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Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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liebe Hirtenamt eingenistet. Viele werden
nicht gern an die jüdische Herkunft Rankes
glauben wollen, die auch von beachtenswerter
Seite nicht zugegeben wird." Nun beginnt
der "genealoge" (wie der "Semigotha" sagt)
Text: "Gottlieb Israel Ranke, aus thürin¬
gischer einst motorischer Judenfamilie, f Erfurt
als Advokat usw. Beider Sohn: Franz
Leopold v. Ranke usw. -- Seine Schriften
tragen deutlich das Gepräge semitischen Den¬
kens; jede Epoche, meinte er, habe ihren Wert,
ihren eigentümlichen Genius für sich, vor
Gott erscheinen alle Generationen der Mensch¬
heit als gleichberechtigt und so niüsse auch
der Historiker die Sache ansehen (1854)."
Hier soll also eine anerkannte Leuchte der
Wissenschaft, deren Lehren den Männern des
"Semigotha" unbequem sind, in den Augen
ihnen nahestehender Kreise dadurch herab¬
gesetzt werden, daß man diesen Mann zum
Nachkommen von Juden macht I In Wahrheit
ist eine jüdische Abstammung der Ranke ganz
ausgeschlossen. Der älteste bekannte Stamm¬
vater ist Andreas Ranke, um 1600 Stadt¬
kämmerer zu Wettin. Wer Stadtkämmerer
war, mußte auch das Bürgerrecht besitzen.
Auch in einem Städtchen wie Wettin konnte
zu jener Zeit kein Jude Bürger sein. Das
müssen die Gelehrten des "Semigotha" wissen.
Dann kommen im Stammbaum der Ranke drei
Pastoren vor, Großvater, Vater und Sohn:
Israel, Pfarrer zu Bornstedt, gestorben 1694;
Israel, Pfarrer zu Wolferode, gestorben 1723,
und Johann Heinrich Israel, Pastor zu Ritte¬
burg, gestorben 1799. Auf diese bezieht sich
die ganz törichte Anspielung des "Semigotha"
hinsichtlich des Vornamens Israel. Es muß
hiergegen ein für allemal festgestellt werden,
daß die altbiblischen, alttestamentlichen Vor¬
namen sich in sehr alten, evangelischen, na¬
mentlich reformierten Geschlechtern sehr oft
finden, aber auch in lutherischen. Das ist,
genau umgekehrt, wie der "Semigotha" meint,
gerade ein Zeichen alter, zäher Zugehörigkeit
zum evangelischen, also christlichen Glauben.
Diese Vornamen wurden gewählt im Gegen¬
satze zu den neutestamentlichen Vornamen, die,
als Heiligennamen, unseren evangelischen Alt¬
vorderen einen katholischen Beigeschmack hatten.
Und nun endlich die Ableugnung der Be¬
deutung der Reihe evangelischer Pastoren für

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die Beurteilung christlicher oder jüdischer Ab¬
stammung I Evangelische Pastoren in aller
Zeit sind ein ganz untrügliches Zeichen christ¬
licher Abstammung. In diesen, Punkte irrt
der "Semigotha" ganz bestimmt. JeneTatsciche
ist ihm sehr unbequem. Man merkt es daran,
wie das "Redaktionskomitee" fortwährend auf
die Frage zurückkommt und sich nicht genug
freuen kann, ein oder ein Paar Beispiele ge¬
funden zu haben, wo Juden oder unmittel¬
bare Nachkommen von Juden als Christen,
sich demi geistlichen Stande gewidmet haben
und in Pastorenämter gelangt sind. Diese
Beispiele beweisen aber, gerade wieder um¬
gekehrt, daß der "Semigotha" nicht Recht hat.
Denn von solchen Einzelfällen ist in alten
Zeiten ein solches Aufhebens gemacht worden,
eine ganze kleine Literatur schloß sich jedesmal
an einen solchen "Fall" an, der "Triumph
des Christentums" erschien den Zeitgenossen
des engeren Kreises jedesmal so groß, daß
diese Einzelfälle sich genau nachweisen lassen
und, wo nichts dergleichen sich nachweisen läßt,
deutet der evangelische Pastor als Stamm¬
vater, noch mehr eine Reihe von solchen,
immer mit Sicherheit auf altchristliche Ab¬
stammung.

