Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Gluck des Hauses Rottland

zahlreiche Personen niedergehalten oder ganz ferngehalten werden, die
gerade zum akademischen Pädagogen vielleicht viel mehr Eignung und Eifer
besitzen, als manche andere, die über Lehrverpflichtungen ein Klagelied anstimmen.

Die Pädagogen aber, und auch die akademischen, werden dasjenige, was
sie brauchen, am wenigsten dann finden, wenn sie es nicht selbst fordern. Fordern
sie es selbst, dann kann's ihnen immer noch vorenthalten werden; aber es wird
ihnen um so weniger vorenthalten werden, je mehr ihnen weitere Kreise und
speziell die Literatur über sie nach der wichtigsten Seite hin helfen: nach der
pädagogischen, also hier nach der spezifisch hochschulpädagogischen.




Das Glück des Hauses Rottland
Roman
Von Julius R. Haarhaus
I.

! cum die Theologen und Philosophen mit ihrer Behauptung recht haben,
daß irdische Güter zur Erlangung wahrer Glückseligkeit eher hinderlich
> als förderlich seien, und daß der köstlichste Schatz, die Zufriedenheit,
durch geduldige Hinnahme aller Schicksalsfügungen, durch redliche
Arbeit und durch treue Sorge für Angehörige und Untergebene
erworben werde, dann war der alte Freiherr Salentin v. Friemersheim auf Haus
Rottland einer der glücklichsten Menschen im ganzen Herzogtum Jülich.

Alle Mächte, deren sich die Vorsehung zur Ausführung ihrer Pläne bedient,
schienen sich vereinigt zu haben, um dem Freiherrn zu diesem vollkommenen Glück
zu verhelfen. Anno 1673 hatten die Holländer unter dem Fürsten von Ostfriesland
das stattliche Burghaus eingeäschert, Anno 1679, als der Marquis d'HumierS die
Stadt Münstereifel besetzt hielt, hatten französische Dragoner außer vier Pferden
den ganzen Bestand an Rindvieh, vierzehn Kühe und drei Gespanne Zugochsen,
weggetrieben, und zum Überfluß waren kaum drei Wochen danach sämtliche Schafe,
die auf der entlegenen Weide im Tale des Eschweiler Baches den Spürnasen der
Soldaten entgangen warm, bei einem nächtlichen Wolkenbruch elend ums Leben
gekommen. Im folgenden Jahre hatte dann auch die Pest den Weg in die stillen
Eifeltäler gefunden und unter den Einwohnern des Dörfchens Rottland nicht minder
erbarmungslos gewütet als unter dem fteiherrlichen Gesinde. Sie hatte eigentlich
nur die alten Leute verschont, gleichsam als hätte es sich nicht gelohnt, sich mit denen
abzumühen, die ohnehin dem Grabe entgegenwankten, und so kam es, daß man in
der Gesindestube nur einem Knechte und zwei Mägden begegnete, die alle das
sechzigste Lebensjahr überschritten hatten und, da sie mit den Gebrechen des Alters
behaftet waren, der Nachsicht und der liebevollen Fürsorge ihres Gebieters bedurften.

Damit dieser aber auch Gelegenheit hätte, die Tugenden der Nachsicht und
Fürsorge an lieben Blutsverwandten zu üben, hatte das Schicksal dem Freiherrn


Das Gluck des Hauses Rottland

zahlreiche Personen niedergehalten oder ganz ferngehalten werden, die
gerade zum akademischen Pädagogen vielleicht viel mehr Eignung und Eifer
besitzen, als manche andere, die über Lehrverpflichtungen ein Klagelied anstimmen.

Die Pädagogen aber, und auch die akademischen, werden dasjenige, was
sie brauchen, am wenigsten dann finden, wenn sie es nicht selbst fordern. Fordern
sie es selbst, dann kann's ihnen immer noch vorenthalten werden; aber es wird
ihnen um so weniger vorenthalten werden, je mehr ihnen weitere Kreise und
speziell die Literatur über sie nach der wichtigsten Seite hin helfen: nach der
pädagogischen, also hier nach der spezifisch hochschulpädagogischen.




Das Glück des Hauses Rottland
Roman
Von Julius R. Haarhaus
I.

! cum die Theologen und Philosophen mit ihrer Behauptung recht haben,
daß irdische Güter zur Erlangung wahrer Glückseligkeit eher hinderlich
> als förderlich seien, und daß der köstlichste Schatz, die Zufriedenheit,
durch geduldige Hinnahme aller Schicksalsfügungen, durch redliche
Arbeit und durch treue Sorge für Angehörige und Untergebene
erworben werde, dann war der alte Freiherr Salentin v. Friemersheim auf Haus
Rottland einer der glücklichsten Menschen im ganzen Herzogtum Jülich.

