Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel Icchrschluß Regierung und Wahlen -- Pläne für 1912 -- Die neuen Reichstagskandidaten -- Die hinterlassenen Probleme -- 1912 In den brodelnden Brei der auf dem Wahlfeuer erhitzten Neichs- Meine im vorigen Reichsspiegel ausgesprochene Auffassung, daß die Re¬ Reichsspiegel Icchrschluß Regierung und Wahlen — Pläne für 1912 — Die neuen Reichstagskandidaten — Die hinterlassenen Probleme — 1912 In den brodelnden Brei der auf dem Wahlfeuer erhitzten Neichs- Meine im vorigen Reichsspiegel ausgesprochene Auffassung, daß die Re¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0667" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/320268"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_319600/figures/grenzboten_341893_319600_320268_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <div n="2"> <head> Icchrschluß</head><lb/> <note type="argument"> Regierung und Wahlen — Pläne für 1912 — Die neuen Reichstagskandidaten —<lb/> Die hinterlassenen Probleme — 1912</note><lb/> <p xml:id="ID_2944"> In den brodelnden Brei der auf dem Wahlfeuer erhitzten Neichs-<lb/> retorte soll Herr v. Bethmann einen Zusatz geworfen haben. So sagen<lb/> wenigstens jene, die aus der Art des angeblichen Zusatzes neue Agitations¬<lb/> mittel zu schmieden hoffen. Die norddeutsche schrieb nämlich im Dienstagblatt:<lb/> „Die Nation weiß, daß die Verbündeten Regierungen in der Erhaltung und<lb/> Entwicklung unserer Wehrmacht allezeit eine ihrer ernstesten Aufgaben erblicken<lb/> und nie zögern werden, danach zu handeln." Hin! vor den Bericht über den<lb/> Voranschlag des Etats von 1912, der sehr bescheiden in militärischen<lb/> Forderungen ist, gestellt erscheint der Satz in der Tat merkwürdig und wirklich<lb/> wie eine heimliche Zutat zu den brodelnden Elementen. Bei näherem Zusehen<lb/> aber war's doch nur eine Blase, die aus dem Brei selbst aufstieg, — eine<lb/> Antwort auf vielfache ungeduldige Mahnungen aus verängstigten bürgerlichen<lb/> Kreisen, die da fürchten, von der roten Flut fortgeschwemmt zu werden, und<lb/> nun nach dem stärksten Material für eine Wahlparole greifen möchten, um das<lb/> auseinanderlaufende Bürgertum noch einmal zu sammeln. Auf die nun folgenden<lb/> Ausdeutungen hat die Regierung ungesäumt geantwortet, sie denke gar nicht daran,<lb/> ihr Tun von den Wahlen abhängig zu machen. „Man wird nicht erwarten<lb/> dürfen, daß dem deutschen Volke das Ergebnis der Beschlüsse des Bundesrath<lb/> um dessen vorenthalten wird, weil die Wahlen bevorstehen." Das heißt tapfer<lb/> geantwortet: Die Wahlen sind euere, das Regieren unsere Sache!</p><lb/> <p xml:id="ID_2945" next="#ID_2946"> Meine im vorigen Reichsspiegel ausgesprochene Auffassung, daß die Re¬<lb/> gierung dem Ausgang der Wahlen mit verschränkten Armen zusahe, ist somit<lb/> zutreffend. Aber auch etwas anderes, was nur mit Vorbehalt ausgesprochen<lb/> wurde, rückt mehr in den Bereich des Wahrscheinlichen: Die Regierung scheint<lb/> tatsächlich für den nächsten Reichstag bestimmte Aufgaben vorbereitet<lb/> und unter ihnen auch die Durchführung militärischer Forderungen in Aussicht<lb/> genommen zu haben und zwar — das ist wichtig als Schlaglicht auf die sich<lb/> vorbereitende politische Situation — ohne eine Verbindung mit dem Reichsetat.<lb/> Die Erledigung und Verabschiedung des Neichsetats dürfte somit aller mensch¬<lb/> lichen Voraussicht nach auch im neuen Reichstage keine besondere Schwierigkeit<lb/> machen, selbst für den unwahrscheinlichsten Fall einer sozialdemokratischen Mehrheit,<lb/> und es ist von vornherein eine Möglichkeit geschaffen, die bevorstehenden Kämpfe</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0667]
[Abbildung]
Reichsspiegel
Icchrschluß
Regierung und Wahlen — Pläne für 1912 — Die neuen Reichstagskandidaten —
Die hinterlassenen Probleme — 1912
In den brodelnden Brei der auf dem Wahlfeuer erhitzten Neichs-
retorte soll Herr v. Bethmann einen Zusatz geworfen haben. So sagen
wenigstens jene, die aus der Art des angeblichen Zusatzes neue Agitations¬
mittel zu schmieden hoffen. Die norddeutsche schrieb nämlich im Dienstagblatt:
„Die Nation weiß, daß die Verbündeten Regierungen in der Erhaltung und
Entwicklung unserer Wehrmacht allezeit eine ihrer ernstesten Aufgaben erblicken
und nie zögern werden, danach zu handeln." Hin! vor den Bericht über den
Voranschlag des Etats von 1912, der sehr bescheiden in militärischen
Forderungen ist, gestellt erscheint der Satz in der Tat merkwürdig und wirklich
wie eine heimliche Zutat zu den brodelnden Elementen. Bei näherem Zusehen
aber war's doch nur eine Blase, die aus dem Brei selbst aufstieg, — eine
Antwort auf vielfache ungeduldige Mahnungen aus verängstigten bürgerlichen
Kreisen, die da fürchten, von der roten Flut fortgeschwemmt zu werden, und
nun nach dem stärksten Material für eine Wahlparole greifen möchten, um das
auseinanderlaufende Bürgertum noch einmal zu sammeln. Auf die nun folgenden
Ausdeutungen hat die Regierung ungesäumt geantwortet, sie denke gar nicht daran,
ihr Tun von den Wahlen abhängig zu machen. „Man wird nicht erwarten
dürfen, daß dem deutschen Volke das Ergebnis der Beschlüsse des Bundesrath
um dessen vorenthalten wird, weil die Wahlen bevorstehen." Das heißt tapfer
geantwortet: Die Wahlen sind euere, das Regieren unsere Sache!
Meine im vorigen Reichsspiegel ausgesprochene Auffassung, daß die Re¬
gierung dem Ausgang der Wahlen mit verschränkten Armen zusahe, ist somit
zutreffend. Aber auch etwas anderes, was nur mit Vorbehalt ausgesprochen
wurde, rückt mehr in den Bereich des Wahrscheinlichen: Die Regierung scheint
tatsächlich für den nächsten Reichstag bestimmte Aufgaben vorbereitet
und unter ihnen auch die Durchführung militärischer Forderungen in Aussicht
genommen zu haben und zwar — das ist wichtig als Schlaglicht auf die sich
vorbereitende politische Situation — ohne eine Verbindung mit dem Reichsetat.
Die Erledigung und Verabschiedung des Neichsetats dürfte somit aller mensch¬
lichen Voraussicht nach auch im neuen Reichstage keine besondere Schwierigkeit
machen, selbst für den unwahrscheinlichsten Fall einer sozialdemokratischen Mehrheit,
und es ist von vornherein eine Möglichkeit geschaffen, die bevorstehenden Kämpfe
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |