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Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr.

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Neu-'Kamerun

Vormundschaft wird hier zunächst nach ihrer besseren rechtlichen Gestaltung zu
streben haben und sich bemühen müssen, die Vormundschaft zur Sicherung und
Durchführung ihrer erziehlichen und fürsorglichen Aufgaben auszunutzen. Vor¬
bilder hierfür besitzen wir z. B. in Holland. Dort haben eine ganze Reihe
von Vereinen und Anstalten besondere Anerkennung gefunden, so daß ihnen die
Vormundschaft für Kinder, die öffentlich erziehungsbedürftig sind, überwiesen
werden kann. Dort kann also die Zwangserziehung in der Art durchgeführt
werden, daß Kinder der Vormundschaft dieser Vereine überwiesen werden, was
mir sehr beachtenswert erscheint. Jedoch schon in der Form der Sammel¬
vormundschaft bietet die Berufsvormundschaft der Vereinsarbeit sehr wesentliche
Vorzüge, indem sie ihr eine rechtliche Sicherung ihrer Arbeit ermöglicht. Die
Vereinsarbeit für gefährdete Jugendliche findet viel richtiger hier ihren Platz als
in einer Anlehnung an das Straftecht und den Strafrichter, denen Erziehungs¬
fragen ganz fernliegen.

Das wachsende Verantwortlichkeitsgefühl, das unseren Jugendlichen gegen¬
über in immer größerem Maße zur Geltung kommt, weil wir uns der Auf¬
gaben der Erziehung klarer bewußt werden -- nicht weil die Jugendlichen so
wesentlich schlechter geworden sind -- findet in der Berufsvormundichaft seinen
schönsten und besten Ausdruck. Vormundschaft ist -- um es nochmals in wenigen
Sätzen zusammenzufassen -- Auswahl und Leitung der Erziehung. Diese ist
heutzutage nur möglich in Form einer Organisation, ein einzelner ist ihren
vielfältigen Aufgaben nicht mehr gewachsen. So entsteht die organisierte Vor¬
mundschaft, die Berufsvormundschaft als notwendige Fortbildung der älteren
Vormundschaftsform und als Mittelpunkt für den modernen Ausbau unserer
Kinder- und Jugendfürsorge öffentlicher und privater Art.




Neu-Aamerun

> le Beratung des Kolonialetats im Reichstag wird vermutlich das
zurzeit durch die Balkanwirren ganz in Anspruch genommene
öffentliche Interesse wieder den Kameruner Neuerwerbungen zu¬
wenden.

Seit dem Abschluß des Marokko-Kongovertrages ist manches
geschehen, um das Urteil über unseren kolonialen Gebietszuwachs unbefangener
und sachlicher zu gestalten, als es im November v. I. der Fall war. Da
ist zunächst die Berner Konferenz, deren Ergebnisse in der Öffentlichkeit bisher
nicht die ihnen zukommende Beachtung gefunden haben. Vielleicht war es


Neu-'Kamerun

Vormundschaft wird hier zunächst nach ihrer besseren rechtlichen Gestaltung zu
streben haben und sich bemühen müssen, die Vormundschaft zur Sicherung und
Durchführung ihrer erziehlichen und fürsorglichen Aufgaben auszunutzen. Vor¬
bilder hierfür besitzen wir z. B. in Holland. Dort haben eine ganze Reihe
von Vereinen und Anstalten besondere Anerkennung gefunden, so daß ihnen die
Vormundschaft für Kinder, die öffentlich erziehungsbedürftig sind, überwiesen
werden kann. Dort kann also die Zwangserziehung in der Art durchgeführt
werden, daß Kinder der Vormundschaft dieser Vereine überwiesen werden, was
mir sehr beachtenswert erscheint. Jedoch schon in der Form der Sammel¬
vormundschaft bietet die Berufsvormundschaft der Vereinsarbeit sehr wesentliche
Vorzüge, indem sie ihr eine rechtliche Sicherung ihrer Arbeit ermöglicht. Die
Vereinsarbeit für gefährdete Jugendliche findet viel richtiger hier ihren Platz als
in einer Anlehnung an das Straftecht und den Strafrichter, denen Erziehungs¬
fragen ganz fernliegen.