Auf ähnlichen Wegen ertappt man den
"Semigotha" in einem Artikel: "Bieder¬
mann" (es sind mehrere über verschiedene
Geschlechter dieses Namens in dem Buch I), der
im wesentlichen folgendermaßen lautet: "Der
freih. Gotha (1911, S. 64) enthält eine, von
Gustav Biedermann usw. abstammende Fa¬
milie, welche durch undeutsche exotische Vor¬
namen auffällt." Es heißt dann weiter, daß
der "Semigotha" nicht an eine zufällige
Ramensgleichheit mit anderen Adelsgeschlech¬
tern des Namens Biedermann, die jüdisch
sind, glaube, sondern an eine gemeinsame
jüdische Abkunft. Für diese gingen ihm "aller¬
dings die Belege ab". Dann heißt es weiter:
"In dieser Anschauung bestärkt uns nebst
anderem die undeutsche Agitation des Frhrn.
.Flodoard' v. Biedermann, erster Vorsitzender
des Berliner Journalisten- und Schriftsteller-
Vereins usw. und Dresdner Verlagsbuch¬
händler usw. gegen die Deutschschrift für die
fremde Lateinschrift usw- Es ist ganz merk¬
würdig, daß jüdisches Blut stets für Fremd-
länderei und antideutsch ist -- der Rückschluß

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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liebe Hirtenamt eingenistet. Viele werden
nicht gern an die jüdische Herkunft Rankes
glauben wollen, die auch von beachtenswerter
Seite nicht zugegeben wird." Nun beginnt
der „genealoge" (wie der „Semigotha" sagt)
Text: „Gottlieb Israel Ranke, aus thürin¬
gischer einst motorischer Judenfamilie, f Erfurt
als Advokat usw. Beider Sohn: Franz
Leopold v. Ranke usw. — Seine Schriften
tragen deutlich das Gepräge semitischen Den¬
kens; jede Epoche, meinte er, habe ihren Wert,
ihren eigentümlichen Genius für sich, vor
Gott erscheinen alle Generationen der Mensch¬
heit als gleichberechtigt und so niüsse auch
der Historiker die Sache ansehen (1854)."
Hier soll also eine anerkannte Leuchte der
Wissenschaft, deren Lehren den Männern des
„Semigotha" unbequem sind, in den Augen
ihnen nahestehender Kreise dadurch herab¬
gesetzt werden, daß man diesen Mann zum
Nachkommen von Juden macht I In Wahrheit
ist eine jüdische Abstammung der Ranke ganz
ausgeschlossen. Der älteste bekannte Stamm¬
vater ist Andreas Ranke, um 1600 Stadt¬
kämmerer zu Wettin. Wer Stadtkämmerer
war, mußte auch das Bürgerrecht besitzen.
Auch in einem Städtchen wie Wettin konnte
zu jener Zeit kein Jude Bürger sein. Das
müssen die Gelehrten des „Semigotha" wissen.
Dann kommen im Stammbaum der Ranke drei
Pastoren vor, Großvater, Vater und Sohn:
Israel, Pfarrer zu Bornstedt, gestorben 1694;
Israel, Pfarrer zu Wolferode, gestorben 1723,
und Johann Heinrich Israel, Pastor zu Ritte¬
burg, gestorben 1799. Auf diese bezieht sich
die ganz törichte Anspielung des „Semigotha"
hinsichtlich des Vornamens Israel. Es muß
hiergegen ein für allemal festgestellt werden,
daß die altbiblischen, alttestamentlichen Vor¬
namen sich in sehr alten, evangelischen, na¬
mentlich reformierten Geschlechtern sehr oft
finden, aber auch in lutherischen. Das ist,
genau umgekehrt, wie der „Semigotha" meint,
gerade ein Zeichen alter, zäher Zugehörigkeit
zum evangelischen, also christlichen Glauben.
Diese Vornamen wurden gewählt im Gegen¬
satze zu den neutestamentlichen Vornamen, die,
als Heiligennamen, unseren evangelischen Alt¬
vorderen einen katholischen Beigeschmack hatten.
