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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Geburtenverhntung und Volksvermehrung

geschah und aus allen Parteien Männer dafür zu gewinnen. In erster Linie
wird er sich logischerweise an die Kreise halten müssen, die für das Probleni
der inneren Kolonisation Verständnis haben. Das sind die Großgrundbesitzer,
also die Konservativen auf dem Lande und die Beamten, also die liberalen
und konservativen reinen Konsumenten in den Städten. Auch mit allen den Wirt¬
schaftsverbänden ist ein Verständnis zu erzielen, denen bewiesen werden könnte,
wie innere Kolonisation gleichbedeutend mit Kräftigung der inneren Märkte wäre.

So kommen wir zu konkreten Aufgaben, deren Durchführung den wirt¬
schaftlichen und politischen Bedürfnissen des Reiches am ehesten gerecht zu
werden scheint.




Geburtenverhütung und Dolksvermehrung
Dr. ins6> Alfred Grotjahn von

Die nachstehende Abhandlung gibt Kunde von den Arbeiten und
Zielen eines kleinen Kreises von Ärzten auf einen: Grenzgebiete der
Naturwissenschaften und Politik. Es handelt sich um die körperliche
Verbesserung des Menschengeschlechts, also auch um die körperliche Ver¬
edelung der Nation. Der Aufsatz ist entnommen dem Werke A. Grotjahns:
"Soziale Pathologie" (Verlag von August Hirschwald, Berlin 1912), das
bereits in Hofe 20 der Grenzboten von diesem Jahre kurz angezeigt wurde.
Ich möchte das Werk allen denen empfehlen, die ein warmes Herz für die
deutsche Nation haben, gleichgültig, von welchem philosophischen Stand-
Punkte aus sie auf die Menschheit blicken. -- Goheimrat von Luschan, der
Direktor des Berliner Museums für Völkerkunde, hielt auf den: letzten
Deutschen Anthropologentag zu Weimar eine Rede, in der er u. a. aus¬
führte: "Die Entartung der Kulturvölker beschäftigt heute mehr denn je alle
Kreise. Das elende Zwei-Kinder-System ist längst nicht mehr auf Frank¬
reich beschränkt. Mehr und mehr breitet sich die bewußte und absicht¬
liche Beschränkung der Kinderzahl über alle Kulturvölker aus, und wenn
sie bei uns noch vor wenigen Jahren auf die oberen Zehntausend
beschränkt war, so greift sie jetzt auch auf die breiten Massen über, eine
wahre Pest, deren Gefährlichkeit sich bis jetzt leider nur die wenigsten
G, Li, bewußt geworden find."

egenerative Tendenzen treiben auch im blühendsten Volke ihr
Unwesen. Es ist deshalb wichtig, ihre Überwindung und Be¬
seitigung nicht dem Zufall, sondern einem planmäßigen Vorgehen
zu überlassen, ganz gleich, ob diese verschiedenen degenerativen
Tendenzen, die sich im einzelnen bereits heute nachweisen lassen
-- jede körperliche oder geistige Minderwertigkeit, die sich über mehrere Gene¬
rationen fortsetzt, ist bereits ein dem Laien sichtbares Anzeichen einer solchen


Grenzboten III 1912 69
Geburtenverhntung und Volksvermehrung

geschah und aus allen Parteien Männer dafür zu gewinnen. In erster Linie
wird er sich logischerweise an die Kreise halten müssen, die für das Probleni
der inneren Kolonisation Verständnis haben. Das sind die Großgrundbesitzer,
also die Konservativen auf dem Lande und die Beamten, also die liberalen
und konservativen reinen Konsumenten in den Städten. Auch mit allen den Wirt¬
schaftsverbänden ist ein Verständnis zu erzielen, denen bewiesen werden könnte,
wie innere Kolonisation gleichbedeutend mit Kräftigung der inneren Märkte wäre.

So kommen wir zu konkreten Aufgaben, deren Durchführung den wirt¬
schaftlichen und politischen Bedürfnissen des Reiches am ehesten gerecht zu
werden scheint.




Geburtenverhütung und Dolksvermehrung
Dr. ins6> Alfred Grotjahn von

Die nachstehende Abhandlung gibt Kunde von den Arbeiten und
Zielen eines kleinen Kreises von Ärzten auf einen: Grenzgebiete der
Naturwissenschaften und Politik. Es handelt sich um die körperliche
Verbesserung des Menschengeschlechts, also auch um die körperliche Ver¬
edelung der Nation. Der Aufsatz ist entnommen dem Werke A. Grotjahns:
„Soziale Pathologie" (Verlag von August Hirschwald, Berlin 1912), das
bereits in Hofe 20 der Grenzboten von diesem Jahre kurz angezeigt wurde.
Ich möchte das Werk allen denen empfehlen, die ein warmes Herz für die
deutsche Nation haben, gleichgültig, von welchem philosophischen Stand-
Punkte aus sie auf die Menschheit blicken. — Goheimrat von Luschan, der
Direktor des Berliner Museums für Völkerkunde, hielt auf den: letzten
Deutschen Anthropologentag zu Weimar eine Rede, in der er u. a. aus¬
führte: „Die Entartung der Kulturvölker beschäftigt heute mehr denn je alle
Kreise. Das elende Zwei-Kinder-System ist längst nicht mehr auf Frank¬
reich beschränkt. Mehr und mehr breitet sich die bewußte und absicht¬
liche Beschränkung der Kinderzahl über alle Kulturvölker aus, und wenn
sie bei uns noch vor wenigen Jahren auf die oberen Zehntausend
beschränkt war, so greift sie jetzt auch auf die breiten Massen über, eine
wahre Pest, deren Gefährlichkeit sich bis jetzt leider nur die wenigsten
G, Li, bewußt geworden find."

egenerative Tendenzen treiben auch im blühendsten Volke ihr
Unwesen. Es ist deshalb wichtig, ihre Überwindung und Be¬
seitigung nicht dem Zufall, sondern einem planmäßigen Vorgehen
zu überlassen, ganz gleich, ob diese verschiedenen degenerativen
Tendenzen, die sich im einzelnen bereits heute nachweisen lassen
— jede körperliche oder geistige Minderwertigkeit, die sich über mehrere Gene¬
rationen fortsetzt, ist bereits ein dem Laien sichtbares Anzeichen einer solchen


Grenzboten III 1912 69
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/553>, abgerufen am 22.07.2024.