Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Aarl Salzcr

so denkt, ist nichts außergewöhnliches. Er zeigt dadurch nur, daß er ein echter
Sohn seines Volkes ist. Daß er aber in seinem Jagdbuch diesem Gedanken in
so warmen Worten einen so breiten Raum gibt, dagegen an keiner Stelle mit
Kunstschüssen und Massenstrecken imponieren will, das zeigt die Echtheit und
Tiefe seiner Empfindung.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Knies von
1.

onnegau nennen sie das Wormser Land am Rhein, und des
Wonnegaus Perle sei das Dorf Spelzheim. Vielleicht haben die
Wormser es so getauft, denn es ist ihr Ausflugsort für Sonntags¬
nachmittags. In dem schönen Park, den die Herzöge von Dalberg
angelegt haben, können sie spazieren gehen.

Der Park umschlingt mit seinem grünen Gürtel des Dorfes alten Teil.
Wie Strahlen von einem Sterne ziehen die Straßen nach den Nachbarorten.
Über die Höhen des rheinhessischen Hügellandes hinweg nach Rabenheim, nach
Kneisenheim und nach Zockheim; in der flachen Rheinebene nach Neuhausen-
Worms, hinunter nach Nordhofen und hinüber nach der Rhein-Dürkheimer
Fahrt und nach Rhein-Dürkheim selbst.

Auf den Höhen, von denen aus man hinuntersehen kann auf das silberne
Band des Rheins und hinüber an die blauen Höhenzüge der Bergstraße, da
wachsen ihre Reben: ein guter Haustrunk.

In der Ebene pflanzen sie fürs prosaische tägliche Brot. Auf fettem Lehm¬
boden sprießt das üppige Getreide. Dickknollige Kartoffeln können sie im Herbste
heraushacken und -pflügen. Gutes Futter fürs Vieh und viel süßes Obst ernten
sie in der Ebene, und viele Gurken züchten sie.

Zuerst waren ja nur die Forchheimer, zwei Stunden südwestlicher, durch
ihre Gurkenzucht berühmt; so berühmt, daß sie von ihren Nachbarn den Spott¬
namen "Gummerelöcher" erhielten. "Gummere" sagen sie dort statt Gurken.

Aber als die spöttischen Nachbarn sahen, daß die Forchheimer reich wurden
durch ihre Gurkenpflanzungen, taten sie es ihnen nach. Und die Nabenheimer,
die die Bohnensäcke heißen, und die Spelzheimer, die wegen ihrer Vorliebe für
die Gelbrüben den Spitznamen "Gellerüweschwänz" haben: sie alle pflanzten


Aarl Salzcr

so denkt, ist nichts außergewöhnliches. Er zeigt dadurch nur, daß er ein echter
Sohn seines Volkes ist. Daß er aber in seinem Jagdbuch diesem Gedanken in
so warmen Worten einen so breiten Raum gibt, dagegen an keiner Stelle mit
Kunstschüssen und Massenstrecken imponieren will, das zeigt die Echtheit und
Tiefe seiner Empfindung.




Aarl Walzer
<Lin Roman
Richard Knies von
1.

onnegau nennen sie das Wormser Land am Rhein, und des
Wonnegaus Perle sei das Dorf Spelzheim. Vielleicht haben die
Wormser es so getauft, denn es ist ihr Ausflugsort für Sonntags¬
nachmittags. In dem schönen Park, den die Herzöge von Dalberg
angelegt haben, können sie spazieren gehen.

Der Park umschlingt mit seinem grünen Gürtel des Dorfes alten Teil.
Wie Strahlen von einem Sterne ziehen die Straßen nach den Nachbarorten.
Über die Höhen des rheinhessischen Hügellandes hinweg nach Rabenheim, nach
Kneisenheim und nach Zockheim; in der flachen Rheinebene nach Neuhausen-
Worms, hinunter nach Nordhofen und hinüber nach der Rhein-Dürkheimer
Fahrt und nach Rhein-Dürkheim selbst.

Auf den Höhen, von denen aus man hinuntersehen kann auf das silberne
Band des Rheins und hinüber an die blauen Höhenzüge der Bergstraße, da
wachsen ihre Reben: ein guter Haustrunk.

In der Ebene pflanzen sie fürs prosaische tägliche Brot. Auf fettem Lehm¬
boden sprießt das üppige Getreide. Dickknollige Kartoffeln können sie im Herbste
heraushacken und -pflügen. Gutes Futter fürs Vieh und viel süßes Obst ernten
sie in der Ebene, und viele Gurken züchten sie.

Zuerst waren ja nur die Forchheimer, zwei Stunden südwestlicher, durch
ihre Gurkenzucht berühmt; so berühmt, daß sie von ihren Nachbarn den Spott¬
namen „Gummerelöcher" erhielten. „Gummere" sagen sie dort statt Gurken.

