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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Amerikanisches
Bebend forscht der große Zar:
Weib, mein Weib, was ist geschehen?
-- Hast du nicht den Türk gesehen?
Sieh mich hier zum Himmel flehen.
Mein Gebieter, edler Zar,
Zuck dein Schwert, frag nicht was war..
Lange blickt sie an der Zar,
Sieht die Stirn, die starre bleiche,
Sieht die Hand, die feine weiche,
Zieht sein Schwert zum letzten Streiche,
Jäher, der Bulgarenzar.
Traure, stolzer Königsaar.



Amerikanisches

as Interesse an den politischen und wirtschaftlichen Fragen, welche
die Vereinigten Staaten bewegen, ist in Europa etwas in den
Hintergrund getreten, seitdem der alte Kontinent mit seinen
eigenen Angelegenheiten mehr als genug zu tun hat. Noch vor
einigen Jahren war der Gang des Wirtschaftslebens in der Union
ziemlich ausschlaggebend für die Konjunktur diesseits des Atlantischen Ozeans.
Nichts wurde eifriger studiert und mehr gefürchtet als die "amerikanische Gefahr",
welche unserer Industrie von feiten der unternehmungslustigen Uankees drohen
sollte, nicht sowohl in dem durch Zollmauern sorglich geschützten Inlande, als
auf den dem freien Wettbewerb ausgesetzten Weltmarkt. Zu jenen Zeiten war
die Newyorker Börse ausschlaggebend für die Stimmung in London und Paris
nicht minder, als in Berlin. Nach den Operationen der Trustmagnaten und
ihren Launen regelte man sorgfältig die eigene Tendenz; man sah die Welt in
rosenroter Schminke, wenn es ihnen gefiel, die Kurse in Wallstreet in die Höhe
zu setzen und ließ die Ohren hängen, wenn aus irgendwelchen hier nicht ver¬
ständlichen Gründen dort ein Börsenschreck inszeniert wurde, der persönlich nur
dazu diente, die Mitläufer abzuschütteln und von neuem freie Bahn zu gewinnen.
Seit der letzten Krisis ist es von der amerikanischen Gefahr still geworden.
Das böse Jahr 1907 hatte dem amerikanischen Wirtschaftsleben einen argen
Stoß versetzt. Die Erschütterung war drüben stärker, vernichtender, als bei
uns, wo die bessere Organisation der wirtschaftlichen Kräfte einen wirksamen
Damm gegen die zerstörende Flut bildete. Und in den letzten fünf Jahren,


Amerikanisches
Bebend forscht der große Zar:
Weib, mein Weib, was ist geschehen?
— Hast du nicht den Türk gesehen?
Sieh mich hier zum Himmel flehen.
Mein Gebieter, edler Zar,
Zuck dein Schwert, frag nicht was war..
Lange blickt sie an der Zar,
Sieht die Stirn, die starre bleiche,
Sieht die Hand, die feine weiche,
Zieht sein Schwert zum letzten Streiche,
Jäher, der Bulgarenzar.
Traure, stolzer Königsaar.



Amerikanisches

as Interesse an den politischen und wirtschaftlichen Fragen, welche
die Vereinigten Staaten bewegen, ist in Europa etwas in den
Hintergrund getreten, seitdem der alte Kontinent mit seinen
eigenen Angelegenheiten mehr als genug zu tun hat. Noch vor
einigen Jahren war der Gang des Wirtschaftslebens in der Union
ziemlich ausschlaggebend für die Konjunktur diesseits des Atlantischen Ozeans.
Nichts wurde eifriger studiert und mehr gefürchtet als die „amerikanische Gefahr",
welche unserer Industrie von feiten der unternehmungslustigen Uankees drohen
sollte, nicht sowohl in dem durch Zollmauern sorglich geschützten Inlande, als
auf den dem freien Wettbewerb ausgesetzten Weltmarkt. Zu jenen Zeiten war
die Newyorker Börse ausschlaggebend für die Stimmung in London und Paris
nicht minder, als in Berlin. Nach den Operationen der Trustmagnaten und
ihren Launen regelte man sorgfältig die eigene Tendenz; man sah die Welt in
rosenroter Schminke, wenn es ihnen gefiel, die Kurse in Wallstreet in die Höhe
zu setzen und ließ die Ohren hängen, wenn aus irgendwelchen hier nicht ver¬
ständlichen Gründen dort ein Börsenschreck inszeniert wurde, der persönlich nur
dazu diente, die Mitläufer abzuschütteln und von neuem freie Bahn zu gewinnen.
Seit der letzten Krisis ist es von der amerikanischen Gefahr still geworden.
Das böse Jahr 1907 hatte dem amerikanischen Wirtschaftsleben einen argen
Stoß versetzt. Die Erschütterung war drüben stärker, vernichtender, als bei
uns, wo die bessere Organisation der wirtschaftlichen Kräfte einen wirksamen
Damm gegen die zerstörende Flut bildete. Und in den letzten fünf Jahren,


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[0585] Amerikanisches Bebend forscht der große Zar: Weib, mein Weib, was ist geschehen? — Hast du nicht den Türk gesehen? Sieh mich hier zum Himmel flehen. Mein Gebieter, edler Zar, Zuck dein Schwert, frag nicht was war.. Lange blickt sie an der Zar, Sieht die Stirn, die starre bleiche, Sieht die Hand, die feine weiche, Zieht sein Schwert zum letzten Streiche, Jäher, der Bulgarenzar. Traure, stolzer Königsaar. Amerikanisches as Interesse an den politischen und wirtschaftlichen Fragen, welche die Vereinigten Staaten bewegen, ist in Europa etwas in den Hintergrund getreten, seitdem der alte Kontinent mit seinen eigenen Angelegenheiten mehr als genug zu tun hat. Noch vor einigen Jahren war der Gang des Wirtschaftslebens in der Union ziemlich ausschlaggebend für die Konjunktur diesseits des Atlantischen Ozeans. Nichts wurde eifriger studiert und mehr gefürchtet als die „amerikanische Gefahr", welche unserer Industrie von feiten der unternehmungslustigen Uankees drohen sollte, nicht sowohl in dem durch Zollmauern sorglich geschützten Inlande, als auf den dem freien Wettbewerb ausgesetzten Weltmarkt. Zu jenen Zeiten war die Newyorker Börse ausschlaggebend für die Stimmung in London und Paris nicht minder, als in Berlin. Nach den Operationen der Trustmagnaten und ihren Launen regelte man sorgfältig die eigene Tendenz; man sah die Welt in rosenroter Schminke, wenn es ihnen gefiel, die Kurse in Wallstreet in die Höhe zu setzen und ließ die Ohren hängen, wenn aus irgendwelchen hier nicht ver¬ ständlichen Gründen dort ein Börsenschreck inszeniert wurde, der persönlich nur dazu diente, die Mitläufer abzuschütteln und von neuem freie Bahn zu gewinnen. Seit der letzten Krisis ist es von der amerikanischen Gefahr still geworden. Das böse Jahr 1907 hatte dem amerikanischen Wirtschaftsleben einen argen Stoß versetzt. Die Erschütterung war drüben stärker, vernichtender, als bei uns, wo die bessere Organisation der wirtschaftlichen Kräfte einen wirksamen Damm gegen die zerstörende Flut bildete. Und in den letzten fünf Jahren,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/585>, abgerufen am 22.07.2024.