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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

und des Landtags. Dann folgen die übrigen
deutschen Bundesstaaten, Parteibewegung und
Arbeiterbewegung. Dem schließen sich zunächst
die auswärtigen Staaten Europas, voran
die Großmächte, an; den Schluß bilden Per¬
sien, China und Japan, die Staaten Nord-
uud Südamerikas, Australien und Afrika.
Besonders dankenswerte Zugaben sind anch
die Abschnitte über Handel und Verkehr,
Verschiedenes und die Totenliste. Mit gleicher
Sorgfalt werden innere wie äußere Ereignisse
verfolgt und dabei wichtige Aktenstücke regel¬
mäßig, z. B. die Etats der Großmächte,
Gesetze, Zeitungsartikel wörtlich mitgeteilt,
so daß z. B. der Kampf um das Jesuiten¬
gesetz, der Fall Traub, Gesetze wie die Reichs-
oersicherungsordnung, die Verhandlungen
über das Reichspetroleummonopol und das
Reichstheatergesetz zur Geltung kommen,
Lebensmittelteuerung und Fleischnot sich
ebenso verfolgen lassen wie die Erneuerung
des Dreibundes oder die Ereignisse auf dein
Balkan. Alles in allem kann also das alte
Unternehmen in seiner erneuerten Gestalt allen
Interessenten warm empfohlen werden.

Dr. Gelo Kaommel
Tagesfragen
Wchrstencrund Beitragder "TotcnHmid".

Wenn das deutsche Volk sich zu dem Opfer,
das ihm mit der Wehrsteuer zugemutet wird,
trotz deren Höhe mit einem anerkennenswerten
Verständnis bereit gefunden hat, so mag da¬
bei nicht zuletzt der Hinweis auf die Opfer¬
willigkeit der Generation von 1813, deren
große Tage wir jetzt rückerinnernd feiern, bei¬
getragen haben. Man hat Wohl in weiten
Kreisen die Empfindung, wir wollen hinter
diesen Ahnen, die doch so arm, so ausge¬
plündert und zertreten waren, bei unserer
heutigen Wohlhabenheit nicht zurückstehen.
Dann ist es aber auch begreiflich, daß von
verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen
worden ist, warum die Kirchen aller Kon¬
fessionen bei dieser Steuer des ganzen Volkes,
an welcher sich sogar die nicht steuerpflichtigen
Fürsten beteiligen, zögernd beiseite stehen.
Ich vermag nicht zu beurteilen, wie viele der
deutschen Kirchengemeinden wohlhabend genug
sind, um eine solche Steuer zu trage", ich
will auch die Frage nicht lösen, ob hier besser
eine gesetzlich erzwingbare Leistung oder el"e

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freiwillige Gilde, wie die von den Fürsten zu
erwartende, am Platze wäre, ich will nur die
historische Erinnerung auffrischen, daß die
erste Patriotische Gabe, über welche Heult in
den Zeitungen 1813 öffentlich quittierte, von
der katholischen Kirchengemeinde zu Marien¬
burg in Westpreußen ausging. Schon kurz
nach Neujahr 1813 und lange bevor die frei¬
willigen Jäger ausgerüstet wurden, stellte
diese Gemeinde alles entbehrliche Silberzeug
ihrer Kirche, etwa 100 Kölnische Mark, dem
Staate zur Verfügung. Ihr Beispiel fand
bei anderen Kirchengemeinden Preußens eifrige
Nachahmung.

Wo ist heute die evangelische oder katho¬
lische Kirchen- oder die Synngogengemeinde,
welche sich den Ruhm der Marienburger ka¬
tholischen Kirchengemeinde erwirbt, als Erste
beigesteuert und damit für die Verwalter des
Gutes der "Toten Hand" vorbildlich gewirkt
zu haben?

Strafjustiz und Detektiv.