Aber als die spöttischen Nachbarn sahen, daß die Forchheimer reich wurden
durch ihre Gurkenpflanzungen, taten sie es ihnen nach. Und die Nabenheimer,
die die Bohnensäcke heißen, und die Spelzheimer, die wegen ihrer Vorliebe für
die Gelbrüben den Spitznamen „Gellerüweschwänz" haben: sie alle pflanzten


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0429" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/322176"/>
          <fw type="header" place="top"> Aarl Salzcr</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1755" prev="#ID_1754"> so denkt, ist nichts außergewöhnliches. Er zeigt dadurch nur, daß er ein echter<lb/>
Sohn seines Volkes ist. Daß er aber in seinem Jagdbuch diesem Gedanken in<lb/>
so warmen Worten einen so breiten Raum gibt, dagegen an keiner Stelle mit<lb/>
Kunstschüssen und Massenstrecken imponieren will, das zeigt die Echtheit und<lb/>
Tiefe seiner Empfindung.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Aarl Walzer<lb/>
&lt;Lin Roman<lb/><note type="byline"> Richard Knies</note> von</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 1.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_1756"> onnegau nennen sie das Wormser Land am Rhein, und des<lb/>
Wonnegaus Perle sei das Dorf Spelzheim. Vielleicht haben die<lb/>
Wormser es so getauft, denn es ist ihr Ausflugsort für Sonntags¬<lb/>
nachmittags. In dem schönen Park, den die Herzöge von Dalberg<lb/>
angelegt haben, können sie spazieren gehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1757"> Der Park umschlingt mit seinem grünen Gürtel des Dorfes alten Teil.<lb/>
Wie Strahlen von einem Sterne ziehen die Straßen nach den Nachbarorten.<lb/>
Über die Höhen des rheinhessischen Hügellandes hinweg nach Rabenheim, nach<lb/>
Kneisenheim und nach Zockheim; in der flachen Rheinebene nach Neuhausen-<lb/>
Worms, hinunter nach Nordhofen und hinüber nach der Rhein-Dürkheimer<lb/>
Fahrt und nach Rhein-Dürkheim selbst.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1758"> Auf den Höhen, von denen aus man hinuntersehen kann auf das silberne<lb/>
Band des Rheins und hinüber an die blauen Höhenzüge der Bergstraße, da<lb/>
wachsen ihre Reben: ein guter Haustrunk.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1759"> In der Ebene pflanzen sie fürs prosaische tägliche Brot. Auf fettem Lehm¬<lb/>
boden sprießt das üppige Getreide. Dickknollige Kartoffeln können sie im Herbste<lb/>
heraushacken und -pflügen. Gutes Futter fürs Vieh und viel süßes Obst ernten<lb/>
sie in der Ebene, und viele Gurken züchten sie.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1760"> Zuerst waren ja nur die Forchheimer, zwei Stunden südwestlicher, durch<lb/>
ihre Gurkenzucht berühmt; so berühmt, daß sie von ihren Nachbarn den Spott¬<lb/>
namen &#x201E;Gummerelöcher" erhielten.  &#x201E;Gummere" sagen sie dort statt Gurken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1761" next="#ID_1762"> Aber als die spöttischen Nachbarn sahen, daß die Forchheimer reich wurden<lb/>
durch ihre Gurkenpflanzungen, taten sie es ihnen nach. Und die Nabenheimer,<lb/>
die die Bohnensäcke heißen, und die Spelzheimer, die wegen ihrer Vorliebe für<lb/>
die Gelbrüben den Spitznamen &#x201E;Gellerüweschwänz" haben: sie alle pflanzten</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0429] Aarl Salzcr so denkt, ist nichts außergewöhnliches. Er zeigt dadurch nur, daß er ein echter Sohn seines Volkes ist. Daß er aber in seinem Jagdbuch diesem Gedanken in so warmen Worten einen so breiten Raum gibt, dagegen an keiner Stelle mit Kunstschüssen und Massenstrecken imponieren will, das zeigt die Echtheit und Tiefe seiner Empfindung. Aarl Walzer <Lin Roman Richard Knies von 1. onnegau nennen sie das Wormser Land am Rhein, und des Wonnegaus Perle sei das Dorf Spelzheim. Vielleicht haben die Wormser es so getauft, denn es ist ihr Ausflugsort für Sonntags¬ nachmittags. In dem schönen Park, den die Herzöge von Dalberg angelegt haben, können sie spazieren gehen. Der Park umschlingt mit seinem grünen Gürtel des Dorfes alten Teil. Wie Strahlen von einem Sterne ziehen die Straßen nach den Nachbarorten. Über die Höhen des rheinhessischen Hügellandes hinweg nach Rabenheim, nach Kneisenheim und nach Zockheim; in der flachen Rheinebene nach Neuhausen- Worms, hinunter nach Nordhofen und hinüber nach der Rhein-Dürkheimer Fahrt und nach Rhein-Dürkheim selbst. Auf den Höhen, von denen aus man hinuntersehen kann auf das silberne Band des Rheins und hinüber an die blauen Höhenzüge der Bergstraße, da wachsen ihre Reben: ein guter Haustrunk. In der Ebene pflanzen sie fürs prosaische tägliche Brot. Auf fettem Lehm¬ boden sprießt das üppige Getreide. Dickknollige Kartoffeln können sie im Herbste heraushacken und -pflügen. Gutes Futter fürs Vieh und viel süßes Obst ernten sie in der Ebene, und viele Gurken züchten sie. Zuerst waren ja nur die Forchheimer, zwei Stunden südwestlicher, durch ihre Gurkenzucht berühmt; so berühmt, daß sie von ihren Nachbarn den Spott¬ namen „Gummerelöcher" erhielten. „Gummere" sagen sie dort statt Gurken. Aber als die spöttischen Nachbarn sahen, daß die Forchheimer reich wurden durch ihre Gurkenpflanzungen, taten sie es ihnen nach. Und die Nabenheimer, die die Bohnensäcke heißen, und die Spelzheimer, die wegen ihrer Vorliebe für die Gelbrüben den Spitznamen „Gellerüweschwänz" haben: sie alle pflanzten

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/429
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/429>, abgerufen am 22.07.2024.