Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.Reichsspiegel Wirtschaftskä'zupfe und auswärtige Politik Die Maßnahmen der Regierung zur Behebung der Fleischnot sind zwar Daß in diesem Jahre eine Teuerung eintreten würde war bereits im vorigen Reichsspiegel Wirtschaftskä'zupfe und auswärtige Politik Die Maßnahmen der Regierung zur Behebung der Fleischnot sind zwar Daß in diesem Jahre eine Teuerung eintreten würde war bereits im vorigen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0642" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322389"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_321746/figures/grenzboten_341895_321746_322389_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <div n="2"> <head> Wirtschaftskä'zupfe und auswärtige Politik</head><lb/> <p xml:id="ID_2947"> Die Maßnahmen der Regierung zur Behebung der Fleischnot sind zwar<lb/> sachgemäß und entsprechen teilweise den örtlichen Bedürfnissen, aber sie kommen<lb/> zu spät und — sie fassen das Übel nicht an allen Orten gleichmäßig an. In<lb/> Berlin und anderen Orten hat man nichts davon, wenn das Fleisch in Posen und<lb/> Köln erheblich billiger geworden ist. Die Regierung hat sür das Mißtrauen der<lb/> Agrarier, das ihre Maßnahmen hervorrufen, nur wenig Zuneigung bei den<lb/> Städtern eingetauscht. Und doch war gegenwärtig in der diesjährigen Fleisch¬<lb/> notfrage so manches möglich, was geeignet gewesen wäre, das hier und da<lb/> keimende Vertrauen zu stärken. Jetzt arbeitet man den Freihändlern direkt in<lb/> die Hände, wenn an einem praktischen Beispiel gezeigt wird, wie die Öffnung<lb/> der Grenzen für kaum ein halbes Hundert Ochsen nach Köln schon eine Preis¬<lb/> ermäßigung von 50 Pfennig pro Pfund zugunsten der Verbraucher ermöglicht.<lb/> Dies Beispiel wird selbstverständlich demagogisch ausgebeutet werden und den<lb/> Fordernden einen Schein des Rechts gegenüber allen Argumenten und noch so<lb/> zutreffenden Einwänden geben, wo die Regierung doch bestrebtbleiben will, die<lb/> einander widersprechenden Interessen der einzelnen Bürger mit dem Gesamtwohl<lb/> aller und des Staates auszugleichen. Wir haben hier ein Schulbeispiel vor<lb/> uns für die Gefährlichkeit halber Maßregeln, und einen neuen Beweis für die<lb/> Gefahren, in die eine sich ausschließlich auf die Autorität der Monarchie stützende<lb/> Regierung geraten muß, die nicht selbst führt, die sich vielmehr schieben läßt.</p><lb/> <p xml:id="ID_2948" next="#ID_2949"> Daß in diesem Jahre eine Teuerung eintreten würde war bereits im vorigen<lb/> Herbst bekannt. Die Frage war nur, ob sich die Teuerung durch wiederholt<lb/> eintretende Dürre vergrößern werde oder nicht. Nachdem diese Frage entschieden<lb/> war, und das geschah in der Woche, als sich das Wachstum der Futtermittel<lb/> feststellen ließ, da mußte die Regierung mit kleinen, örtlich angepaßten Maßregeln<lb/> eingreifen, die Konsumenten beruhigend, die rücksichtslosen Profitsucher schreckend.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0642]
[Abbildung]
Reichsspiegel
Wirtschaftskä'zupfe und auswärtige Politik
Die Maßnahmen der Regierung zur Behebung der Fleischnot sind zwar
sachgemäß und entsprechen teilweise den örtlichen Bedürfnissen, aber sie kommen
zu spät und — sie fassen das Übel nicht an allen Orten gleichmäßig an. In
Berlin und anderen Orten hat man nichts davon, wenn das Fleisch in Posen und
Köln erheblich billiger geworden ist. Die Regierung hat sür das Mißtrauen der
Agrarier, das ihre Maßnahmen hervorrufen, nur wenig Zuneigung bei den
Städtern eingetauscht. Und doch war gegenwärtig in der diesjährigen Fleisch¬
notfrage so manches möglich, was geeignet gewesen wäre, das hier und da
keimende Vertrauen zu stärken. Jetzt arbeitet man den Freihändlern direkt in
die Hände, wenn an einem praktischen Beispiel gezeigt wird, wie die Öffnung
der Grenzen für kaum ein halbes Hundert Ochsen nach Köln schon eine Preis¬
ermäßigung von 50 Pfennig pro Pfund zugunsten der Verbraucher ermöglicht.
Dies Beispiel wird selbstverständlich demagogisch ausgebeutet werden und den
Fordernden einen Schein des Rechts gegenüber allen Argumenten und noch so
zutreffenden Einwänden geben, wo die Regierung doch bestrebtbleiben will, die
einander widersprechenden Interessen der einzelnen Bürger mit dem Gesamtwohl
aller und des Staates auszugleichen. Wir haben hier ein Schulbeispiel vor
uns für die Gefährlichkeit halber Maßregeln, und einen neuen Beweis für die
Gefahren, in die eine sich ausschließlich auf die Autorität der Monarchie stützende
Regierung geraten muß, die nicht selbst führt, die sich vielmehr schieben läßt.
Daß in diesem Jahre eine Teuerung eintreten würde war bereits im vorigen
Herbst bekannt. Die Frage war nur, ob sich die Teuerung durch wiederholt
eintretende Dürre vergrößern werde oder nicht. Nachdem diese Frage entschieden
war, und das geschah in der Woche, als sich das Wachstum der Futtermittel
feststellen ließ, da mußte die Regierung mit kleinen, örtlich angepaßten Maßregeln
eingreifen, die Konsumenten beruhigend, die rücksichtslosen Profitsucher schreckend.
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