einem
Gewaltverhältnis zu einem Rechtsverhältnis
werde, das der besitzenden Minderheit die
Macht entzieht, Raubbau zu treiben an der
Gesundheit, Lebens- und Zeugungskraft der
Mehrheit.

Dr. Fritz Roeder
Drama und Theater
Ludwig Löser: Drei Dramen. „(Herostrat
von Ephesus", Tragödie. „Die Krone", Schau¬
spiel; beide bei Julius Zwißler in Wolfen-
büttel. „Das Heim im Walde", Schauspiel;
bei Heckner in Wolfenbüttel).

Wer das Elend der dramatischen Pro¬
duktion von Heute kennt, wer täglich erfahren
muß, daß von hundert auf die Theaterkanzleien
einstürmenden Angeboten kaum zwei ein wenig
Beherrschung des Handwerks und auch nur
ein Mindestmaß dramatischen Instinktes zeigen,
mag sich doppelt der kärglichen Ausnahme
von dieser traurigen Regel freuen. Ludwig
Löser, jenseits der Grenzen seiner engeren Hei¬
mat leider noch ziemlich unbekannt, verfügt
Wohl über beides: über eine fleißig entwickelte
dramatische Technik und über eine starke
Fähigkeit zum Bühnenwirken (ich glaube
ihm den größeren Gefallen zu tun, wenn ich
hier in erster Linie mich mit der Bühnen¬
tauglichkeit, in zweiter erst mit dem literarischen
Wert seiner Werke auseinandersetze). Beide
Eigenschaften sind bei ihm so augenfällig,
daß man ihm mit gutem Gewissen wirksamere
Erfolge in der Zukunft voraussagen kann —
falls er von Zeit zu Zeit die Wege, auf denen
er geht, gründlich Prüft.

Merkwürdigerweise ist sein ältestes Werk,
der „Herostrnt", sein vollkommenstes: es greift

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[0297] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber mit der wachsenden Erkenntnis der Be¬ deutung eines sozialen Arbeitsrechtes wird sich Wohl auch ein Weg finden lassen zur Über¬ windung der politischen Schwierigkeiten, an denen das Werk bisher vornehmlich gescheitert ist. Soziales Arbeitsrecht brauchen wir. Pott¬ hoff hat Recht, wenn er die Menschenökonomie an den Anfang aller Staatslehre stellt; die Frage, wie die Gattung Mensch am besten entwickelt wird. Aller Kampf der Arbeit¬ nehmer um ein besseres Recht geht darauf hinaus, das Recht sozialer zu machen. Unser heutiges Recht ist vielfach noch sehr unsozial, vermöge seiner Herkunft. Es steht auf dem römischen Recht, in dem der Typus des ar¬ beitenden Menschen der Sklave war — er war seines Herrn Eigentum und rechtlich nicht anders bewertet als ein Haustier. Soziales Arbeitsrecht heischt Rücksicht auf den Menschen als Menschen und als Staatsbürger; Höher¬ wertung des Menschen als des Sachgutes. In den Menschen liegt der Reichtum eines Volkes; in den Menschen der Zweck des Staates; in der Höherentwicklung des Men¬ schen das Ziel unserer Kultur. Der Mensch ist das wichtigste der Produktiven Kräfte von Staat und Volk; in ihnen, nicht in den pro¬ duzierten Sachgütern liegt der wahre Reich¬ tum der Nation. So ist der Mensch nicht bloß Subjekt, sondern auch Objekt der Volks¬ wirtschaft. Staat und Volk aber haben dem¬ entsprechend ein vitales Interesse an Pfleg¬ licher Behandlung des Menschenmaterials, das seine Kraft durch Arbeit umsetzt in nationale Werte. Deutschland ist Weltmacht geworden, treibt Weltpolitik, steht im Wettbewerb der Weltwirtschaft. Dabei kommt ihm nicht günstige geographische Lage, nicht Reichtum an Gütern der Natur zustatten. Die Arbeit ent¬ scheidet über seine Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkte, über die Stärkung seiner Welt- stellung. Nur der arbeitende Mensch mehrt den Reichtum seines Volkes; der arbeitsunfähige zehrt von fremdem Reichtum. Arbeitsfähigkeit muß aber gepaart sein mit Arbeitsfreudigkeit. An Georg Kerschonsteiners Gedankengänge klingt es an, wenn Potlhoff die tiefe Verbittertheit berührt, von der heute weite Kreise erfüllt sind und die Frage nach ihrem Ursprünge dahin beantwortet, daß eben die Millionen der Arbeiter und auch Millionen anderer keine Freude an ihrer Arbeit haben. Warum? Weil ihnen das Verständnis für die Zu¬ sammenhänge unserer Wirtschaft fehlt; weil aller Beruf reiner Gelderwerb, die Tätigkeit vom Zwange der Not diktiert ist. Die Schaffung eines einheitlichen sozialen Arbeitsrechtes ist nicht bloß ein Rechtsproblem, sondern ebenso¬ sehr auch ein Kulturproblem und berufen, zu einem Angelpunkte der gesamten inneren Po¬ litik des Deutschen Reiches zu werden. Die Forderung aber muß, nach den Worten des Frankfurter Stadtrates Dr. Karl Flesch, dahin gehen, daß das Arbeitsverhältnis aus einem Gewaltverhältnis zu einem Rechtsverhältnis werde, das der besitzenden Minderheit die Macht entzieht, Raubbau zu treiben an der Gesundheit, Lebens- und Zeugungskraft der Mehrheit. Dr. Fritz Roeder Drama und Theater Ludwig Löser: Drei Dramen. „(Herostrat von Ephesus", Tragödie. „Die Krone", Schau¬ spiel; beide bei Julius Zwißler in Wolfen- büttel. „Das Heim im Walde", Schauspiel; bei Heckner in Wolfenbüttel). Wer das Elend der dramatischen Pro¬ duktion von Heute kennt, wer täglich erfahren muß, daß von hundert auf die Theaterkanzleien einstürmenden Angeboten kaum zwei ein wenig Beherrschung des Handwerks und auch nur ein Mindestmaß dramatischen Instinktes zeigen, mag sich doppelt der kärglichen Ausnahme von dieser traurigen Regel freuen. Ludwig Löser, jenseits der Grenzen seiner engeren Hei¬ mat leider noch ziemlich unbekannt, verfügt Wohl über beides: über eine fleißig entwickelte dramatische Technik und über eine starke Fähigkeit zum Bühnenwirken (ich glaube ihm den größeren Gefallen zu tun, wenn ich hier in erster Linie mich mit der Bühnen¬ tauglichkeit, in zweiter erst mit dem literarischen Wert seiner Werke auseinandersetze). Beide Eigenschaften sind bei ihm so augenfällig, daß man ihm mit gutem Gewissen wirksamere Erfolge in der Zukunft voraussagen kann — falls er von Zeit zu Zeit die Wege, auf denen er geht, gründlich Prüft. Merkwürdigerweise ist sein ältestes Werk, der „Herostrnt", sein vollkommenstes: es greift

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_326169/297>, abgerufen am 19.10.2024.