Alle Mächte, deren sich die Vorsehung zur Ausführung ihrer Pläne bedient,
schienen sich vereinigt zu haben, um dem Freiherrn zu diesem vollkommenen Glück
zu verhelfen. Anno 1673 hatten die Holländer unter dem Fürsten von Ostfriesland
das stattliche Burghaus eingeäschert, Anno 1679, als der Marquis d'HumierS die
Stadt Münstereifel besetzt hielt, hatten französische Dragoner außer vier Pferden
den ganzen Bestand an Rindvieh, vierzehn Kühe und drei Gespanne Zugochsen,
weggetrieben, und zum Überfluß waren kaum drei Wochen danach sämtliche Schafe,
die auf der entlegenen Weide im Tale des Eschweiler Baches den Spürnasen der
Soldaten entgangen warm, bei einem nächtlichen Wolkenbruch elend ums Leben
gekommen. Im folgenden Jahre hatte dann auch die Pest den Weg in die stillen
Eifeltäler gefunden und unter den Einwohnern des Dörfchens Rottland nicht minder
erbarmungslos gewütet als unter dem fteiherrlichen Gesinde. Sie hatte eigentlich
nur die alten Leute verschont, gleichsam als hätte es sich nicht gelohnt, sich mit denen
abzumühen, die ohnehin dem Grabe entgegenwankten, und so kam es, daß man in
der Gesindestube nur einem Knechte und zwei Mägden begegnete, die alle das
sechzigste Lebensjahr überschritten hatten und, da sie mit den Gebrechen des Alters
behaftet waren, der Nachsicht und der liebevollen Fürsorge ihres Gebieters bedurften.

