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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Ariminalistische Institute
Gerichtsassessor Dr. Albert Hellivig i vonn

er die letzten Jahrgänge der kriminalistischen Zeitschriften durch¬
blättert, der wird eine Fülle von Notizen und nicht wenige Ab¬
handlungen finden, welche sich mit der außerordentlich wichtigen
Frage befassen, auf welche Weise man den Strafrechtspraktiker
am besten mit den zahlreichen Hilfswissenschaften vertraut machen
könnte, die zur zielbewußter und zweckmäßigen Ausübung seines Berufes ihm
mindestens ebenso nötig sind, wie die genaue Kenntnis aller Labyrinthe des
materiellen und formellen Strafrechts. Immer allgemeiner wird die Erkenntnis,
daß es so nicht weitergehen könne, daß endlich etwas getan werden müsse, um
das theoretisch schon längst als notwendig Anerkannte nun auch energisch in
die Praxis umzusetzen.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß heutzutage bei uns und in den
meisten Kulturländern dem angehenden Strafrichter oder Staatsanwalt nicht
genügend Hilfsmittel zu Gebote stehen, um sich in den strafrechtlichen Hilfs¬
wissenschaften so zu vervollkommnen, wie es das Interesse der Allgemeinheit
an der Überführung und gerechten Bestrafung der Missetäter ebensowohl als
an der Entlastung der zu Unrecht Verdächtigten erheischt.

Wer die Vorlesungsverzeichnisse der juristischen Fakultäten durchgeht, wird
nur gar selten auf die Ankündigung einer Vorlesung beispielsweise über foren¬
sische Psychologie oder über Kriminalätiologie, Gefängniskunde usw. treffen.
Wie er gar Fußspuren, Fingerspuren oder andere Spuren sachgemäß verwerten
kann, wie er vorgehen muß, um nicht wichtige Spuren zu verwischen oder gar
zu fälschen, wann er etwa einen Meteorologen, einen Mikroskopiker. einen
Folkloristen mit Nutzen heranziehen kann, was er von Gaunerzinken zu halten,
wie er Geheimschriften beim Verkehr der Gefangenen mit der Außenwelt aus¬
findig machen kann, und noch vielerlei anderes, dessen Kenntnis dem Straf¬
rechtspraktiker so nötig ist wie das liebe Brot, dessen Nichtwissen schon in mehr
als einem wichtigen Falle alle Anstrengungen der Justiz zuschanden gemacht




Ariminalistische Institute
Gerichtsassessor Dr. Albert Hellivig i vonn

er die letzten Jahrgänge der kriminalistischen Zeitschriften durch¬
blättert, der wird eine Fülle von Notizen und nicht wenige Ab¬
handlungen finden, welche sich mit der außerordentlich wichtigen
Frage befassen, auf welche Weise man den Strafrechtspraktiker
am besten mit den zahlreichen Hilfswissenschaften vertraut machen
könnte, die zur zielbewußter und zweckmäßigen Ausübung seines Berufes ihm
mindestens ebenso nötig sind, wie die genaue Kenntnis aller Labyrinthe des
materiellen und formellen Strafrechts. Immer allgemeiner wird die Erkenntnis,
daß es so nicht weitergehen könne, daß endlich etwas getan werden müsse, um
das theoretisch schon längst als notwendig Anerkannte nun auch energisch in
die Praxis umzusetzen.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß heutzutage bei uns und in den
meisten Kulturländern dem angehenden Strafrichter oder Staatsanwalt nicht
genügend Hilfsmittel zu Gebote stehen, um sich in den strafrechtlichen Hilfs¬
wissenschaften so zu vervollkommnen, wie es das Interesse der Allgemeinheit
an der Überführung und gerechten Bestrafung der Missetäter ebensowohl als
an der Entlastung der zu Unrecht Verdächtigten erheischt.

Wer die Vorlesungsverzeichnisse der juristischen Fakultäten durchgeht, wird
nur gar selten auf die Ankündigung einer Vorlesung beispielsweise über foren¬
sische Psychologie oder über Kriminalätiologie, Gefängniskunde usw. treffen.
Wie er gar Fußspuren, Fingerspuren oder andere Spuren sachgemäß verwerten
kann, wie er vorgehen muß, um nicht wichtige Spuren zu verwischen oder gar
zu fälschen, wann er etwa einen Meteorologen, einen Mikroskopiker. einen
Folkloristen mit Nutzen heranziehen kann, was er von Gaunerzinken zu halten,
wie er Geheimschriften beim Verkehr der Gefangenen mit der Außenwelt aus¬
findig machen kann, und noch vielerlei anderes, dessen Kenntnis dem Straf¬
rechtspraktiker so nötig ist wie das liebe Brot, dessen Nichtwissen schon in mehr
als einem wichtigen Falle alle Anstrengungen der Justiz zuschanden gemacht


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[0286] [Abbildung] Ariminalistische Institute Gerichtsassessor Dr. Albert Hellivig i vonn er die letzten Jahrgänge der kriminalistischen Zeitschriften durch¬ blättert, der wird eine Fülle von Notizen und nicht wenige Ab¬ handlungen finden, welche sich mit der außerordentlich wichtigen Frage befassen, auf welche Weise man den Strafrechtspraktiker am besten mit den zahlreichen Hilfswissenschaften vertraut machen könnte, die zur zielbewußter und zweckmäßigen Ausübung seines Berufes ihm mindestens ebenso nötig sind, wie die genaue Kenntnis aller Labyrinthe des materiellen und formellen Strafrechts. Immer allgemeiner wird die Erkenntnis, daß es so nicht weitergehen könne, daß endlich etwas getan werden müsse, um das theoretisch schon längst als notwendig Anerkannte nun auch energisch in die Praxis umzusetzen. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß heutzutage bei uns und in den meisten Kulturländern dem angehenden Strafrichter oder Staatsanwalt nicht genügend Hilfsmittel zu Gebote stehen, um sich in den strafrechtlichen Hilfs¬ wissenschaften so zu vervollkommnen, wie es das Interesse der Allgemeinheit an der Überführung und gerechten Bestrafung der Missetäter ebensowohl als an der Entlastung der zu Unrecht Verdächtigten erheischt. Wer die Vorlesungsverzeichnisse der juristischen Fakultäten durchgeht, wird nur gar selten auf die Ankündigung einer Vorlesung beispielsweise über foren¬ sische Psychologie oder über Kriminalätiologie, Gefängniskunde usw. treffen. Wie er gar Fußspuren, Fingerspuren oder andere Spuren sachgemäß verwerten kann, wie er vorgehen muß, um nicht wichtige Spuren zu verwischen oder gar zu fälschen, wann er etwa einen Meteorologen, einen Mikroskopiker. einen Folkloristen mit Nutzen heranziehen kann, was er von Gaunerzinken zu halten, wie er Geheimschriften beim Verkehr der Gefangenen mit der Außenwelt aus¬ findig machen kann, und noch vielerlei anderes, dessen Kenntnis dem Straf¬ rechtspraktiker so nötig ist wie das liebe Brot, dessen Nichtwissen schon in mehr als einem wichtigen Falle alle Anstrengungen der Justiz zuschanden gemacht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/286>, abgerufen am 27.07.2024.