Und nun endlich die Ableugnung der Be¬
deutung der Reihe evangelischer Pastoren für

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die Beurteilung christlicher oder jüdischer Ab¬
stammung I Evangelische Pastoren in aller
Zeit sind ein ganz untrügliches Zeichen christ¬
licher Abstammung. In diesen, Punkte irrt
der „Semigotha" ganz bestimmt. JeneTatsciche
ist ihm sehr unbequem. Man merkt es daran,
wie das „Redaktionskomitee" fortwährend auf
die Frage zurückkommt und sich nicht genug
freuen kann, ein oder ein Paar Beispiele ge¬
funden zu haben, wo Juden oder unmittel¬
bare Nachkommen von Juden als Christen,
sich demi geistlichen Stande gewidmet haben
und in Pastorenämter gelangt sind. Diese
Beispiele beweisen aber, gerade wieder um¬
gekehrt, daß der „Semigotha" nicht Recht hat.
Denn von solchen Einzelfällen ist in alten
Zeiten ein solches Aufhebens gemacht worden,
eine ganze kleine Literatur schloß sich jedesmal
an einen solchen „Fall" an, der „Triumph
des Christentums" erschien den Zeitgenossen
des engeren Kreises jedesmal so groß, daß
diese Einzelfälle sich genau nachweisen lassen
und, wo nichts dergleichen sich nachweisen läßt,
deutet der evangelische Pastor als Stamm¬
vater, noch mehr eine Reihe von solchen,
immer mit Sicherheit auf altchristliche Ab¬
stammung.

Auf ähnlichen Wegen ertappt man den
„Semigotha" in einem Artikel: „Bieder¬
mann" (es sind mehrere über verschiedene
Geschlechter dieses Namens in dem Buch I), der
im wesentlichen folgendermaßen lautet: „Der
freih. Gotha (1911, S. 64) enthält eine, von
Gustav Biedermann usw. abstammende Fa¬
milie, welche durch undeutsche exotische Vor¬
namen auffällt." Es heißt dann weiter, daß
der „Semigotha" nicht an eine zufällige
Ramensgleichheit mit anderen Adelsgeschlech¬
tern des Namens Biedermann, die jüdisch
sind, glaube, sondern an eine gemeinsame
jüdische Abkunft. Für diese gingen ihm „aller¬
dings die Belege ab". Dann heißt es weiter:
„In dieser Anschauung bestärkt uns nebst
anderem die undeutsche Agitation des Frhrn.
.Flodoard' v. Biedermann, erster Vorsitzender
des Berliner Journalisten- und Schriftsteller-
Vereins usw. und Dresdner Verlagsbuch¬
händler usw. gegen die Deutschschrift für die
fremde Lateinschrift usw- Es ist ganz merk¬
würdig, daß jüdisches Blut stets für Fremd-
länderei und antideutsch ist — der Rückschluß

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[0292] Maßgebliches und Unmaßgebliches liebe Hirtenamt eingenistet. Viele werden nicht gern an die jüdische Herkunft Rankes glauben wollen, die auch von beachtenswerter Seite nicht zugegeben wird." Nun beginnt der „genealoge" (wie der „Semigotha" sagt) Text: „Gottlieb Israel Ranke, aus thürin¬ gischer einst motorischer Judenfamilie, f Erfurt als Advokat usw. Beider Sohn: Franz Leopold v. Ranke usw. — Seine Schriften tragen deutlich das Gepräge semitischen Den¬ kens; jede Epoche, meinte er, habe ihren Wert, ihren eigentümlichen Genius für sich, vor Gott erscheinen alle Generationen der Mensch¬ heit als gleichberechtigt und so niüsse auch der Historiker die Sache ansehen (1854)." Hier soll also eine anerkannte Leuchte der Wissenschaft, deren Lehren den Männern des „Semigotha" unbequem sind, in den Augen ihnen nahestehender Kreise dadurch herab¬ gesetzt werden, daß man diesen Mann zum Nachkommen von Juden macht I In Wahrheit ist eine jüdische Abstammung der Ranke ganz ausgeschlossen. Der älteste bekannte Stamm¬ vater ist Andreas Ranke, um 1600 Stadt¬ kämmerer