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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.

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Wie "meistern" (ursprünglich betrügen, die
Aufmerksamkeit ablenken), "Paschen", möglicher¬
weise sogar "rodeln" (-^mitschleppen), dieses
Avancement zurückzulegen vermochten. Ganz
nahebei steht die Redensart, eine Sache oder
Person habe "den rechten Schmiß". Denn
in der Gaunersprache bedeutet Schmiß tat¬
sächlich "Anzug, Tracht"; das gleichlautende
Wort der Studentensprache hat also nnr die
Aufnahme erleichtert. Sonst allerdings sind
wiederum Beispiele einer Bereicherung des
burschikosen Jargons aus dem Rotwälsch vor¬
handen. "Putz" ist nicht Einkürzung von
Polizist, sondern ein altes Gauuerwort, das
früher den Bettelvogt ausschließlich bezeichnete,
heute jedoch abstrahierend eine Ausrede be¬
deutet.

Leicht ist der Nachweis, daß das Rotwälsch
als Jargonbildung älter sein muß als die
übrigen heute noch im Schwange gehenden
Berufssprachen. Der Kaufmann redet ohne
Bedenken von "Rausch"; er weiß nicht, daß
das Wort die noch ungelenke Diebesbeute
meint. "Ptene gehen" heißt eigentlich, der
Polizei in die Hände fallen, und "Dalles"
bedeutet bei den Gaunern zwar auch Armut,
gewöhnlich aber einen lüstigenVerdachtsgrund.
Selbst der "Nassauer", d. h. einer, der einen
Vorteil mit erschleicht, kommt dieses Weges,
denn der Spitzbubenjargon behielt daneben
noch daS Zeitwort "rasselten" schenken. Der
Zeitvertreib "Meine Tante, deine Tante" leitet
sich wirklich von der "Tante" ab; so nennt
der Gauner die Obdachgeberin für falsches
Spiel. Und wenn wir hören, irgendwo sei
"der ganze Bau" versammelt gewesen, dann
lohnt die Bemerkung, daß Bau schlechtweg
im Rotwälsch eine Menschenansammlung ist.
Oftmals hat jedoch der Volksmund dem über¬
nommenen Wort eine völlig andere Richtung
gegeben. Während die Gaunerunter "Marsche!"
einen oberen Richter oder Polizeichef verstehen,
gilt sonst ein ärmlicher Jude als Mauschel.
Aber der Verbrecher bleibt sprachgeschichtlich im
Vorteil: dasWort (hebräisch inaschal----Spruch)
zeigt den Spruchrichtcr an. Bezeichnet der Mime
eine geringe Provinzbühne als "Schmiere", so
ist das eine Anleihe beim Rotwälsch: dort
draußen spielt höchstens ein "Scheiner" (näm¬
lich "Wächter", ^ Statist) in allen Rollen.


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Indessen ist nicht jeder der Ausdrücke, die den
igentümlichen Geruch des Roiwälschen tragen,
wirklich dieser Herkunft.

Ungemein befruchtend für den volkstüm¬
ichen Eintausch von Gaunerworten hat die
Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens seit Mitte
es neunzehnten Jahrhunderts gewirkt. Ge¬
auer nachweisbar war eS im Falle des
Prozesses Dickhoff zu Anfang der 1830erJahre.
Damals wurden Ausdrücke wie "baldoweru",
fallmachen" (eigentlicheBedeutung: in falsches
Spiel locken), "Leine ziehen" (ursprünglich das
Verfahren der Dirnen auf der Straße be¬
eichnend), "Kassiber", "schärfen" (Gestohlenes
bsetzen) populär, und sind es geblieben. Auch
Schränkzeug -- eine hybride Bildung übrigens;
er richtige Einbrecher sagt "Schränlschurich"
-- und Pfeifen für verraten, Chnbrusche
Llmwl'uffe, ----- Diebesgesellschaft), Kümmel-
lättchen, Massematten (---- Schwindel), ferner
euerdings "kiebig" (---- frisch) und die Inter¬
ektion "Stiele"! (----- Phe! vor Uneingeweihten)
at der Gaunerjargon zum gemeinen Besten,
B. Ul. wenn man so will, hergeben müssen.

Schelten-Wörterbuch.

