Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


^turn
Roman
Max Ludwig-Dohm von(Vierte Fortsetzung)

Oben lagen die drei Zimmer der jungen Mädchen. Das erste war als
behagliches Wohnzimmer ausgestattet, mit hellen Möbeln aus Birkenholz und einem
kleinen Kamin, in dem an diesem Abend die Tannenscheite prasselten.

"Du bist so still. Edda?" Edles zog ihre Schwester an sich. "Hast Du
Ärger gehabt? Ist was vorgefallen?"

"Ach nichts I" war die ausweichende Antwort. "Ich bin müde von dem
langen Warten."

Edles kannte die zurückhaltende Art der Schwester und drang nicht weiter
in sie.

"Ich muß dem Balg noch einen Kuß geben I" Sie nahm die Lampe und
ging durch ihr gemeinsames Schlafzimmer in den letzten Raum, wo Evi ihr
Reich hatte.

Das schwarze Köpfchen tief in die zerwühlten Kissen gedrückt und die
blauseidene Daunendecke halb abgestreift, lag die jüngste Wenkendorff in un¬
ruhigem Schlaf.

"Schon zehnmal habe ich ihr die Decke hochgezogenl" sagte Edda, während
Edles sich über die Schwester beugte.

"Was hat sie denn für einen Kratzer auf der Backe? Ist sie wieder mal
vom Baum gefallen?"

"Sie hat es mir nicht verraten. Den ganzen Abend war sie trotzig und
sprach kein Wort."

Edles lachte: "Solch ein Strolch! Wann wird sie endlich mal vernünftig
werden!"

Während sie dann ihre schwere blonde Flechtenkrone löste, fing sie an,
von den Borküller Erlebnissen zu berichten:

"Über eins freue ich mich doch dabei. Rate mal, worüber?"




^turn
Roman
Max Ludwig-Dohm von(Vierte Fortsetzung)

Oben lagen die drei Zimmer der jungen Mädchen. Das erste war als
behagliches Wohnzimmer ausgestattet, mit hellen Möbeln aus Birkenholz und einem
kleinen Kamin, in dem an diesem Abend die Tannenscheite prasselten.

„Du bist so still. Edda?" Edles zog ihre Schwester an sich. „Hast Du
Ärger gehabt? Ist was vorgefallen?"

„Ach nichts I" war die ausweichende Antwort. „Ich bin müde von dem
langen Warten."

Edles kannte die zurückhaltende Art der Schwester und drang nicht weiter
in sie.

„Ich muß dem Balg noch einen Kuß geben I" Sie nahm die Lampe und
ging durch ihr gemeinsames Schlafzimmer in den letzten Raum, wo Evi ihr
Reich hatte.

Das schwarze Köpfchen tief in die zerwühlten Kissen gedrückt und die
blauseidene Daunendecke halb abgestreift, lag die jüngste Wenkendorff in un¬
ruhigem Schlaf.

„Schon zehnmal habe ich ihr die Decke hochgezogenl" sagte Edda, während
Edles sich über die Schwester beugte.

„Was hat sie denn für einen Kratzer auf der Backe? Ist sie wieder mal
vom Baum gefallen?"

„Sie hat es mir nicht verraten. Den ganzen Abend war sie trotzig und
sprach kein Wort."

Edles lachte: „Solch ein Strolch! Wann wird sie endlich mal vernünftig
werden!"

Während sie dann ihre schwere blonde Flechtenkrone löste, fing sie an,
von den Borküller Erlebnissen zu berichten:

„Über eins freue ich mich doch dabei. Rate mal, worüber?"


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0579" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/326099"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341897_325519/figures/grenzboten_341897_325519_326099_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> ^turn<lb/>
Roman<lb/><note type="byline"> Max Ludwig-Dohm</note> von(Vierte Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2673"> Oben lagen die drei Zimmer der jungen Mädchen. Das erste war als<lb/>
behagliches Wohnzimmer ausgestattet, mit hellen Möbeln aus Birkenholz und einem<lb/>
kleinen Kamin, in dem an diesem Abend die Tannenscheite prasselten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2674"> &#x201E;Du bist so still. Edda?" Edles zog ihre Schwester an sich. &#x201E;Hast Du<lb/>
Ärger gehabt? Ist was vorgefallen?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2675"> &#x201E;Ach nichts I" war die ausweichende Antwort. &#x201E;Ich bin müde von dem<lb/>
langen Warten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2676"> Edles kannte die zurückhaltende Art der Schwester und drang nicht weiter<lb/>
in sie.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2677"> &#x201E;Ich muß dem Balg noch einen Kuß geben I" Sie nahm die Lampe und<lb/>
ging durch ihr gemeinsames Schlafzimmer in den letzten Raum, wo Evi ihr<lb/>
Reich hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2678"> Das schwarze Köpfchen tief in die zerwühlten Kissen gedrückt und die<lb/>
blauseidene Daunendecke halb abgestreift, lag die jüngste Wenkendorff in un¬<lb/>
ruhigem Schlaf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2679"> &#x201E;Schon zehnmal habe ich ihr die Decke hochgezogenl" sagte Edda, während<lb/>
Edles sich über die Schwester beugte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2680"> &#x201E;Was hat sie denn für einen Kratzer auf der Backe? Ist sie wieder mal<lb/>
vom Baum gefallen?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2681"> &#x201E;Sie hat es mir nicht verraten. Den ganzen Abend war sie trotzig und<lb/>
sprach kein Wort."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2682"> Edles lachte: &#x201E;Solch ein Strolch! Wann wird sie endlich mal vernünftig<lb/>
werden!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2683"> Während sie dann ihre schwere blonde Flechtenkrone löste, fing sie an,<lb/>
von den Borküller Erlebnissen zu berichten:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2684"> &#x201E;Über eins freue ich mich doch dabei.  Rate mal, worüber?"</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0579] [Abbildung] ^turn Roman Max Ludwig-Dohm von(Vierte Fortsetzung) Oben lagen die drei Zimmer der jungen Mädchen. Das erste war als behagliches Wohnzimmer ausgestattet, mit hellen Möbeln aus Birkenholz und einem kleinen Kamin, in dem an diesem Abend die Tannenscheite prasselten. „Du bist so still. Edda?" Edles zog ihre Schwester an sich. „Hast Du Ärger gehabt? Ist was vorgefallen?" „Ach nichts I" war die ausweichende Antwort. „Ich bin müde von dem langen Warten." Edles kannte die zurückhaltende Art der Schwester und drang nicht weiter in sie. „Ich muß dem Balg noch einen Kuß geben I" Sie nahm die Lampe und ging durch ihr gemeinsames Schlafzimmer in den letzten Raum, wo Evi ihr Reich hatte. Das schwarze Köpfchen tief in die zerwühlten Kissen gedrückt und die blauseidene Daunendecke halb abgestreift, lag die jüngste Wenkendorff in un¬ ruhigem Schlaf. „Schon zehnmal habe ich ihr die Decke hochgezogenl" sagte Edda, während Edles sich über die Schwester beugte. „Was hat sie denn für einen Kratzer auf der Backe? Ist sie wieder mal vom Baum gefallen?" „Sie hat es mir nicht verraten. Den ganzen Abend war sie trotzig und sprach kein Wort." Edles lachte: „Solch ein Strolch! Wann wird sie endlich mal vernünftig werden!" Während sie dann ihre schwere blonde Flechtenkrone löste, fing sie an, von den Borküller Erlebnissen zu berichten: „Über eins freue ich mich doch dabei. Rate mal, worüber?"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/579
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/579>, abgerufen am 27.07.2024.