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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
In der Stunde dämmergrau,
Da die Erde feucht von Tau,
Brautlied atmet, im Verlangen
Zu empfangen,
Und der Mensch in Gottes Namen
Ihr vertraut den goldnen Samen --
Dann, ja dann
Hebt der starke Zauber an.
Wenn die Jungen und die Alten,
Um den Tisch die Hände falten,
Wenn das heil'ge Brot sie brechen,
Herr und Knechte gläubig sprechen:
"Segne, was du uns gegeben,
Herr, du über Tod und Leben" --
Dann, o dann
Ist der Zauber ganz getan.

Waldschratt:
Elfen:

Die äußere Form des Stückes ist insofern
neu, als gesprochene Partien mit melodrama¬
tischen und Gesangsszenen abwechseln, je nach
demJnhalt. König selbst hat in der Wiener Zeit¬
schrift "Der Merker" (1910,16. Heft) sich über
die Berechtigung derselben ausgelassen. --
Die edle, ausdrucksvolleMusik zu der edlen Dich¬
tung stammt von dem greisen Braunschweiger
Meister mit dem von jugendreinstem Idea¬
lismus erfüllten Herzen, von Hans Somnier,
dem letzten Romantiker. Möchte den beiden,
die sich so gut verstehen -- König lieferte
dem Tonmeister die Dichtungen "Riquet mit
dem Schöpf", "Rübezahl und der Sackpfeifer
von Reiße" -- die Freude beschicken sein,
daß ihr gemeinsames, kerndeutsches Werk auf
den deutschen Bühnen festen Fuß fasse.

Dr. H. Seeliger-Landeshut
Aulturgeschichte

Japanische Totenopfer. Auf der ganzen
Erde ist seit urältesten Zeiten der Glaube ver¬
breitet an eine ihrem Licht entrückte Welt, an
ein "Land ohne Heimkehr", wo alles so ist
wie hier, nur dunkel oder in fahle Dämmerung
getaucht. Und die Toten bleiben, wie und was
sie auf Erden waren, sie "leben", nur eben wie
"Tote", umschweben ihre Grabstätten und

[Spaltenumbruch]

Wohnungen, besuchen ihre zurückgelassenen
Lieben -- und der Kaiser bleibt der Kaiser,
und der Feldherr der Feldherr. Und, sagen
die Japaner, auch die alten "toten" Soldaten
"leben", und wenn der Sohn des Himmels
Wieder zu den Waffen ruft, werden ihre
geisterhaften Leiber aus dem Totenreiche
steigen, "den Kaiser, den Kaiser zu schützen". --
Im "Nihongi", dein Zweitältesten (ge¬
schichtlichen) Buche der japanischen Literatur,
von 720, lesen wir zum Jahre 2 vor Christi:
"Jnmato-sito-no - Mikoto, des Kaisers" --
Suinin, arg. 29 vor bis 70 nach Christi --
"jüngerer Bruder, starb. Jamato-Hiko wurde
begraben. . . . Darauf wurde seine Persön¬
liche Dienerschaft versammelt, und alle
wurden lebendig aufrecht innerhalb der Um¬
hegung des Grabhügels begraben. Mehrere
Tage lang starben sie nicht, sondern weinten
und wehklagten Tag und Nacht. Zuletzt
starben und verwesten sie. Hunde und Krähen
suchten nach ihnen und fraßen sie. Der Kaiser
hörte ihr Weinen und Wehklagen, betrübte
sich in seinem Herzen, befahl seine hohen
Beamten zu sich und sagte: "Es ist ein hartes
Ding, diejenigen, die einen im Leben geliebt
haben, zu zwingen, ihm in den Tod zu
folgen. Obwohl es eine alte Sitte ist,
warum sie befolgen, wenn sie schlecht ist?
Beratet euch, wie man dieser Nachfolge in
den Tod von jetzt ab Einhalt tun kannt"
Fünf Jahre später starb die Kaiserin. Der
Kaiser versammelte seine Minister und sagte:
"Wir haben bereits anerkannt, daß der Brauch
der Todesnachfolge nicht gut ist. Was soll
nun bei diesem Begräbnis geschehen?" Da
trat Roni-no-Sukune vor und sagte: "Es ist
nicht gut, Menschen lebendig auf dem Grab¬
hügel einer fürstlichen Persönlichkeit zu be¬
graben. Wie darf solch eine Sitte auf die
Nachwelt gebracht werden? Ich bitte einen
Ersatz vorschlagen zu dürfen, den ich Ew.
Majestät anheimstellen will." Er läßt Töpfer
kommen und Tonfiguren von Menschen,
Pferden usw. formen, "die in Zukunft als
Ersatz für lebende Menschen dienen und auf
dem Grabhügel aufgestellt werden sollen." --
Diese sogenannten "Tsuchiningho : Tonbild¬
nisse" haben sich vereinzelt erhalten und sind
als unschätzbare Seltenheiten ins Museum ge¬
kommen, ins Britische und ins Uenomuseum

[Ende Spaltensatz]

Ach, der Zauber ist zu groß,
Hüben -- drüben: Heimatlos I


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]
In der Stunde dämmergrau,
Da die Erde feucht von Tau,
Brautlied atmet, im Verlangen
Zu empfangen,
Und der Mensch in Gottes Namen
Ihr vertraut den goldnen Samen —
Dann, ja dann
Hebt der starke Zauber an.
Wenn die Jungen und die Alten,
Um den Tisch die Hände falten,
Wenn das heil'ge Brot sie brechen,
Herr und Knechte gläubig sprechen:
„Segne, was du uns gegeben,
Herr, du über Tod und Leben" —
Dann, o dann
Ist der Zauber ganz getan.