zu Wettin. Wer Stadtkämmerer war, mußte auch das Bürgerrecht besitzen. Auch in einem Städtchen wie Wettin konnte zu jener Zeit kein Jude Bürger sein. Das müssen die Gelehrten des „Semigotha" wissen. Dann kommen im Stammbaum der Ranke drei Pastoren vor, Großvater, Vater und Sohn: Israel, Pfarrer zu Bornstedt, gestorben 1694; Israel, Pfarrer zu Wolferode, gestorben 1723, und Johann Heinrich Israel, Pastor zu Ritte¬ burg, gestorben 1799. Auf diese bezieht sich die ganz törichte Anspielung des „Semigotha" hinsichtlich des Vornamens Israel. Es muß hiergegen ein für allemal festgestellt werden, daß die altbiblischen, alttestamentlichen Vor¬ namen sich in sehr alten, evangelischen, na¬ mentlich reformierten Geschlechtern sehr oft finden, aber auch in lutherischen. Das ist, genau umgekehrt, wie der „Semigotha" meint, gerade ein Zeichen alter, zäher Zugehörigkeit zum evangelischen, also christlichen Glauben. Diese Vornamen wurden gewählt im Gegen¬ satze zu den neutestamentlichen Vornamen, die, als Heiligennamen, unseren evangelischen Alt¬ vorderen einen katholischen Beigeschmack hatten. Und nun endlich die Ableugnung der Be¬ deutung der Reihe evangelischer Pastoren für die Beurteilung christlicher oder jüdischer Ab¬ stammung I Evangelische Pastoren in aller Zeit sind ein ganz untrügliches Zeichen christ¬ licher Abstammung. In diesen, Punkte irrt der „Semigotha" ganz bestimmt. JeneTatsciche ist ihm sehr unbequem. Man merkt es daran, wie das „Redaktionskomitee" fortwährend auf die Frage zurückkommt und sich nicht genug freuen kann, ein oder ein Paar Beispiele ge¬ funden zu haben, wo Juden oder unmittel¬ bare Nachkommen von Juden als Christen, sich demi geistlichen Stande gewidmet haben und in Pastorenämter gelangt sind. Diese Beispiele beweisen aber, gerade wieder um¬ gekehrt, daß der „Semigotha" nicht Recht hat. Denn von solchen Einzelfällen ist in alten Zeiten ein solches Aufhebens gemacht worden, eine ganze kleine Literatur schloß sich jedesmal an einen solchen „Fall" an, der „Triumph des Christentums" erschien den Zeitgenossen des engeren Kreises jedesmal so groß, daß diese Einzelfälle sich genau nachweisen lassen und, wo nichts dergleichen sich nachweisen läßt, deutet der evangelische Pastor als Stamm¬ vater, noch mehr eine Reihe von solchen, immer mit Sicherheit auf altchristliche Ab¬ stammung. Auf ähnlichen Wegen ertappt man den „Semigotha" in einem Artikel: „Bieder¬ mann" (es sind mehrere über verschiedene Geschlechter dieses Namens in dem Buch I), der im wesentlichen folgendermaßen lautet: „Der freih. Gotha (1911, S. 64) enthält eine, von Gustav Biedermann usw. abstammende Fa¬ milie, welche durch undeutsche exotische Vor¬ namen auffällt." Es heißt dann weiter, daß der „Semigotha" nicht an eine zufällige Ramensgleichheit mit anderen Adelsgeschlech¬ tern des Namens Biedermann, die jüdisch sind, glaube, sondern an eine gemeinsame jüdische Abkunft. Für diese gingen ihm „aller¬ dings die Belege ab". Dann heißt es weiter: „In dieser Anschauung bestärkt uns nebst anderem die undeutsche Agitation des Frhrn. .Flodoard' v. Biedermann, erster Vorsitzender des Berliner Journalisten- und Schriftsteller- Vereins usw. und Dresdner Verlagsbuch¬ händler usw. gegen die Deutschschrift für die fremde Lateinschrift usw- Es ist ganz merk¬ würdig, daß jüdisches Blut stets für Fremd- länderei und antideutsch ist — der Rückschluß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/292>, abgerufen am 01.07.2024.