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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

bares Gebiet gemeinsamer Tätigkeit der Arzte
und Volkswirte sein wird."

Es sind nicht nur die Volkswirte, die hier
mit zugreifen sollten, -- in diesem Grenz¬
gebiet trifft sich wieder der Priester, der
Seelsorger im weitesten Sinne, mit dem
Medizinmann.

Doch wird es Wohl nicht so bald ein
friedvolles Zusammentreffen sein. Gerade
weil sich noch so vieles gegen die Borschläge
der Sozial- oder Rassenhygieniker ins Feld
führen läßt, und weil die Orthodoxie kaum
kampflos die Schanzen räumen wird, obwohl
ein großer Teil der deutschen Geistlichkeit
schon heute auf dem Gebiet der sozialen
Fürsorge mit Einschluß sozialer Hygiene
Schulter an Schulter mit den Ärzten be¬
deutendes leistet, wird es vor dem Siege der
Naturwissenschaften auf diesem Gebiet noch
manchen harten Kampf geben. Wenn Grot-
jahn auf den Vorwarf, die soziale Hygiene
bedinge Verschlechterung der Rasse, so frei¬
mütig hinweist, wie er es tut, so gibt das
seiner Forschung einen ganz besonderen Wert:
es zeigt sich darin die absolute Ehrlichkeit
seines Strebens, bei festen Glauben an den
endlichen Sieg.

NichtweichlicheHumanitätsduselei beherrscht
ein Werk bei aller Nächstenliebe, sondern der
Wunsch, die Nation für den Kampf ums
Dasein zu vervollkommnen. Das muß hier
ausdrücklich hervorgehoben werden, weil sich
hier Wissenschaft und Politik berühren und
die Gegner sicher nicht zögern werden, den
schwachen Punkt in Grotjahns Vorschlägen
auszunutzen, um die ganzen Bestrebungen der
Naturwissenschaftler in den Augen des Publi¬
kums, sei es als Utopie lächerlich zu machen,
sei es als Verbrechen an der Nation zu
brandmarken. Die orthodoxe Priesterschaft,
die der Betätigung der Geistlichkeit auf
sozialem Gebiet außerhalb der Kirche mit
gemischten Gefühlen, ja feindlich gegenübersteht,
wird gerade von dem bezeichneten Kernwerk
aus sich auch aus solchen Kreisen der Nation
Politische Hilfstruppen zu gewinnen suchen,
die, obwohl sie der theologischen Philosophie,
dem mystischen Jenseitsglauben an sich, recht
kritisch gegenüberstehen, doch für die Stärkung
der Priestergewalt eintreten/ eben weil eine
Erfahrung von Jahrtausenden gelehrt hat,

[Spaltenumbruch]

daß der liebe Gott bei den größten Bataillonen
steht, und daß die größten Bataillone sich
dort am leichtesten ausfüllen ließen, wo das
Priestertum einen gewissen Einfluß auf das
Volk behalten hat; und wenn kürzlich der
Breslauer Nationalökonom Julius Wolff den
katholischen Volksteil das Pivot der deutschen
Volkskraft nannte, so liegt diese Auffassung
im Rahmen jener Beobachtungen, die zur
Ablehmmg der weitgehenden sozialen Hygiene
verleiten.

Bei den großen inneren Kämpfen, die die
Priesterschaften aller Kirchen gegenwärtig
entzweien, bei dem Eintreten selbst konser¬
vativer Kreise in Preußen für eine Trennung
der Kirche vom Staat (s. z. B. Kreuzzeitung),
das will sagen: für die Entkleidung der
Priesterschaft ihrer äußeren Machtmittel, bildet
die Sozialpolitik eine letzte Stellung gegen
den erneut anstürmenden Positivismus, und
der Arzt, ehemals als Medizinmann des
Priesters alter ego, steigt auf die Schanzen,
wohlbereit sich mit jenem von neuem zu
verbinden, aber nur zum Dienst in einer
Volkswohlfahrt, die Seele und Leib be¬
rücksichtigt, und die aus eine wechselseitige
Knechtung beider, auf leibliches und geistiges
Asketentum verzichtet. Neus ssns in corpore
G, Li. SÄno l