Das wachsende Verantwortlichkeitsgefühl, das unseren Jugendlichen gegen¬
über in immer größerem Maße zur Geltung kommt, weil wir uns der Auf¬
gaben der Erziehung klarer bewußt werden — nicht weil die Jugendlichen so
wesentlich schlechter geworden sind — findet in der Berufsvormundichaft seinen
schönsten und besten Ausdruck. Vormundschaft ist — um es nochmals in wenigen
Sätzen zusammenzufassen — Auswahl und Leitung der Erziehung. Diese ist
heutzutage nur möglich in Form einer Organisation, ein einzelner ist ihren
vielfältigen Aufgaben nicht mehr gewachsen. So entsteht die organisierte Vor¬
mundschaft, die Berufsvormundschaft als notwendige Fortbildung der älteren
Vormundschaftsform und als Mittelpunkt für den modernen Ausbau unserer
Kinder- und Jugendfürsorge öffentlicher und privater Art.




Neu-Aamerun

> le Beratung des Kolonialetats im Reichstag wird vermutlich das
zurzeit durch die Balkanwirren ganz in Anspruch genommene
öffentliche Interesse wieder den Kameruner Neuerwerbungen zu¬
wenden.

Seit dem Abschluß des Marokko-Kongovertrages ist manches
geschehen, um das Urteil über unseren kolonialen Gebietszuwachs unbefangener
und sachlicher zu gestalten, als es im November v. I. der Fall war. Da
ist zunächst die Berner Konferenz, deren Ergebnisse in der Öffentlichkeit bisher
nicht die ihnen zukommende Beachtung gefunden haben. Vielleicht war es


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[0281] Neu-'Kamerun Vormundschaft wird hier zunächst nach ihrer besseren rechtlichen Gestaltung zu streben haben und sich bemühen müssen, die Vormundschaft zur Sicherung und Durchführung ihrer erziehlichen und fürsorglichen Aufgaben auszunutzen. Vor¬ bilder hierfür besitzen wir z. B. in Holland. Dort haben eine ganze Reihe von Vereinen und Anstalten besondere Anerkennung gefunden, so daß ihnen die Vormundschaft für Kinder, die öffentlich erziehungsbedürftig sind, überwiesen werden kann. Dort kann also die Zwangserziehung in der Art durchgeführt werden, daß Kinder der Vormundschaft dieser Vereine überwiesen werden, was mir sehr beachtenswert erscheint. Jedoch schon in der Form der Sammel¬ vormundschaft bietet die Berufsvormundschaft der Vereinsarbeit sehr wesentliche Vorzüge, indem sie ihr eine rechtliche Sicherung ihrer Arbeit ermöglicht. Die Vereinsarbeit für gefährdete Jugendliche findet viel richtiger hier ihren Platz als in einer Anlehnung an das Straftecht und den Strafrichter, denen Erziehungs¬ fragen ganz fernliegen. Das wachsende Verantwortlichkeitsgefühl, das unseren Jugendlichen gegen¬ über in immer größerem Maße zur Geltung kommt, weil wir uns der Auf¬ gaben der Erziehung klarer bewußt werden — nicht weil die Jugendlichen so wesentlich schlechter geworden sind — findet in der Berufsvormundichaft seinen schönsten und besten Ausdruck. Vormundschaft ist — um es nochmals in wenigen Sätzen zusammenzufassen — Auswahl und Leitung der Erziehung. Diese ist heutzutage nur möglich in Form einer Organisation, ein einzelner ist ihren vielfältigen Aufgaben nicht mehr gewachsen. So entsteht die organisierte Vor¬ mundschaft, die Berufsvormundschaft als notwendige Fortbildung der älteren Vormundschaftsform und als Mittelpunkt für den modernen Ausbau unserer Kinder- und Jugendfürsorge öffentlicher und privater Art. Neu-Aamerun > le Beratung des Kolonialetats im Reichstag wird vermutlich das zurzeit durch die Balkanwirren ganz in Anspruch genommene öffentliche Interesse wieder den Kameruner Neuerwerbungen zu¬ wenden. Seit dem Abschluß des Marokko-Kongovertrages ist manches geschehen, um das Urteil über unseren kolonialen Gebietszuwachs unbefangener und sachlicher zu gestalten, als es im November v. I. der Fall war. Da ist zunächst die Berner Konferenz, deren Ergebnisse in der Öffentlichkeit bisher nicht die ihnen zukommende Beachtung gefunden haben. Vielleicht war es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 72, 1913, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341897_324869/281>, abgerufen am 27.06.2024.