Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Reichsspiegel
Die jüngsten Änderungen des Reichsstrafgesetzbuchs

Novelle vom 19. Juni 1912 -- Hausfriedensbruch -- Schutz wehrloser Kinder --
Diebstahl -- Mildere Strafen -- Telephongeheimnis -- Schlosser und Wohnungs¬
schlüssel -- Milderungen des Gesetzes in Preuszen

Bekanntlich ist seit längerer Zeit ein besonderer Ausschuß mit Ausarbeitung
eines neuen Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich beschäftigt. Da aber bis
zum Erscheinen des neuen Gesetzes noch geraume Zeit vergehen wird, ist, um
fühlbar gewordenen Mängeln abzuhelfen, in der am 21. Juni in Berlin aus¬
gegebenen Ur. 37 des Reichsgesetzblatts zu den bisherigen vielen Novellen zum
Reichsstrafgesetzbuche vom 15. Mai 1871 eine neue mit dem Datum des
19. Juni 1912 veröffentlicht worden.

Ihr Inhalt war schon im vorigen Reichstage eingebracht und beraten
worden, das Gesetz kam aber infolge Schlusses der Legislaturperiode nicht
zustande. Der neue Reichstag hat nun auf Grund eines Antrages des Ab¬
geordneten Wellstein den Entwurf wiederum beraten und ihn -- unter Aus¬
scheidung der die Bestimmungen über Beleidigung, Erpressung und Tierquälerei
abändernden Vorschriften -- angenommen, worauf das Gesetz nun veröffent¬
licht ist.

Das Gesetz bringt folgende Änderungen:

1. Der vom Hausfriedensbruch handelnde Z 123 hat eine völlig andere
Fassung erhalten:

a) Fortan sind auch Räume, welche zum öffentlichen Verkehre bestimmt
sind, z. B. Eisenbahnabteile und Straßenbahnwagen, gegen Verletzung des Haus¬
friedens geschützt.

b) Gemeinschaftlicher und mit Waffen begangener Hausfriedensbruch war
bisher mit Gefängnis von 1 Woche bis 1 Jahr bedroht, jetzt nur noch mit
Gefängnis von 1 Tag bis 1 Jahr und daneben mit Geldstrafe von 3 Mark
bis 1000 Mark.

c) Diese Geldstrafe ist an erster Stelle angedroht, sie kann daher bei
Unemtreibbarkeit auch nach Z 28 Abs. 2 in Hast umgewandelt werden.




Reichsspiegel
Die jüngsten Änderungen des Reichsstrafgesetzbuchs

Novelle vom 19. Juni 1912 — Hausfriedensbruch — Schutz wehrloser Kinder —
Diebstahl — Mildere Strafen — Telephongeheimnis — Schlosser und Wohnungs¬
schlüssel — Milderungen des Gesetzes in Preuszen

Bekanntlich ist seit längerer Zeit ein besonderer Ausschuß mit Ausarbeitung
eines neuen Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich beschäftigt. Da aber bis
zum Erscheinen des neuen Gesetzes noch geraume Zeit vergehen wird, ist, um
fühlbar gewordenen Mängeln abzuhelfen, in der am 21. Juni in Berlin aus¬
gegebenen Ur. 37 des Reichsgesetzblatts zu den bisherigen vielen Novellen zum
Reichsstrafgesetzbuche vom 15. Mai 1871 eine neue mit dem Datum des
19. Juni 1912 veröffentlicht worden.

Ihr Inhalt war schon im vorigen Reichstage eingebracht und beraten
worden, das Gesetz kam aber infolge Schlusses der Legislaturperiode nicht
zustande. Der neue Reichstag hat nun auf Grund eines Antrages des Ab¬
geordneten Wellstein den Entwurf wiederum beraten und ihn — unter Aus¬
scheidung der die Bestimmungen über Beleidigung, Erpressung und Tierquälerei
abändernden Vorschriften — angenommen, worauf das Gesetz nun veröffent¬
licht ist.

Das Gesetz bringt folgende Änderungen:

1. Der vom Hausfriedensbruch handelnde Z 123 hat eine völlig andere
Fassung erhalten:

a) Fortan sind auch Räume, welche zum öffentlichen Verkehre bestimmt
sind, z. B. Eisenbahnabteile und Straßenbahnwagen, gegen Verletzung des Haus¬
friedens geschützt.

b) Gemeinschaftlicher und mit Waffen begangener Hausfriedensbruch war
bisher mit Gefängnis von 1 Woche bis 1 Jahr bedroht, jetzt nur noch mit
Gefängnis von 1 Tag bis 1 Jahr und daneben mit Geldstrafe von 3 Mark
bis 1000 Mark.