Genealogie

Heute möchte ich mit zwei irrtümlichen
"jüdischen Zuschreibungen" des "Semigotha"
beginnen, die, wegen ihrer Begründung, ganz
besonders eigenartig anmuten. In der ersten
wird der große Geschichtsforscher Leopold von
Ranke schlankweg zum Judensprossen gemacht.
Es heißt: "Ranke aus dem Stamme Rüben"
in der Überschrift; dann aber weiter: "Ranke
ist der symbolische Name ganz Judas,
der jüdische Efeu, der sich an der deutschen
Eiche emporrankt, sie umklammert und ihr alle
Lebenssäfte unterbindet, bis hio ermorscht und in
sich zusammenbricht... Rankes Weltgeschichte
gibt eine Reihe von evangelischen Pfarrer¬
vorfahren an, die alle Israel hießen, deren
Nachkommen dem Rassekundigen noch heute
danach aussehen ... Das Pochen auf Pastoren¬
verwandtschaft ist eben kein untrügliches
Zeugnis für echtes Deutschtum, haben sich
doch die Semiten bereits stark in das christ-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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bares Gebiet gemeinsamer Tätigkeit der Arzte
und Volkswirte sein wird."

Es sind nicht nur die Volkswirte, die hier
mit zugreifen sollten, — in diesem Grenz¬
gebiet trifft sich wieder der Priester, der
Seelsorger im weitesten Sinne, mit dem
Medizinmann.

Doch wird es Wohl nicht so bald ein
friedvolles Zusammentreffen sein. Gerade
weil sich noch so vieles gegen die Borschläge
der Sozial- oder Rassenhygieniker ins Feld
führen läßt, und weil die Orthodoxie kaum
kampflos die Schanzen räumen wird, obwohl
ein großer Teil der deutschen Geistlichkeit
schon heute auf dem Gebiet der sozialen
Fürsorge mit Einschluß sozialer Hygiene
Schulter an Schulter mit den Ärzten be¬
deutendes leistet, wird es vor dem Siege der
Naturwissenschaften auf diesem Gebiet noch
manchen harten Kampf geben. Wenn Grot-
jahn auf den Vorwarf, die soziale Hygiene
bedinge Verschlechterung der Rasse, so frei¬
mütig hinweist, wie er es tut, so gibt das
seiner Forschung einen ganz besonderen Wert:
es zeigt sich darin die absolute Ehrlichkeit
seines Strebens, bei festen Glauben an den
endlichen Sieg.

NichtweichlicheHumanitätsduselei beherrscht
ein Werk bei aller Nächstenliebe, sondern der
Wunsch, die Nation für den Kampf ums
Dasein zu vervollkommnen. Das muß hier
ausdrücklich hervorgehoben werden, weil sich
hier Wissenschaft und Politik berühren und
die Gegner sicher nicht zögern werden, den
schwachen Punkt in Grotjahns Vorschlägen
auszunutzen, um die ganzen Bestrebungen der
Naturwissenschaftler in den Augen des Publi¬
kums, sei es als Utopie lächerlich zu machen,
sei es als Verbrechen an der Nation zu
brandmarken. Die orthodoxe Priesterschaft,
die der Betätigung der Geistlichkeit auf
sozialem Gebiet außerhalb der Kirche mit
gemischten Gefühlen, ja feindlich gegenübersteht,
wird gerade von dem bezeichneten Kernwerk
aus sich auch aus solchen Kreisen der Nation
Politische Hilfstruppen zu gewinnen suchen,
die, obwohl sie der theologischen Philosophie,
dem mystischen Jenseitsglauben an sich, recht
kritisch gegenüberstehen, doch für die Stärkung
der Priestergewalt eintreten/ eben weil eine
Erfahrung von Jahrtausenden gelehrt hat,

