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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Ariminalistische Institute

hat, alles dies kann der Rechtsbeflissene auf der Universität überhaupt nicht
lernen, wenigstens bei uns nicht.

Im Ausland finden sich allerdings hier und da kriminalistische Institute,
die unter verschiedenen Namen und unter verschiedener Begrenzung ihres
Wirkungskreises es gerade bezwecken, einen Sammelpunkt für diese kriminalistischen
Hilfswissenschaften zu bilden, die in dem alten Schema der juristischen Fakul¬
täten eine Stätte nicht gefunden haben. So haben die Professoren Dr. Reiß
in Lausanne, I)r. Ottolenghi in Rom und Dr. Jngegnieros in Buenos-Aires
derartige kriminalistische Institute eingerichtet, die sich ausgezeichnet bewährt
haben, sowohl als Bildungsstätten sür die künftigen Strafrechtspraktiker als auch
als sozusagen sachverständiges Auskunftsbureau für alle kriminalistischen Fragen,
welche in der Praxis auftauchen, und endlich auch als Ausgangspunkt wissen-
schaftlicher kriminalistischer Untersuchungen.

Kürzlich ist es auch in Österreich gelungen, das erste kriminalistische Institut
in diesem Sinne zu begründen. Der Leiter dieses Instituts ist der bekannte
Verfasser der "Kriminalpsychologie" und des "Handbuches für Untersuchungs¬
richter", Hans Groß, Lehrer des Strafrechts an der Universität zu Graz.
Seinen rastlosen Bemühungen ist es jetzt endlich gelungen, seine Lebensarbeit
dadurch zu krönen, daß er die Eröffnung des kriminalistischen Instituts durch¬
gesetzt hat. Möge es ihm vergönnt sein, noch recht zahlreiche Generationen
lernbeflissener junger Kollegen zu Strafrechtspraktikern zu erziehen, denen ihr
Beruf Erkleckliches mehr ist als "ein Jonglieren mit Paragraphen"?

Als Zweck des kriminalistischen Instituts bezeichnet Hans Groß in seinem
orientierender Überblick, "den Unterricht im Strafrecht durch Pflege der straf¬
rechtlichen Hilfswissenschaften und ihrer Realien auf breite, dem Leben ent¬
nommene Grundlage zu stellen, ihn der Wirklichkeit näher zu bringen und so
Interesse und Verständnis für das Strafrecht zu steigern."

Professor Groß liest in je einem Semester über Kriminalpsychologie,
Kriminalanthropologie, Kriminalistik und Kriminalstatistik. In einem Labora¬
torium werden mit den Studenten praktische Übungen vorgenommen, so z. B.
über Untersuchungen von Fälschungen, Konservierung von verkohltem Papier,
daktyloskopische Übungen usw. Das Laboratorium soll ferner für Untersuchungen
dienen, die auf Ersuchen von Gericht oder Staatsanwaltschaft in anhängigen
Strafprozessen angestellt werden, endlich auch zur Erzeugung und Beschaffung
von Gegenständen für das Kriminalmaseum.

In dem Kriminalmuseum befinden sich außerdem noch Gegenstände aus
erledigten Strafprozessen, die nach dieser oder jener Richtung hin lehrreich sind,
beispielsweise verletzte Knochen, Falsifikate aller Art, Brandlegungsapparate usw.
Daneben finden sich auch noch Muster von Anklagen, von Urkunden, von Augen¬
scheinsnahmen usw.

Eine umfangreiche Handbibliothek vervollständigt das kriminalistische Institut,
als dessen wissenschaftliches Organ das von Hans Groß begründete "Archiv für


Ariminalistische Institute

hat, alles dies kann der Rechtsbeflissene auf der Universität überhaupt nicht
lernen, wenigstens bei uns nicht.

Im Ausland finden sich allerdings hier und da kriminalistische Institute,
die unter verschiedenen Namen und unter verschiedener Begrenzung ihres
Wirkungskreises es gerade bezwecken, einen Sammelpunkt für diese kriminalistischen
Hilfswissenschaften zu bilden, die in dem alten Schema der juristischen Fakul¬
täten eine Stätte nicht gefunden haben. So haben die Professoren Dr. Reiß
in Lausanne, I)r. Ottolenghi in Rom und Dr. Jngegnieros in Buenos-Aires
derartige kriminalistische Institute eingerichtet, die sich ausgezeichnet bewährt
haben, sowohl als Bildungsstätten sür die künftigen Strafrechtspraktiker als auch
als sozusagen sachverständiges Auskunftsbureau für alle kriminalistischen Fragen,
welche in der Praxis auftauchen, und endlich auch als Ausgangspunkt wissen-
schaftlicher kriminalistischer Untersuchungen.

Kürzlich ist es auch in Österreich gelungen, das erste kriminalistische Institut
in diesem Sinne zu begründen. Der Leiter dieses Instituts ist der bekannte
Verfasser der „Kriminalpsychologie" und des „Handbuches für Untersuchungs¬
richter", Hans Groß, Lehrer des Strafrechts an der Universität zu Graz.
Seinen rastlosen Bemühungen ist es jetzt endlich gelungen, seine Lebensarbeit
dadurch zu krönen, daß er die Eröffnung des kriminalistischen Instituts durch¬
gesetzt hat. Möge es ihm vergönnt sein, noch recht zahlreiche Generationen
lernbeflissener junger Kollegen zu Strafrechtspraktikern zu erziehen, denen ihr
Beruf Erkleckliches mehr ist als „ein Jonglieren mit Paragraphen"?

