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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Ziele und Ergebnisse der Natnrschutzbewcgnng

die jährlich das Vaterland mit einer neuen Heimat vertauschten, am liebsten
reaktionär in der staatlichen Kontrolle der Auswanderer. Beide Extreme sind
unangebracht. Weder das passive Verhalten gegen Volksgenossen, deren National¬
charakter erhalten werden soll, noch das repressive Vorgehen gegen Leute, die
tausend Gründe zwingen können, die Heimat zu verlassen, ist dabei am Platze.
Bismarck war zu alt, um hier noch umlernen und seinen altprenßisch-natio¬
nalen Gesichtspunkt dem weltpolitischen vermählen zu können.




Ziele und Ergebnisse der Naturschutzbewegung
Julius R. Haarhans v on in

le Ausbreitung der Kultur, die Zunahme der Bevölkerung und
das daraus entspringende Bestreben, jeden Erdenfleck und jeden
Wasserlauf dem Menschen nutzbar zu machen, haben eine Um¬
gestaltung der Erdoberfläche hervorgebracht, die nicht ohne tief¬
gehende Einwirkung auf den landschaftlichen Charakter, aus
Pflanzen- und Tierwelt fast aller von Menschen bewohnten Gebiete unseres
Planeten geblieben ist. Allenthalben herrscht das Nützlichkeitsprinzip: Ödland¬
flächen werden unter den Pflug genommen, Feldgehölze und Hecken gerötet,
urwüchsige Wälder in gleichförmige, nüchterne Forstbestände umgewandelt,
Ströme und Flüsse reguliert, Wildwasser gebändigt, Quellen gefaßt, Moore
und Sümpfe trockengelegt. Immer weiter greifen die Steinlabyrinthe der Gro߬
städte in die freie Natur hinein, immer enger spinnt sich das Netz der Schienen¬
wege und Straßen über das weite Land, stille Gebirgstäler verwandeln sich in
Staubecken, und wie die Technik immer tiefer in den Schoß der Erde dringt,
so fressen Spitzhacke und Dynamik immer größere Scharten in die Konturen
der Berge. Zu diesen mechanischen Einwirkungen gesellen sich mancherlei
chemische. Wie der Rauch der Großstädte die Luft, so verpesten die Abwässer
der Industrie die Flüsse, und mit den künstliche,' Düngemitteln der modernen
Landwirtschaft dringen fremde Stoffe in die Ackerkrume.

In demselben Maße, wie die Kultur sich ausbreitet, gehen Pflanzen- und
Tierwelt zurück. Zahlreiche Arten, die vor zwei oder drei Jahrzehnten noch
häufig waren, sind selten geworden oder ganz verschwunden, und der einseitigen
und dabei meist auf irrigen Anschauungen beruhenden Hervorkehrung des Nütz¬
lichkeitsprinzips in Landwirtschaft und Jagdbetrieb fallen alljährlich weitere zum
Opfer.


Grenzboten I 1913 3
Ziele und Ergebnisse der Natnrschutzbewcgnng

die jährlich das Vaterland mit einer neuen Heimat vertauschten, am liebsten
reaktionär in der staatlichen Kontrolle der Auswanderer. Beide Extreme sind
unangebracht. Weder das passive Verhalten gegen Volksgenossen, deren National¬
charakter erhalten werden soll, noch das repressive Vorgehen gegen Leute, die
tausend Gründe zwingen können, die Heimat zu verlassen, ist dabei am Platze.
Bismarck war zu alt, um hier noch umlernen und seinen altprenßisch-natio¬
nalen Gesichtspunkt dem weltpolitischen vermählen zu können.




