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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

Schilderung fallen. Insbesondere die Dar¬
stellung von Linggs Jahren als Militärarzt,
von dem fürchterlichen Eindruck der Ereignisse
des Jahres 1848 eröffnet eine weite Aussicht,
die uns den Meister der geschichtlichen Lyrik
und den Verfasser der "Völkerwanderung"
besser begreifen lehrt. Ein literarhistorisch
irgendwie abschließendes Urteil hat Frieda
Port in dem an dichterischen Empfindungen
reichen Buche nicht geben wollen, sie hat aber
auch dem künftigen ästhetischen Darsteller
Linggs außerordentlich reichen Stoff in feiner
Darlegung geboten. Hoffentlich erleben wir
nun auch einen Neudruck der völlig ver¬
griffenen "Völkerwanderung".

Dr. Heinrich Svier

Lenaus Werke. Herausgegeben von Carl
Schaeffer. (Meyers Klassikerausgaben.) Zwei
Bände. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut.

Das wilde, ungezügelte und unruhvolle
slawische Temperament Nikolaus Lenaus und
sein weiches, gemütreiches deutsches Wesen,
dem wiederum eine starke Dosis slawischer
Schwermut beigemischt war -- diese wunder¬
liche Mischung hat seltsam gestaltete, herrlich
duftende Poetische Blüten hervorgebracht, die
ihrem Dichter den Ruhm des größten öster¬
reichischen Lyrikers eingetragen haben. Seine
Werke werden stets im deutschen Volke, in
dessen Herz er sich tief und dauernd hinein¬
gesungen hat, ein großes und dankbares
Publikum finden. In Meyers bekannten
Klassikeransgaben hat Carl Schaeffer Lemmus
Poetische Werke neu herausgegeben. Außer
den lyrischen und größeren lyrisch - epischen
Dichtungen bringt er den "Faust", den "Sa-
vonarola", die "Albigenser" und das dra¬
matische Gedicht "Don Juan". Die von ihm
für die Einleitungen und knappen Anmer¬
kungensorgfältig benutztenForschungsergebnisse
(über die er allerdings nicht hinauskommt)
beruhen zu einem erheblichen Teile auf den
A. Untersuchungen Eduard Castles.

Tagesfragen

Klier die Ursachen des Zusammen bruns es
der türkische" Armee schreibt uns ein Freund:

". . . Es sind jetzt fast genau zwei Jahre
her, daß die türkische Armee aus den großen

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Manövern zurückkehrte, die unter der Leitung
des Generalfeldmarschalls von der Goltz
auf dem Gelände der blutigen Schlachten des
gegenwärtigen Krieges abgehalten wurden.
Ungefähr sechzigtnusend Mann waren an diesen
Manövern beteiligt. Es war das erste Mal
seit dem Krieg mit Griechenland, daß die
türkischen Truppen in einem so großen Ver¬
band versammelt waren. Unter Abdul Hamid
hat es überhaupt keine Manöver gegeben;
nach der Einführung der Verfassung waren
im Jahre 1909 zum erstenmal Manöver in
kleineren Verbänden ausgeführt worden. Die
Befriedigung über den glänzenden Verlauf
der großen Korpsmanöver von 1919 war in
den türkischen Militärkreisen eine große und
allgemeine.

Nach der Rückkehr vom Mnnöverschauplatz
gab der Generalissimus Mahmud Schefket
Pascha zu Ehren des Generalfeldmarschalls
von der Goltz im Hotel Tokntlian in Kon-
stantinopel ein großes Diner, bei dem die
gesamte Generalität anwesend war. Während
der Tafel brachte Mahmud Schefket Pascha
in deutscher Sprache, die er gut beherrscht,
einen Trinkspruch auf den Generalfeldmarschnll
von der Goltz aus. Er rühmte die Verdienste
des Generalfeldmarschalls um die Reorgani¬
sation der türkischen Armee, von deren Er¬
folgen die soeben beendeten Manöver Zeugnis
ablegten, und dankte ihm mit bewegten
Worten für seine aufopfernde Arbeit an der
Vervollkommnung des türkischen Heeres. Das
Hoch auf von der Goltz wurde mit Begeiste¬
rung aufgenommen, und mein Tischnachbar,
ein alter General, sagte zu mir, gleichfalls
auf deutsch: "Wir verehren diesen Mann wie"
-- er suchte das Wort -- "wie einen Heiligen."

Von der Goltz erhob sich zu einer Er¬
widerung. Er wehrte den Dank Mahmud
Schefkets mit der Bemerkung ab, daß das
Meiste noch zu tun sei, und daran anknüpfend
gab er, Scherz und Ernst vermischend, eine
kleine Manöverkritik. Er lobte die strategischen
und taktischen Dispositionen, die im ganzen
zweckmäßig und glücklich angelegt gewesen
seien. Dagegen sei in der Ausbildung der
Stabsoffiziere und Subalternoffiziere noch
außerordentlich viel zu tun; es fehle hier noch
nahezu vollkommen an jeder Selbständigkeit
und Initiative, jn an verständnisvollen Auf-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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Schilderung fallen. Insbesondere die Dar¬
stellung von Linggs Jahren als Militärarzt,
von dem fürchterlichen Eindruck der Ereignisse
des Jahres 1848 eröffnet eine weite Aussicht,
die uns den Meister der geschichtlichen Lyrik
und den Verfasser der „Völkerwanderung"
besser begreifen lehrt. Ein literarhistorisch
irgendwie abschließendes Urteil hat Frieda
Port in dem an dichterischen Empfindungen
reichen Buche nicht geben wollen, sie hat aber
auch dem künftigen ästhetischen Darsteller
Linggs außerordentlich reichen Stoff in feiner
Darlegung geboten. Hoffentlich erleben wir
nun auch einen Neudruck der völlig ver¬
griffenen „Völkerwanderung".

