Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Viertes Vierteljahr.Reichsspiegel Auswärtige und innere Angelegenheiten Marokkoverhandlungen -- Ungeduld -- Feldzug gegen die auswärtige Politik -- Agitation von links und rechts -- Der Krieg als Heilmittel -- Der Nepotismus im Auswärtigen Amt -- Seine tiefe Ursache -- Mangel der Konkurrenz -- Anfänge einer Konkurrenz -- Lage der deutschen Ausländskorrespondenten -- Zwei Möglich¬ keiten zur Abhilfe -- Prozeß Wolf Metternich ^ Eine Aufgabe des Adels Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich wegen Marokko Die Ungeduld in den deutschen Landen und in den besten und Reichsspiegel Auswärtige und innere Angelegenheiten Marokkoverhandlungen — Ungeduld — Feldzug gegen die auswärtige Politik — Agitation von links und rechts — Der Krieg als Heilmittel — Der Nepotismus im Auswärtigen Amt — Seine tiefe Ursache — Mangel der Konkurrenz — Anfänge einer Konkurrenz — Lage der deutschen Ausländskorrespondenten — Zwei Möglich¬ keiten zur Abhilfe — Prozeß Wolf Metternich ^ Eine Aufgabe des Adels Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich wegen Marokko Die Ungeduld in den deutschen Landen und in den besten und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319754"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341893_319600/figures/grenzboten_341893_319600_319754_000.jpg"/><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> Reichsspiegel<lb/></head><lb/> <div n="2"> <head> Auswärtige und innere Angelegenheiten</head><lb/> <note type="argument"> Marokkoverhandlungen — Ungeduld — Feldzug gegen die auswärtige Politik —<lb/> Agitation von links und rechts — Der Krieg als Heilmittel — Der Nepotismus<lb/> im Auswärtigen Amt — Seine tiefe Ursache — Mangel der Konkurrenz — Anfänge<lb/> einer Konkurrenz — Lage der deutschen Ausländskorrespondenten — Zwei Möglich¬<lb/> keiten zur Abhilfe — Prozeß Wolf Metternich ^ Eine Aufgabe des Adels</note><lb/> <p xml:id="ID_638"> Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich wegen Marokko<lb/> sind soweit gediehen, daß die künftige Stellung der beiden Mächte in Marokko<lb/> keiner Erörterung zwischen den Unterhändlern mehr bedarf. Gegenwärtig steht<lb/> ausschließlich die Frage zur Besprechung, welche Gebietsflächen in Äquatorialafrika<lb/> fortab deutschen Besitz bilden sollen. Die Zeichnung des ersten Teiles des Ver¬<lb/> trages vor Feststellung des zweiten scheint lediglich den Zweck zu haben, zu ver¬<lb/> hindern, daß immer wieder auf längst erledigte Fragen zurückgekommen wird,<lb/> wodurch diese leicht Opfer einer augenblicklichen Stimmung werden könnten. Wie<lb/> notwendig die Maßnahme war, zeigt die seit etwa vierzehn Tagen einsetzende<lb/> Agitation gegen Herrn Caillou wie gegen die gegenwärtige Regierung in Frank¬<lb/> reich überhaupt. Die weiteren Verhandlungen sind durch die getroffene Ma߬<lb/> nahme erheblich entlastet, was um so angenehmer ist, als von ihrem befriedigenden<lb/> Ausgange das Gelingen des ganzen Abkommens abhängt. Die speziellen Be¬<lb/> sprechungen wegen des Kongogebietes haben zwischen den Herren Cambon und<lb/> v. Kiderlen Sonntag abend begonnen. Wir müssen uns somit noch immer mit<lb/> Geduld wappnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_639" next="#ID_640"> Die Ungeduld in den deutschen Landen und in den besten und<lb/> von den edelsten Motiven erfüllten Kreisen des Volkes hängt nun nicht allein<lb/> zusammen mit dem Geschick des deutschen Handels in Marokko. Viel tiefer<lb/> nagt in allen die Unruhe wegen der unbegreiflichen Zurückhaltung der Re¬<lb/> gierung in der inneren Politik und wegen der kommenden Reichstagswahlen.<lb/> Je länger, um so mehr wird es offenbar, daß die beiden Parteien, die<lb/> von einem großen Teil der gebildeten und besitzenden Kreise als die Feinde der<lb/> Nation bezeichnet werden, die größte Aussicht haben, bei den nächsten Wahlen<lb/> Erfolge zu erzielen. Sozialdemokratie und Zentrum werden, so fürchtet man,<lb/> den Nutzen von der allgemeinen Unzufriedenheit und aus der Tatenlosigkeit der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
[Abbildung]
Reichsspiegel
Auswärtige und innere Angelegenheiten
Marokkoverhandlungen — Ungeduld — Feldzug gegen die auswärtige Politik —
Agitation von links und rechts — Der Krieg als Heilmittel — Der Nepotismus
im Auswärtigen Amt — Seine tiefe Ursache — Mangel der Konkurrenz — Anfänge
einer Konkurrenz — Lage der deutschen Ausländskorrespondenten — Zwei Möglich¬
keiten zur Abhilfe — Prozeß Wolf Metternich ^ Eine Aufgabe des Adels
Die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich wegen Marokko
sind soweit gediehen, daß die künftige Stellung der beiden Mächte in Marokko
keiner Erörterung zwischen den Unterhändlern mehr bedarf. Gegenwärtig steht
ausschließlich die Frage zur Besprechung, welche Gebietsflächen in Äquatorialafrika
fortab deutschen Besitz bilden sollen. Die Zeichnung des ersten Teiles des Ver¬
trages vor Feststellung des zweiten scheint lediglich den Zweck zu haben, zu ver¬
hindern, daß immer wieder auf längst erledigte Fragen zurückgekommen wird,
wodurch diese leicht Opfer einer augenblicklichen Stimmung werden könnten. Wie
notwendig die Maßnahme war, zeigt die seit etwa vierzehn Tagen einsetzende
Agitation gegen Herrn Caillou wie gegen die gegenwärtige Regierung in Frank¬
reich überhaupt. Die weiteren Verhandlungen sind durch die getroffene Ma߬
nahme erheblich entlastet, was um so angenehmer ist, als von ihrem befriedigenden
Ausgange das Gelingen des ganzen Abkommens abhängt. Die speziellen Be¬
sprechungen wegen des Kongogebietes haben zwischen den Herren Cambon und
v. Kiderlen Sonntag abend begonnen. Wir müssen uns somit noch immer mit
Geduld wappnen.
Die Ungeduld in den deutschen Landen und in den besten und
von den edelsten Motiven erfüllten Kreisen des Volkes hängt nun nicht allein
zusammen mit dem Geschick des deutschen Handels in Marokko. Viel tiefer
nagt in allen die Unruhe wegen der unbegreiflichen Zurückhaltung der Re¬
gierung in der inneren Politik und wegen der kommenden Reichstagswahlen.
Je länger, um so mehr wird es offenbar, daß die beiden Parteien, die
von einem großen Teil der gebildeten und besitzenden Kreise als die Feinde der
Nation bezeichnet werden, die größte Aussicht haben, bei den nächsten Wahlen
Erfolge zu erzielen. Sozialdemokratie und Zentrum werden, so fürchtet man,
den Nutzen von der allgemeinen Unzufriedenheit und aus der Tatenlosigkeit der
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