c) Diese Geldstrafe ist an erster Stelle angedroht, sie kann daher bei
Unemtreibbarkeit auch nach Z 28 Abs. 2 in Hast umgewandelt werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/321900"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341895_321746/figures/grenzboten_341895_321746_321900_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Reichsspiegel<lb/><lb/>
Die jüngsten Änderungen des Reichsstrafgesetzbuchs</head><lb/>
          <note type="argument"> Novelle vom 19. Juni 1912 &#x2014; Hausfriedensbruch &#x2014; Schutz wehrloser Kinder &#x2014;<lb/>
Diebstahl &#x2014; Mildere Strafen &#x2014; Telephongeheimnis &#x2014; Schlosser und Wohnungs¬<lb/>
schlüssel &#x2014; Milderungen des Gesetzes in Preuszen</note><lb/>
          <p xml:id="ID_566"> Bekanntlich ist seit längerer Zeit ein besonderer Ausschuß mit Ausarbeitung<lb/>
eines neuen Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich beschäftigt. Da aber bis<lb/>
zum Erscheinen des neuen Gesetzes noch geraume Zeit vergehen wird, ist, um<lb/>
fühlbar gewordenen Mängeln abzuhelfen, in der am 21. Juni in Berlin aus¬<lb/>
gegebenen Ur. 37 des Reichsgesetzblatts zu den bisherigen vielen Novellen zum<lb/>
Reichsstrafgesetzbuche vom 15. Mai 1871 eine neue mit dem Datum des<lb/>
19. Juni 1912 veröffentlicht worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_567"> Ihr Inhalt war schon im vorigen Reichstage eingebracht und beraten<lb/>
worden, das Gesetz kam aber infolge Schlusses der Legislaturperiode nicht<lb/>
zustande. Der neue Reichstag hat nun auf Grund eines Antrages des Ab¬<lb/>
geordneten Wellstein den Entwurf wiederum beraten und ihn &#x2014; unter Aus¬<lb/>
scheidung der die Bestimmungen über Beleidigung, Erpressung und Tierquälerei<lb/>
abändernden Vorschriften &#x2014; angenommen, worauf das Gesetz nun veröffent¬<lb/>
licht ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_568"> Das Gesetz bringt folgende Änderungen:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_569"> 1. Der vom Hausfriedensbruch handelnde Z 123 hat eine völlig andere<lb/>
Fassung erhalten:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_570"> a) Fortan sind auch Räume, welche zum öffentlichen Verkehre bestimmt<lb/>
sind, z. B. Eisenbahnabteile und Straßenbahnwagen, gegen Verletzung des Haus¬<lb/>
friedens geschützt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_571"> b) Gemeinschaftlicher und mit Waffen begangener Hausfriedensbruch war<lb/>
bisher mit Gefängnis von 1 Woche bis 1 Jahr bedroht, jetzt nur noch mit<lb/>
Gefängnis von 1 Tag bis 1 Jahr und daneben mit Geldstrafe von 3 Mark<lb/>
bis 1000 Mark.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_572"> c) Diese Geldstrafe ist an erster Stelle angedroht, sie kann daher bei<lb/>
Unemtreibbarkeit auch nach Z 28 Abs. 2 in Hast umgewandelt werden.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0153] [Abbildung] Reichsspiegel Die jüngsten Änderungen des Reichsstrafgesetzbuchs Novelle vom 19. Juni 1912 — Hausfriedensbruch — Schutz wehrloser Kinder — Diebstahl — Mildere Strafen — Telephongeheimnis — Schlosser und Wohnungs¬ schlüssel — Milderungen des Gesetzes in Preuszen Bekanntlich ist seit längerer Zeit ein besonderer Ausschuß mit Ausarbeitung eines neuen Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich beschäftigt. Da aber bis zum Erscheinen des neuen Gesetzes noch geraume Zeit vergehen wird, ist, um fühlbar gewordenen Mängeln abzuhelfen, in der am 21. Juni in Berlin aus¬ gegebenen Ur. 37 des Reichsgesetzblatts zu den bisherigen vielen Novellen zum Reichsstrafgesetzbuche vom 15. Mai 1871 eine neue mit dem Datum des 19. Juni 1912 veröffentlicht worden. Ihr Inhalt war schon im vorigen Reichstage eingebracht und beraten worden, das Gesetz kam aber infolge Schlusses der Legislaturperiode nicht zustande. Der neue Reichstag hat nun auf Grund eines Antrages des Ab¬ geordneten Wellstein den Entwurf wiederum beraten und ihn — unter Aus¬ scheidung der die Bestimmungen über Beleidigung, Erpressung und Tierquälerei abändernden Vorschriften — angenommen, worauf das Gesetz nun veröffent¬ licht ist. Das Gesetz bringt folgende Änderungen: 1. Der vom Hausfriedensbruch handelnde Z 123 hat eine völlig andere Fassung erhalten: a) Fortan sind auch Räume, welche zum öffentlichen Verkehre bestimmt sind, z. B. Eisenbahnabteile und Straßenbahnwagen, gegen Verletzung des Haus¬ friedens geschützt. b) Gemeinschaftlicher und mit Waffen begangener Hausfriedensbruch war bisher mit Gefängnis von 1 Woche bis 1 Jahr bedroht, jetzt nur noch mit Gefängnis von 1 Tag bis 1 Jahr und daneben mit Geldstrafe von 3 Mark bis 1000 Mark. c) Diese Geldstrafe ist an erster Stelle angedroht, sie kann daher bei Unemtreibbarkeit auch nach Z 28 Abs. 2 in Hast umgewandelt werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/153
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 71, 1912, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341895_321746/153>, abgerufen am 29.06.2024.