Der vermeint¬
liche Mord ein den: Obersekundnner in
Charlottenburg hat dem Publikum -- solange
es an die Entdeckung eines Mordes glauben
durfte -- Veranlassung gegeben, Vergleiche
zwischen den Ermittlungen der Staatsbehörden
und des Detektivs anzustellen, die natürlich
zugunsten der Findigkeit des letztere" aus¬
fielen. Dabei übersah das Publikum nur
eins, daß der Detektiv mit Mitteln ge¬
arbeitet hat, welche einem die Entscheidung
schwer machten, ob man mehr Befriedigung
über die vermeintliche Entdeckung des Mordes
oder mehr Mißbehagen über den Weg, der
zu dieser "Entdeckung" geführt hat, empfinden
sollte.

Gewiß, ein Detektiv wird häufig darauf
angewiesen sein, sich in daS Vertrauen des
zu entlarvenden Verbrechers einzuschleichen,
aber die Vorstellung, daß er, um daS Ver¬
trauen eines jungen Mädchens zu gewinnen,
nicht nur Liebe heuchelt, sondern sich auch
offiziell mit ihr verlobt und dadurch neben
dem vielleicht wenig schonenswcrten Mäd¬
chen, zugleich auch deren gesamte völlig
unschuldige Familie täuscht, daß er in einem
Hause von alten Eltern mit offene" Arme"
als Schwiegersoh" empfangen wird, während
er im Hintergründe bloß die Absicht hegt,
die Tochter dieser Eller" z" eiiilarve" u"d
damit Schande, "icht mir über daS Mädchen,

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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und des Landtags. Dann folgen die übrigen
deutschen Bundesstaaten, Parteibewegung und
Arbeiterbewegung. Dem schließen sich zunächst
die auswärtigen Staaten Europas, voran
die Großmächte, an; den Schluß bilden Per¬
sien, China und Japan, die Staaten Nord-
uud Südamerikas, Australien und Afrika.
Besonders dankenswerte Zugaben sind anch
die Abschnitte über Handel und Verkehr,
Verschiedenes und die Totenliste. Mit gleicher
Sorgfalt werden innere wie äußere Ereignisse
verfolgt und dabei wichtige Aktenstücke regel¬
mäßig, z. B. die Etats der Großmächte,
Gesetze, Zeitungsartikel wörtlich mitgeteilt,
so daß z. B. der Kampf um das Jesuiten¬
gesetz, der Fall Traub, Gesetze wie die Reichs-
oersicherungsordnung, die Verhandlungen
über das Reichspetroleummonopol und das
Reichstheatergesetz zur Geltung kommen,
Lebensmittelteuerung und Fleischnot sich
ebenso verfolgen lassen wie die Erneuerung
des Dreibundes oder die Ereignisse auf dein
Balkan. Alles in allem kann also das alte
Unternehmen in seiner erneuerten Gestalt allen
Interessenten warm empfohlen werden.

Dr. Gelo Kaommel
Tagesfragen
Wchrstencrund Beitragder „TotcnHmid".

Wenn das deutsche Volk sich zu dem Opfer,
das ihm mit der Wehrsteuer zugemutet wird,
trotz deren Höhe mit einem anerkennenswerten
Verständnis bereit gefunden hat, so mag da¬
bei nicht zuletzt der Hinweis auf die Opfer¬
willigkeit der Generation von 1813, deren
große Tage wir jetzt rückerinnernd feiern, bei¬
getragen haben. Man hat Wohl in weiten
Kreisen die Empfindung, wir wollen hinter
diesen Ahnen, die doch so arm, so ausge¬
plündert und zertreten waren, bei unserer
heutigen Wohlhabenheit nicht zurückstehen.
Dann ist es aber auch begreiflich, daß von
verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen
worden ist, warum die Kirchen aller Kon¬
fessionen bei dieser Steuer des ganzen Volkes,
an welcher sich sogar die nicht steuerpflichtigen
Fürsten beteiligen, zögernd beiseite stehen.
Ich vermag nicht zu beurteilen, wie viele der
deutschen Kirchengemeinden wohlhabend genug
sind, um eine solche Steuer zu trage», ich
will auch die Frage nicht lösen, ob hier besser
eine gesetzlich erzwingbare Leistung oder el»e