Ziele und Ergebnisse der Naturschutzbewegung
Julius R. Haarhans v on in

le Ausbreitung der Kultur, die Zunahme der Bevölkerung und
das daraus entspringende Bestreben, jeden Erdenfleck und jeden
Wasserlauf dem Menschen nutzbar zu machen, haben eine Um¬
gestaltung der Erdoberfläche hervorgebracht, die nicht ohne tief¬
gehende Einwirkung auf den landschaftlichen Charakter, aus
Pflanzen- und Tierwelt fast aller von Menschen bewohnten Gebiete unseres
Planeten geblieben ist. Allenthalben herrscht das Nützlichkeitsprinzip: Ödland¬
flächen werden unter den Pflug genommen, Feldgehölze und Hecken gerötet,
urwüchsige Wälder in gleichförmige, nüchterne Forstbestände umgewandelt,
Ströme und Flüsse reguliert, Wildwasser gebändigt, Quellen gefaßt, Moore
und Sümpfe trockengelegt. Immer weiter greifen die Steinlabyrinthe der Gro߬
städte in die freie Natur hinein, immer enger spinnt sich das Netz der Schienen¬
wege und Straßen über das weite Land, stille Gebirgstäler verwandeln sich in
Staubecken, und wie die Technik immer tiefer in den Schoß der Erde dringt,
so fressen Spitzhacke und Dynamik immer größere Scharten in die Konturen
der Berge. Zu diesen mechanischen Einwirkungen gesellen sich mancherlei
chemische. Wie der Rauch der Großstädte die Luft, so verpesten die Abwässer
der Industrie die Flüsse, und mit den künstliche,' Düngemitteln der modernen
Landwirtschaft dringen fremde Stoffe in die Ackerkrume.

In demselben Maße, wie die Kultur sich ausbreitet, gehen Pflanzen- und
Tierwelt zurück. Zahlreiche Arten, die vor zwei oder drei Jahrzehnten noch
häufig waren, sind selten geworden oder ganz verschwunden, und der einseitigen
und dabei meist auf irrigen Anschauungen beruhenden Hervorkehrung des Nütz¬
lichkeitsprinzips in Landwirtschaft und Jagdbetrieb fallen alljährlich weitere zum
Opfer.


Grenzboten I 1913 3
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[0045] Ziele und Ergebnisse der Natnrschutzbewcgnng die jährlich das Vaterland mit einer neuen Heimat vertauschten, am liebsten reaktionär in der staatlichen Kontrolle der Auswanderer. Beide Extreme sind unangebracht. Weder das passive Verhalten gegen Volksgenossen, deren National¬ charakter erhalten werden soll, noch das repressive Vorgehen gegen Leute, die tausend Gründe zwingen können, die Heimat zu verlassen, ist dabei am Platze. Bismarck war zu alt, um hier noch umlernen und seinen altprenßisch-natio¬ nalen Gesichtspunkt dem weltpolitischen vermählen zu können. Ziele und Ergebnisse der Naturschutzbewegung Julius R. Haarhans v on in le Ausbreitung der Kultur, die Zunahme der Bevölkerung und das daraus entspringende Bestreben, jeden Erdenfleck und jeden Wasserlauf dem Menschen nutzbar zu machen, haben eine Um¬ gestaltung der Erdoberfläche hervorgebracht, die nicht ohne tief¬ gehende Einwirkung auf den landschaftlichen Charakter, aus Pflanzen- und Tierwelt fast aller von Menschen bewohnten Gebiete unseres Planeten geblieben ist. Allenthalben herrscht das Nützlichkeitsprinzip: Ödland¬ flächen werden unter den Pflug genommen, Feldgehölze und Hecken gerötet, urwüchsige Wälder in gleichförmige, nüchterne Forstbestände umgewandelt, Ströme und Flüsse reguliert, Wildwasser gebändigt, Quellen gefaßt, Moore und Sümpfe trockengelegt. Immer weiter greifen die Steinlabyrinthe der Gro߬ städte in die freie Natur hinein, immer enger spinnt sich das Netz der Schienen¬ wege und Straßen über das weite Land, stille Gebirgstäler verwandeln sich in Staubecken, und wie die Technik immer tiefer in den Schoß der Erde dringt, so fressen Spitzhacke und Dynamik immer größere Scharten in die Konturen der Berge. Zu diesen mechanischen Einwirkungen gesellen sich mancherlei chemische. Wie der Rauch der Großstädte die Luft, so verpesten die Abwässer der Industrie die Flüsse, und mit den künstliche,' Düngemitteln der modernen Landwirtschaft dringen fremde Stoffe in die Ackerkrume. In demselben Maße, wie die Kultur sich ausbreitet, gehen Pflanzen- und Tierwelt zurück. Zahlreiche Arten, die vor zwei oder drei Jahrzehnten noch häufig waren, sind selten geworden oder ganz verschwunden, und der einseitigen und dabei meist auf irrigen Anschauungen beruhenden Hervorkehrung des Nütz¬ lichkeitsprinzips in Landwirtschaft und Jagdbetrieb fallen alljährlich weitere zum Opfer. Grenzboten I 1913 3

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/45>, abgerufen am 22.12.2024.