[Spaltenumbruch]

daß der liebe Gott bei den größten Bataillonen
steht, und daß die größten Bataillone sich
dort am leichtesten ausfüllen ließen, wo das
Priestertum einen gewissen Einfluß auf das
Volk behalten hat; und wenn kürzlich der
Breslauer Nationalökonom Julius Wolff den
katholischen Volksteil das Pivot der deutschen
Volkskraft nannte, so liegt diese Auffassung
im Rahmen jener Beobachtungen, die zur
Ablehmmg der weitgehenden sozialen Hygiene
verleiten.

Bei den großen inneren Kämpfen, die die
Priesterschaften aller Kirchen gegenwärtig
entzweien, bei dem Eintreten selbst konser¬
vativer Kreise in Preußen für eine Trennung
der Kirche vom Staat (s. z. B. Kreuzzeitung),
das will sagen: für die Entkleidung der
Priesterschaft ihrer äußeren Machtmittel, bildet
die Sozialpolitik eine letzte Stellung gegen
den erneut anstürmenden Positivismus, und
der Arzt, ehemals als Medizinmann des
Priesters alter ego, steigt auf die Schanzen,
wohlbereit sich mit jenem von neuem zu
verbinden, aber nur zum Dienst in einer
Volkswohlfahrt, die Seele und Leib be¬
rücksichtigt, und die aus eine wechselseitige
Knechtung beider, auf leibliches und geistiges
Asketentum verzichtet. Neus ssns in corpore
G, Li. SÄno l

Genealogie

Heute möchte ich mit zwei irrtümlichen
„jüdischen Zuschreibungen" des „Semigotha"
beginnen, die, wegen ihrer Begründung, ganz
besonders eigenartig anmuten. In der ersten
wird der große Geschichtsforscher Leopold von
Ranke schlankweg zum Judensprossen gemacht.
Es heißt: „Ranke aus dem Stamme Rüben"
in der Überschrift; dann aber weiter: „Ranke
ist der symbolische Name ganz Judas,
der jüdische Efeu, der sich an der deutschen
Eiche emporrankt, sie umklammert und ihr alle
Lebenssäfte unterbindet, bis hio ermorscht und in
sich zusammenbricht... Rankes Weltgeschichte
gibt eine Reihe von evangelischen Pfarrer¬
vorfahren an, die alle Israel hießen, deren
Nachkommen dem Rassekundigen noch heute
danach aussehen ... Das Pochen auf Pastoren¬
verwandtschaft ist eben kein untrügliches
Zeugnis für echtes Deutschtum, haben sich
doch die Semiten bereits stark in das christ-