Waldschratt:
Elfen:

Die äußere Form des Stückes ist insofern
neu, als gesprochene Partien mit melodrama¬
tischen und Gesangsszenen abwechseln, je nach
demJnhalt. König selbst hat in der Wiener Zeit¬
schrift „Der Merker" (1910,16. Heft) sich über
die Berechtigung derselben ausgelassen. —
Die edle, ausdrucksvolleMusik zu der edlen Dich¬
tung stammt von dem greisen Braunschweiger
Meister mit dem von jugendreinstem Idea¬
lismus erfüllten Herzen, von Hans Somnier,
dem letzten Romantiker. Möchte den beiden,
die sich so gut verstehen — König lieferte
dem Tonmeister die Dichtungen „Riquet mit
dem Schöpf", „Rübezahl und der Sackpfeifer
von Reiße" — die Freude beschicken sein,
daß ihr gemeinsames, kerndeutsches Werk auf
den deutschen Bühnen festen Fuß fasse.

Dr. H. Seeliger-Landeshut
Aulturgeschichte

Japanische Totenopfer. Auf der ganzen
Erde ist seit urältesten Zeiten der Glaube ver¬
breitet an eine ihrem Licht entrückte Welt, an
ein „Land ohne Heimkehr", wo alles so ist
wie hier, nur dunkel oder in fahle Dämmerung
getaucht. Und die Toten bleiben, wie und was
sie auf Erden waren, sie „leben", nur eben wie
„Tote", umschweben ihre Grabstätten und

[Spaltenumbruch]

Wohnungen, besuchen ihre zurückgelassenen
Lieben — und der Kaiser bleibt der Kaiser,
und der Feldherr der Feldherr. Und, sagen
die Japaner, auch die alten „toten" Soldaten
„leben", und wenn der Sohn des Himmels
Wieder zu den Waffen ruft, werden ihre
geisterhaften Leiber aus dem Totenreiche
steigen, „den Kaiser, den Kaiser zu schützen". —
Im „Nihongi", dein Zweitältesten (ge¬
schichtlichen) Buche der japanischen Literatur,
von 720, lesen wir zum Jahre 2 vor Christi:
„Jnmato-sito-no - Mikoto, des Kaisers" —
Suinin, arg. 29 vor bis 70 nach Christi —
„jüngerer Bruder, starb. Jamato-Hiko wurde
begraben. . . . Darauf wurde seine Persön¬
liche Dienerschaft versammelt, und alle
wurden lebendig aufrecht innerhalb der Um¬
hegung des Grabhügels begraben. Mehrere
Tage lang starben sie nicht, sondern weinten
und wehklagten Tag und Nacht. Zuletzt
starben und verwesten sie. Hunde und Krähen
suchten nach ihnen und fraßen sie. Der Kaiser
hörte ihr Weinen und Wehklagen, betrübte
sich in seinem Herzen, befahl seine hohen
Beamten zu sich und sagte: „Es ist ein hartes
Ding, diejenigen, die einen im Leben geliebt
haben, zu zwingen, ihm in den Tod zu
folgen. Obwohl es eine alte Sitte ist,
warum sie befolgen, wenn sie schlecht ist?
Beratet euch, wie man dieser Nachfolge in
den Tod von jetzt ab Einhalt tun kannt"
Fünf Jahre später starb die Kaiserin. Der
Kaiser versammelte seine Minister und sagte:
„Wir haben bereits anerkannt, daß der Brauch
der Todesnachfolge nicht gut ist. Was soll
nun bei diesem Begräbnis geschehen?" Da
trat Roni-no-Sukune vor und sagte: „Es ist
nicht gut, Menschen lebendig auf dem Grab¬
hügel einer fürstlichen Persönlichkeit zu be¬
graben. Wie darf solch eine Sitte auf die
Nachwelt gebracht werden? Ich bitte einen
Ersatz vorschlagen zu dürfen, den ich Ew.
Majestät anheimstellen will." Er läßt Töpfer
kommen und Tonfiguren von Menschen,
Pferden usw. formen, „die in Zukunft als
Ersatz für lebende Menschen dienen und auf
dem Grabhügel aufgestellt werden sollen." —
Diese sogenannten „Tsuchiningho : Tonbild¬
nisse" haben sich vereinzelt erhalten und sind
als unschätzbare Seltenheiten ins Museum ge¬
kommen, ins Britische und ins Uenomuseum