Dr. Heinrich Svier

Lenaus Werke. Herausgegeben von Carl
Schaeffer. (Meyers Klassikerausgaben.) Zwei
Bände. Leipzig und Wien, Bibliographisches
Institut.

Das wilde, ungezügelte und unruhvolle
slawische Temperament Nikolaus Lenaus und
sein weiches, gemütreiches deutsches Wesen,
dem wiederum eine starke Dosis slawischer
Schwermut beigemischt war — diese wunder¬
liche Mischung hat seltsam gestaltete, herrlich
duftende Poetische Blüten hervorgebracht, die
ihrem Dichter den Ruhm des größten öster¬
reichischen Lyrikers eingetragen haben. Seine
Werke werden stets im deutschen Volke, in
dessen Herz er sich tief und dauernd hinein¬
gesungen hat, ein großes und dankbares
Publikum finden. In Meyers bekannten
Klassikeransgaben hat Carl Schaeffer Lemmus
Poetische Werke neu herausgegeben. Außer
den lyrischen und größeren lyrisch - epischen
Dichtungen bringt er den „Faust", den „Sa-
vonarola", die „Albigenser" und das dra¬
matische Gedicht „Don Juan". Die von ihm
für die Einleitungen und knappen Anmer¬
kungensorgfältig benutztenForschungsergebnisse
(über die er allerdings nicht hinauskommt)
beruhen zu einem erheblichen Teile auf den
A. Untersuchungen Eduard Castles.

Tagesfragen

Klier die Ursachen des Zusammen bruns es
der türkische» Armee schreibt uns ein Freund:

„. . . Es sind jetzt fast genau zwei Jahre
her, daß die türkische Armee aus den großen

[Spaltenumbruch]

Manövern zurückkehrte, die unter der Leitung
des Generalfeldmarschalls von der Goltz
auf dem Gelände der blutigen Schlachten des
gegenwärtigen Krieges abgehalten wurden.
Ungefähr sechzigtnusend Mann waren an diesen
Manövern beteiligt. Es war das erste Mal
seit dem Krieg mit Griechenland, daß die
türkischen Truppen in einem so großen Ver¬
band versammelt waren. Unter Abdul Hamid
hat es überhaupt keine Manöver gegeben;
nach der Einführung der Verfassung waren
im Jahre 1909 zum erstenmal Manöver in
kleineren Verbänden ausgeführt worden. Die
Befriedigung über den glänzenden Verlauf
der großen Korpsmanöver von 1919 war in
den türkischen Militärkreisen eine große und
allgemeine.

Nach der Rückkehr vom Mnnöverschauplatz
gab der Generalissimus Mahmud Schefket
Pascha zu Ehren des Generalfeldmarschalls
von der Goltz im Hotel Tokntlian in Kon-
stantinopel ein großes Diner, bei dem die
gesamte Generalität anwesend war. Während
der Tafel brachte Mahmud Schefket Pascha
in deutscher Sprache, die er gut beherrscht,
einen Trinkspruch auf den Generalfeldmarschnll
von der Goltz aus. Er rühmte die Verdienste
des Generalfeldmarschalls um die Reorgani¬
sation der türkischen Armee, von deren Er¬
folgen die soeben beendeten Manöver Zeugnis
ablegten, und dankte ihm mit bewegten
Worten für seine aufopfernde Arbeit an der
Vervollkommnung des türkischen Heeres. Das
Hoch auf von der Goltz wurde mit Begeiste¬
rung aufgenommen, und mein Tischnachbar,
ein alter General, sagte zu mir, gleichfalls
auf deutsch: „Wir verehren diesen Mann wie"
— er suchte das Wort — „wie einen Heiligen."

Von der Goltz erhob sich zu einer Er¬
widerung. Er wehrte den Dank Mahmud
Schefkets mit der Bemerkung ab, daß das
Meiste noch zu tun sei, und daran anknüpfend
gab er, Scherz und Ernst vermischend, eine
kleine Manöverkritik. Er lobte die strategischen
und taktischen Dispositionen, die im ganzen
zweckmäßig und glücklich angelegt gewesen
seien. Dagegen sei in der Ausbildung der
Stabsoffiziere und Subalternoffiziere noch
außerordentlich viel zu tun; es fehle hier noch
nahezu vollkommen an jeder Selbständigkeit
und Initiative, jn an verständnisvollen Auf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_322400/444>, abgerufen am 15.01.2025.