Die Berufs- be¬
onders Handwerkorschelten und Verwandtes
on Dr. Heinrich Klenz. -- Ein fleißig zu-
ammengestelltes Büchlein, das viel aber allzu
isparcites Material verwertet. Schimpf- und
Scherznamen aller Art sind zusammengetragen
us literarischen Quellen, aus der lebenden
Sprache und dem Zeitungsdeutsch; reichlich ist
ie Gaunersprache herangezogen, für die der
Herausgeber vielfach hebräische Herkunft auf¬
eigt. Allerlei Zeitläufte sind ohne weiteres
ebeneinander gestellt, vielerlei Sprachgebiete
erücksichtigt, das niederdeutsche mit besonderer
Vorliebe. Die Auswahl ist recht bunt; so
nden wir unter Schriftsteller ebenso die Aus¬
rücke Pamphletist, Polygraph, Pornograph,
ie uns jedes Konversationslexikon erläutern
mag. Die Anordnung geschah nach alphabetisch
eordneten Schlagworten, die nicht immer
eicht zu finden und manchmal willkürlich ge¬
rennt sind. So ist das Werklein zum Nach¬
chlagen nicht sehr bequem. Gleichwohl ist es
ut lesbar und oft herzhaft ergötzlich. Verlegt
at das Buch Karl I. Trübner in Straßburg,
in Verlag, der seit langem der Erforschung
er deutschen Sprache freundliche Heimstätte
p. ietet.

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Person habe „den rechten Schmiß". Denn
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sächlich „Anzug, Tracht"; das gleichlautende
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Polizist, sondern ein altes Gauuerwort, das
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Leicht ist der Nachweis, daß das Rotwälsch
als Jargonbildung älter sein muß als die
übrigen heute noch im Schwange gehenden
Berufssprachen. Der Kaufmann redet ohne
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das Wort die noch ungelenke Diebesbeute
meint. „Ptene gehen" heißt eigentlich, der
Polizei in die Hände fallen, und „Dalles"
bedeutet bei den Gaunern zwar auch Armut,
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gegeben. Während die Gaunerunter „Marsche!"
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draußen spielt höchstens ein „Scheiner" (näm¬
lich „Wächter", ^ Statist) in allen Rollen.


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igentümlichen Geruch des Roiwälschen tragen,
wirklich dieser Herkunft.

Ungemein befruchtend für den volkstüm¬
ichen Eintausch von Gaunerworten hat die
Öffentlichkeit des Gerichtsverfahrens seit Mitte
es neunzehnten Jahrhunderts gewirkt. Ge¬
auer nachweisbar war eS im Falle des
Prozesses Dickhoff zu Anfang der 1830erJahre.
Damals wurden Ausdrücke wie „baldoweru",
fallmachen" (eigentlicheBedeutung: in falsches
Spiel locken), „Leine ziehen" (ursprünglich das
Verfahren der Dirnen auf der Straße be¬
eichnend), „Kassiber", „schärfen" (Gestohlenes
bsetzen) populär, und sind es geblieben. Auch
Schränkzeug — eine hybride Bildung übrigens;
er richtige Einbrecher sagt „Schränlschurich"
— und Pfeifen für verraten, Chnbrusche
Llmwl'uffe, ----- Diebesgesellschaft), Kümmel-
lättchen, Massematten (---- Schwindel), ferner
euerdings „kiebig" (---- frisch) und die Inter¬
ektion „Stiele"! (----- Phe! vor Uneingeweihten)
at der Gaunerjargon zum gemeinen Besten,
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Die Berufs- be¬
onders Handwerkorschelten und Verwandtes
on Dr. Heinrich Klenz. — Ein fleißig zu-
ammengestelltes Büchlein, das viel aber allzu
isparcites Material verwertet. Schimpf- und
Scherznamen aller Art sind zusammengetragen
us literarischen Quellen, aus der lebenden
Sprache und dem Zeitungsdeutsch; reichlich ist
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Herausgeber vielfach hebräische Herkunft auf¬
eigt. Allerlei Zeitläufte sind ohne weiteres
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eicht zu finden und manchmal willkürlich ge¬
rennt sind. So ist das Werklein zum Nach¬
chlagen nicht sehr bequem. Gleichwohl ist es
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in Verlag, der seit langem der Erforschung
er deutschen Sprache freundliche Heimstätte
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_319600/566>, abgerufen am 03.07.2024.