Als Zweck des kriminalistischen Instituts bezeichnet Hans Groß in seinem
orientierender Überblick, „den Unterricht im Strafrecht durch Pflege der straf¬
rechtlichen Hilfswissenschaften und ihrer Realien auf breite, dem Leben ent¬
nommene Grundlage zu stellen, ihn der Wirklichkeit näher zu bringen und so
Interesse und Verständnis für das Strafrecht zu steigern."

Professor Groß liest in je einem Semester über Kriminalpsychologie,
Kriminalanthropologie, Kriminalistik und Kriminalstatistik. In einem Labora¬
torium werden mit den Studenten praktische Übungen vorgenommen, so z. B.
über Untersuchungen von Fälschungen, Konservierung von verkohltem Papier,
daktyloskopische Übungen usw. Das Laboratorium soll ferner für Untersuchungen
dienen, die auf Ersuchen von Gericht oder Staatsanwaltschaft in anhängigen
Strafprozessen angestellt werden, endlich auch zur Erzeugung und Beschaffung
von Gegenständen für das Kriminalmaseum.

In dem Kriminalmuseum befinden sich außerdem noch Gegenstände aus
erledigten Strafprozessen, die nach dieser oder jener Richtung hin lehrreich sind,
beispielsweise verletzte Knochen, Falsifikate aller Art, Brandlegungsapparate usw.
Daneben finden sich auch noch Muster von Anklagen, von Urkunden, von Augen¬
scheinsnahmen usw.

Eine umfangreiche Handbibliothek vervollständigt das kriminalistische Institut,
als dessen wissenschaftliches Organ das von Hans Groß begründete „Archiv für


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[0287] Ariminalistische Institute hat, alles dies kann der Rechtsbeflissene auf der Universität überhaupt nicht lernen, wenigstens bei uns nicht. Im Ausland finden sich allerdings hier und da kriminalistische Institute, die unter verschiedenen Namen und unter verschiedener Begrenzung ihres Wirkungskreises es gerade bezwecken, einen Sammelpunkt für diese kriminalistischen Hilfswissenschaften zu bilden, die in dem alten Schema der juristischen Fakul¬ täten eine Stätte nicht gefunden haben. So haben die Professoren Dr. Reiß in Lausanne, I)r. Ottolenghi in Rom und Dr. Jngegnieros in Buenos-Aires derartige kriminalistische Institute eingerichtet, die sich ausgezeichnet bewährt haben, sowohl als Bildungsstätten sür die künftigen Strafrechtspraktiker als auch als sozusagen sachverständiges Auskunftsbureau für alle kriminalistischen Fragen, welche in der Praxis auftauchen, und endlich auch als Ausgangspunkt wissen- schaftlicher kriminalistischer Untersuchungen. Kürzlich ist es auch in Österreich gelungen, das erste kriminalistische Institut in diesem Sinne zu begründen. Der Leiter dieses Instituts ist der bekannte Verfasser der „Kriminalpsychologie" und des „Handbuches für Untersuchungs¬ richter", Hans Groß, Lehrer des Strafrechts an der Universität zu Graz. Seinen rastlosen Bemühungen ist es jetzt endlich gelungen, seine Lebensarbeit dadurch zu krönen, daß er die Eröffnung des kriminalistischen Instituts durch¬ gesetzt hat. Möge es ihm vergönnt sein, noch recht zahlreiche Generationen lernbeflissener junger Kollegen zu Strafrechtspraktikern zu erziehen, denen ihr Beruf Erkleckliches mehr ist als „ein Jonglieren mit Paragraphen"? Als Zweck des kriminalistischen Instituts bezeichnet Hans Groß in seinem orientierender Überblick, „den Unterricht im Strafrecht durch Pflege der straf¬ rechtlichen Hilfswissenschaften und ihrer Realien auf breite, dem Leben ent¬ nommene Grundlage zu stellen, ihn der Wirklichkeit näher zu bringen und so Interesse und Verständnis für das Strafrecht zu steigern." Professor Groß liest in je einem Semester über Kriminalpsychologie, Kriminalanthropologie, Kriminalistik und Kriminalstatistik. In einem Labora¬ torium werden mit den Studenten praktische Übungen vorgenommen, so z. B. über Untersuchungen von Fälschungen, Konservierung von verkohltem Papier, daktyloskopische Übungen usw. Das Laboratorium soll ferner für Untersuchungen dienen, die auf Ersuchen von Gericht oder Staatsanwaltschaft in anhängigen Strafprozessen angestellt werden, endlich auch zur Erzeugung und Beschaffung von Gegenständen für das Kriminalmaseum. In dem Kriminalmuseum befinden sich außerdem noch Gegenstände aus erledigten Strafprozessen, die nach dieser oder jener Richtung hin lehrreich sind, beispielsweise verletzte Knochen, Falsifikate aller Art, Brandlegungsapparate usw. Daneben finden sich auch noch Muster von Anklagen, von Urkunden, von Augen¬ scheinsnahmen usw. Eine umfangreiche Handbibliothek vervollständigt das kriminalistische Institut, als dessen wissenschaftliches Organ das von Hans Groß begründete „Archiv für

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/287>, abgerufen am 27.07.2024.