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freiwillige Gilde, wie die von den Fürsten zu
erwartende, am Platze wäre, ich will nur die
historische Erinnerung auffrischen, daß die
erste Patriotische Gabe, über welche Heult in
den Zeitungen 1813 öffentlich quittierte, von
der katholischen Kirchengemeinde zu Marien¬
burg in Westpreußen ausging. Schon kurz
nach Neujahr 1813 und lange bevor die frei¬
willigen Jäger ausgerüstet wurden, stellte
diese Gemeinde alles entbehrliche Silberzeug
ihrer Kirche, etwa 100 Kölnische Mark, dem
Staate zur Verfügung. Ihr Beispiel fand
bei anderen Kirchengemeinden Preußens eifrige
Nachahmung.

Wo ist heute die evangelische oder katho¬
lische Kirchen- oder die Synngogengemeinde,
welche sich den Ruhm der Marienburger ka¬
tholischen Kirchengemeinde erwirbt, als Erste
beigesteuert und damit für die Verwalter des
Gutes der „Toten Hand" vorbildlich gewirkt
zu haben?

Strafjustiz und Detektiv.

Der vermeint¬
liche Mord ein den: Obersekundnner in
Charlottenburg hat dem Publikum — solange
es an die Entdeckung eines Mordes glauben
durfte — Veranlassung gegeben, Vergleiche
zwischen den Ermittlungen der Staatsbehörden
und des Detektivs anzustellen, die natürlich
zugunsten der Findigkeit des letztere» aus¬
fielen. Dabei übersah das Publikum nur
eins, daß der Detektiv mit Mitteln ge¬
arbeitet hat, welche einem die Entscheidung
schwer machten, ob man mehr Befriedigung
über die vermeintliche Entdeckung des Mordes
oder mehr Mißbehagen über den Weg, der
zu dieser „Entdeckung" geführt hat, empfinden
sollte.

Gewiß, ein Detektiv wird häufig darauf
angewiesen sein, sich in daS Vertrauen des
zu entlarvenden Verbrechers einzuschleichen,
aber die Vorstellung, daß er, um daS Ver¬
trauen eines jungen Mädchens zu gewinnen,
nicht nur Liebe heuchelt, sondern sich auch
offiziell mit ihr verlobt und dadurch neben
dem vielleicht wenig schonenswcrten Mäd¬
chen, zugleich auch deren gesamte völlig
unschuldige Familie täuscht, daß er in einem
Hause von alten Eltern mit offene» Arme»
als Schwiegersoh» empfangen wird, während
er im Hintergründe bloß die Absicht hegt,
die Tochter dieser Eller» z» eiiilarve» u»d
damit Schande, »icht mir über daS Mädchen,