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Ach, der Zauber ist zu groß,
Hüben — drüben: Heimatlos I


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[0054] Maßgebliches und Unmaßgebliches In der Stunde dämmergrau, Da die Erde feucht von Tau, Brautlied atmet, im Verlangen Zu empfangen, Und der Mensch in Gottes Namen Ihr vertraut den goldnen Samen — Dann, ja dann Hebt der starke Zauber an. Wenn die Jungen und die Alten, Um den Tisch die Hände falten, Wenn das heil'ge Brot sie brechen, Herr und Knechte gläubig sprechen: „Segne, was du uns gegeben, Herr, du über Tod und Leben" — Dann, o dann Ist der Zauber ganz getan. Waldschratt: Elfen: Die äußere Form des Stückes ist insofern neu, als gesprochene Partien mit melodrama¬ tischen und Gesangsszenen abwechseln, je nach demJnhalt. König selbst hat in der Wiener Zeit¬ schrift „Der Merker" (1910,16. Heft) sich über die Berechtigung derselben ausgelassen. — Die edle, ausdrucksvolleMusik zu der edlen Dich¬ tung stammt von dem greisen Braunschweiger Meister mit dem von jugendreinstem Idea¬ lismus erfüllten Herzen, von Hans Somnier, dem letzten Romantiker. Möchte den beiden, die sich so gut verstehen — König lieferte dem Tonmeister die Dichtungen „Riquet mit dem Schöpf", „Rübezahl und der Sackpfeifer von Reiße" — die Freude beschicken sein, daß ihr gemeinsames, kerndeutsches Werk auf den deutschen Bühnen festen Fuß fasse. Dr. H. Seeliger-Landeshut Aulturgeschichte Japanische Totenopfer. Auf der ganzen Erde ist seit urältesten Zeiten der Glaube ver¬ breitet an eine ihrem Licht entrückte Welt, an ein „Land ohne Heimkehr", wo alles so ist wie hier, nur dunkel oder in fahle Dämmerung getaucht. Und die Toten bleiben, wie und was sie auf Erden waren, sie „leben", nur eben wie „Tote", umschweben ihre Grabstätten und Wohnungen, besuchen ihre zurückgelassenen Lieben — und der Kaiser bleibt der Kaiser, und der Feldherr der Feldherr. Und, sagen die Japaner, auch die alten „toten" Soldaten „leben", und wenn der Sohn des Himmels Wieder zu den Waffen ruft, werden ihre geisterhaften Leiber aus dem Totenreiche steigen, „den Kaiser, den Kaiser zu schützen". — Im „Nihongi", dein Zweitältesten (ge¬ schichtlichen) Buche der japanischen Literatur, von 720, lesen wir zum Jahre 2 vor Christi: „Jnmato-sito-no - Mikoto, des Kaisers" — Suinin, arg. 29 vor bis 70 nach Christi — „jüngerer Bruder, starb. Jamato-Hiko wurde begraben. . . . Darauf wurde seine Persön¬ liche Dienerschaft versammelt, und alle wurden lebendig aufrecht innerhalb der Um¬ hegung des Grabhügels begraben. Mehrere Tage lang starben sie nicht, sondern weinten und wehklagten Tag und Nacht. Zuletzt starben und verwesten sie. Hunde und Krähen suchten nach ihnen und fraßen sie. Der Kaiser hörte ihr Weinen und Wehklagen, betrübte sich in seinem Herzen, befahl seine hohen Beamten zu sich und sagte: „Es ist ein hartes Ding, diejenigen, die einen im Leben geliebt haben, zu zwingen, ihm in den Tod zu folgen. Obwohl es eine alte Sitte ist, warum sie befolgen, wenn sie schlecht ist? Beratet euch, wie man dieser Nachfolge in den Tod von jetzt ab Einhalt tun kannt" Fünf Jahre später starb die Kaiserin. Der Kaiser versammelte seine Minister und sagte: „Wir haben bereits anerkannt, daß der Brauch der Todesnachfolge nicht gut ist. Was soll nun bei diesem Begräbnis geschehen?" Da trat Roni-no-Sukune vor und sagte: „Es ist nicht gut, Menschen lebendig auf dem Grab¬ hügel einer fürstlichen Persönlichkeit zu be¬ graben. Wie darf solch eine Sitte auf die Nachwelt gebracht werden? Ich bitte einen Ersatz vorschlagen zu dürfen, den ich Ew. Majestät anheimstellen will." Er läßt Töpfer kommen und Tonfiguren von Menschen, Pferden usw. formen, „die in Zukunft als Ersatz für lebende Menschen dienen und auf dem Grabhügel aufgestellt werden sollen." — Diese sogenannten „Tsuchiningho : Tonbild¬ nisse" haben sich vereinzelt erhalten und sind als unschätzbare Seltenheiten ins Museum ge¬ kommen, ins Britische und ins Uenomuseum Ach, der Zauber ist zu groß, Hüben — drüben: Heimatlos I

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/54>, abgerufen am 15.01.2025.