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[0291] Maßgebliches und Unmaßgebliches bares Gebiet gemeinsamer Tätigkeit der Arzte und Volkswirte sein wird." Es sind nicht nur die Volkswirte, die hier mit zugreifen sollten, — in diesem Grenz¬ gebiet trifft sich wieder der Priester, der Seelsorger im weitesten Sinne, mit dem Medizinmann. Doch wird es Wohl nicht so bald ein friedvolles Zusammentreffen sein. Gerade weil sich noch so vieles gegen die Borschläge der Sozial- oder Rassenhygieniker ins Feld führen läßt, und weil die Orthodoxie kaum kampflos die Schanzen räumen wird, obwohl ein großer Teil der deutschen Geistlichkeit schon heute auf dem Gebiet der sozialen Fürsorge mit Einschluß sozialer Hygiene Schulter an Schulter mit den Ärzten be¬ deutendes leistet, wird es vor dem Siege der Naturwissenschaften auf diesem Gebiet noch manchen harten Kampf geben. Wenn Grot- jahn auf den Vorwarf, die soziale Hygiene bedinge Verschlechterung der Rasse, so frei¬ mütig hinweist, wie er es tut, so gibt das seiner Forschung einen ganz besonderen Wert: es zeigt sich darin die absolute Ehrlichkeit seines Strebens, bei festen Glauben an den endlichen Sieg. NichtweichlicheHumanitätsduselei beherrscht ein Werk bei aller Nächstenliebe, sondern der Wunsch, die Nation für den Kampf ums Dasein zu vervollkommnen. Das muß hier ausdrücklich hervorgehoben werden, weil sich hier Wissenschaft und Politik berühren und die Gegner sicher nicht zögern werden, den schwachen Punkt in Grotjahns Vorschlägen auszunutzen, um die ganzen Bestrebungen der Naturwissenschaftler in den Augen des Publi¬ kums, sei es als Utopie lächerlich zu machen, sei es als Verbrechen an der Nation zu brandmarken. Die orthodoxe Priesterschaft, die der Betätigung der Geistlichkeit auf sozialem Gebiet außerhalb der Kirche mit gemischten Gefühlen, ja feindlich gegenübersteht, wird gerade von dem bezeichneten Kernwerk aus sich auch aus solchen Kreisen der Nation Politische Hilfstruppen zu gewinnen suchen, die, obwohl sie der theologischen Philosophie, dem mystischen Jenseitsglauben an sich, recht kritisch gegenüberstehen, doch für die Stärkung der Priestergewalt eintreten/ eben weil eine Erfahrung von Jahrtausenden gelehrt hat, daß der liebe Gott bei den größten Bataillonen steht, und daß die größten Bataillone sich dort am leichtesten ausfüllen ließen, wo das Priestertum einen gewissen Einfluß auf das Volk behalten hat; und wenn kürzlich der Breslauer Nationalökonom Julius Wolff den katholischen Volksteil das Pivot der deutschen Volkskraft nannte, so liegt diese Auffassung im Rahmen jener Beobachtungen, die zur Ablehmmg der weitgehenden sozialen Hygiene verleiten. Bei den großen inneren Kämpfen, die die Priesterschaften aller Kirchen gegenwärtig entzweien, bei dem Eintreten selbst konser¬ vativer Kreise in Preußen für eine Trennung der Kirche vom Staat (s. z. B. Kreuzzeitung), das will sagen: für die Entkleidung der Priesterschaft ihrer äußeren Machtmittel, bildet die Sozialpolitik eine letzte Stellung gegen den erneut anstürmenden Positivismus, und der Arzt, ehemals als Medizinmann des Priesters alter ego, steigt auf die Schanzen, wohlbereit sich mit jenem von neuem zu verbinden, aber nur zum Dienst in einer Volkswohlfahrt, die Seele und Leib be¬ rücksichtigt, und die aus eine wechselseitige Knechtung beider, auf leibliches und geistiges Asketentum verzichtet. Neus ssns in corpore G, Li. SÄno l Genealogie Heute möchte ich mit zwei irrtümlichen „jüdischen Zuschreibungen" des „Semigotha" beginnen, die, wegen ihrer Begründung, ganz besonders eigenartig anmuten. In der ersten wird der große Geschichtsforscher Leopold von Ranke schlankweg zum Judensprossen gemacht. Es heißt: „Ranke aus dem Stamme Rüben" in der Überschrift; dann aber weiter: „Ranke ist der symbolische Name ganz Judas, der jüdische Efeu, der sich an der deutschen Eiche emporrankt, sie umklammert und ihr alle Lebenssäfte unterbindet, bis hio ermorscht und in sich zusammenbricht... Rankes Weltgeschichte gibt eine Reihe von evangelischen Pfarrer¬ vorfahren an, die alle Israel hießen, deren Nachkommen dem Rassekundigen noch heute danach aussehen ... Das Pochen auf Pastoren¬ verwandtschaft ist eben kein untrügliches Zeugnis für echtes Deutschtum, haben sich doch die Semiten bereits stark in das christ-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/291>, abgerufen am 29.06.2024.