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[0211] Maßgebliches und Unmaßgebliches und des Landtags. Dann folgen die übrigen deutschen Bundesstaaten, Parteibewegung und Arbeiterbewegung. Dem schließen sich zunächst die auswärtigen Staaten Europas, voran die Großmächte, an; den Schluß bilden Per¬ sien, China und Japan, die Staaten Nord- uud Südamerikas, Australien und Afrika. Besonders dankenswerte Zugaben sind anch die Abschnitte über Handel und Verkehr, Verschiedenes und die Totenliste. Mit gleicher Sorgfalt werden innere wie äußere Ereignisse verfolgt und dabei wichtige Aktenstücke regel¬ mäßig, z. B. die Etats der Großmächte, Gesetze, Zeitungsartikel wörtlich mitgeteilt, so daß z. B. der Kampf um das Jesuiten¬ gesetz, der Fall Traub, Gesetze wie die Reichs- oersicherungsordnung, die Verhandlungen über das Reichspetroleummonopol und das Reichstheatergesetz zur Geltung kommen, Lebensmittelteuerung und Fleischnot sich ebenso verfolgen lassen wie die Erneuerung des Dreibundes oder die Ereignisse auf dein Balkan. Alles in allem kann also das alte Unternehmen in seiner erneuerten Gestalt allen Interessenten warm empfohlen werden. Dr. Gelo Kaommel Tagesfragen Wchrstencrund Beitragder „TotcnHmid". Wenn das deutsche Volk sich zu dem Opfer, das ihm mit der Wehrsteuer zugemutet wird, trotz deren Höhe mit einem anerkennenswerten Verständnis bereit gefunden hat, so mag da¬ bei nicht zuletzt der Hinweis auf die Opfer¬ willigkeit der Generation von 1813, deren große Tage wir jetzt rückerinnernd feiern, bei¬ getragen haben. Man hat Wohl in weiten Kreisen die Empfindung, wir wollen hinter diesen Ahnen, die doch so arm, so ausge¬ plündert und zertreten waren, bei unserer heutigen Wohlhabenheit nicht zurückstehen. Dann ist es aber auch begreiflich, daß von verschiedenen Seiten die Frage aufgeworfen worden ist, warum die Kirchen aller Kon¬ fessionen bei dieser Steuer des ganzen Volkes, an welcher sich sogar die nicht steuerpflichtigen Fürsten beteiligen, zögernd beiseite stehen. Ich vermag nicht zu beurteilen, wie viele der deutschen Kirchengemeinden wohlhabend genug sind, um eine solche Steuer zu trage», ich will auch die Frage nicht lösen, ob hier besser eine gesetzlich erzwingbare Leistung oder el»e freiwillige Gilde, wie die von den Fürsten zu erwartende, am Platze wäre, ich will nur die historische Erinnerung auffrischen, daß die erste Patriotische Gabe, über welche Heult in den Zeitungen 1813 öffentlich quittierte, von der katholischen Kirchengemeinde zu Marien¬ burg in Westpreußen ausging. Schon kurz nach Neujahr 1813 und lange bevor die frei¬ willigen Jäger ausgerüstet wurden, stellte diese Gemeinde alles entbehrliche Silberzeug ihrer Kirche, etwa 100 Kölnische Mark, dem Staate zur Verfügung. Ihr Beispiel fand bei anderen Kirchengemeinden Preußens eifrige Nachahmung. Wo ist heute die evangelische oder katho¬ lische Kirchen- oder die Synngogengemeinde, welche sich den Ruhm der Marienburger ka¬ tholischen Kirchengemeinde erwirbt, als Erste beigesteuert und damit für die Verwalter des Gutes der „Toten Hand" vorbildlich gewirkt zu haben? Strafjustiz und Detektiv. Der vermeint¬ liche Mord ein den: Obersekundnner in Charlottenburg hat dem Publikum — solange es an die Entdeckung eines Mordes glauben durfte — Veranlassung gegeben, Vergleiche zwischen den Ermittlungen der Staatsbehörden und des Detektivs anzustellen, die natürlich zugunsten der Findigkeit des letztere» aus¬ fielen. Dabei übersah das Publikum nur eins, daß der Detektiv mit Mitteln ge¬ arbeitet hat, welche einem die Entscheidung schwer machten, ob man mehr Befriedigung über die vermeintliche Entdeckung des Mordes oder mehr Mißbehagen über den Weg, der zu dieser „Entdeckung" geführt hat, empfinden sollte. Gewiß, ein Detektiv wird häufig darauf angewiesen sein, sich in daS Vertrauen des zu entlarvenden Verbrechers einzuschleichen, aber die Vorstellung, daß er, um daS Ver¬ trauen eines jungen Mädchens zu gewinnen, nicht nur Liebe heuchelt, sondern sich auch offiziell mit ihr verlobt und dadurch neben dem vielleicht wenig schonenswcrten Mäd¬ chen, zugleich auch deren gesamte völlig unschuldige Familie täuscht, daß er in einem Hause von alten Eltern mit offene» Arme» als Schwiegersoh» empfangen wird, während er im Hintergründe bloß die Absicht hegt, die Tochter dieser Eller» z» eiiilarve» u»d damit Schande, »icht mir über daS Mädchen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_325519/211>, abgerufen am 30.12.2024.