Damit dieser aber auch Gelegenheit hätte, die Tugenden der Nachsicht und
Fürsorge an lieben Blutsverwandten zu üben, hatte das Schicksal dem Freiherrn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0519" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/319466"/>
          <fw type="header" place="top"> Das Gluck des Hauses Rottland</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2444" prev="#ID_2443"> zahlreiche Personen niedergehalten oder ganz ferngehalten werden, die<lb/>
gerade zum akademischen Pädagogen vielleicht viel mehr Eignung und Eifer<lb/>
besitzen, als manche andere, die über Lehrverpflichtungen ein Klagelied anstimmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2445"> Die Pädagogen aber, und auch die akademischen, werden dasjenige, was<lb/>
sie brauchen, am wenigsten dann finden, wenn sie es nicht selbst fordern. Fordern<lb/>
sie es selbst, dann kann's ihnen immer noch vorenthalten werden; aber es wird<lb/>
ihnen um so weniger vorenthalten werden, je mehr ihnen weitere Kreise und<lb/>
speziell die Literatur über sie nach der wichtigsten Seite hin helfen: nach der<lb/>
pädagogischen, also hier nach der spezifisch hochschulpädagogischen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das Glück des Hauses Rottland<lb/>
Roman<lb/><note type="byline"> Von Julius R. Haarhaus</note></head><lb/>
          <div n="2">
            <head> I.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_2446"> ! cum die Theologen und Philosophen mit ihrer Behauptung recht haben,<lb/>
daß irdische Güter zur Erlangung wahrer Glückseligkeit eher hinderlich<lb/>
&gt; als förderlich seien, und daß der köstlichste Schatz, die Zufriedenheit,<lb/>
durch geduldige Hinnahme aller Schicksalsfügungen, durch redliche<lb/>
Arbeit und durch treue Sorge für Angehörige und Untergebene<lb/>
erworben werde, dann war der alte Freiherr Salentin v. Friemersheim auf Haus<lb/>
Rottland einer der glücklichsten Menschen im ganzen Herzogtum Jülich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2447"> Alle Mächte, deren sich die Vorsehung zur Ausführung ihrer Pläne bedient,<lb/>
schienen sich vereinigt zu haben, um dem Freiherrn zu diesem vollkommenen Glück<lb/>
zu verhelfen. Anno 1673 hatten die Holländer unter dem Fürsten von Ostfriesland<lb/>
das stattliche Burghaus eingeäschert, Anno 1679, als der Marquis d'HumierS die<lb/>
Stadt Münstereifel besetzt hielt, hatten französische Dragoner außer vier Pferden<lb/>
den ganzen Bestand an Rindvieh, vierzehn Kühe und drei Gespanne Zugochsen,<lb/>
weggetrieben, und zum Überfluß waren kaum drei Wochen danach sämtliche Schafe,<lb/>
die auf der entlegenen Weide im Tale des Eschweiler Baches den Spürnasen der<lb/>
Soldaten entgangen warm, bei einem nächtlichen Wolkenbruch elend ums Leben<lb/>
gekommen. Im folgenden Jahre hatte dann auch die Pest den Weg in die stillen<lb/>
Eifeltäler gefunden und unter den Einwohnern des Dörfchens Rottland nicht minder<lb/>
erbarmungslos gewütet als unter dem fteiherrlichen Gesinde. Sie hatte eigentlich<lb/>
nur die alten Leute verschont, gleichsam als hätte es sich nicht gelohnt, sich mit denen<lb/>
abzumühen, die ohnehin dem Grabe entgegenwankten, und so kam es, daß man in<lb/>
der Gesindestube nur einem Knechte und zwei Mägden begegnete, die alle das<lb/>
sechzigste Lebensjahr überschritten hatten und, da sie mit den Gebrechen des Alters<lb/>
behaftet waren, der Nachsicht und der liebevollen Fürsorge ihres Gebieters bedurften.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2448" next="#ID_2449"> Damit dieser aber auch Gelegenheit hätte, die Tugenden der Nachsicht und<lb/>
Fürsorge an lieben Blutsverwandten zu üben, hatte das Schicksal dem Freiherrn</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0519] Das Gluck des Hauses Rottland zahlreiche Personen niedergehalten oder ganz ferngehalten werden, die gerade zum akademischen Pädagogen vielleicht viel mehr Eignung und Eifer besitzen, als manche andere, die über Lehrverpflichtungen ein Klagelied anstimmen. Die Pädagogen aber, und auch die akademischen, werden dasjenige, was sie brauchen, am wenigsten dann finden, wenn sie es nicht selbst fordern. Fordern sie es selbst, dann kann's ihnen immer noch vorenthalten werden; aber es wird ihnen um so weniger vorenthalten werden, je mehr ihnen weitere Kreise und speziell die Literatur über sie nach der wichtigsten Seite hin helfen: nach der pädagogischen, also hier nach der spezifisch hochschulpädagogischen. Das Glück des Hauses Rottland Roman Von Julius R. Haarhaus I. ! cum die Theologen und Philosophen mit ihrer Behauptung recht haben, daß irdische Güter zur Erlangung wahrer Glückseligkeit eher hinderlich > als förderlich seien, und daß der köstlichste Schatz, die Zufriedenheit, durch geduldige Hinnahme aller Schicksalsfügungen, durch redliche Arbeit und durch treue Sorge für Angehörige und Untergebene erworben werde, dann war der alte Freiherr Salentin v. Friemersheim auf Haus Rottland einer der glücklichsten Menschen im ganzen Herzogtum Jülich. Alle Mächte, deren sich die Vorsehung zur Ausführung ihrer Pläne bedient, schienen sich vereinigt zu haben, um dem Freiherrn zu diesem vollkommenen Glück zu verhelfen. Anno 1673 hatten die Holländer unter dem Fürsten von Ostfriesland das stattliche Burghaus eingeäschert, Anno 1679, als der Marquis d'HumierS die Stadt Münstereifel besetzt hielt, hatten französische Dragoner außer vier Pferden den ganzen Bestand an Rindvieh, vierzehn Kühe und drei Gespanne Zugochsen, weggetrieben, und zum Überfluß waren kaum drei Wochen danach sämtliche Schafe, die auf der entlegenen Weide im Tale des Eschweiler Baches den Spürnasen der Soldaten entgangen warm, bei einem nächtlichen Wolkenbruch elend ums Leben gekommen. Im folgenden Jahre hatte dann auch die Pest den Weg in die stillen Eifeltäler gefunden und unter den Einwohnern des Dörfchens Rottland nicht minder erbarmungslos gewütet als unter dem fteiherrlichen Gesinde. Sie hatte eigentlich nur die alten Leute verschont, gleichsam als hätte es sich nicht gelohnt, sich mit denen abzumühen, die ohnehin dem Grabe entgegenwankten, und so kam es, daß man in der Gesindestube nur einem Knechte und zwei Mägden begegnete, die alle das sechzigste Lebensjahr überschritten hatten und, da sie mit den Gebrechen des Alters behaftet waren, der Nachsicht und der liebevollen Fürsorge ihres Gebieters bedurften. Damit dieser aber auch Gelegenheit hätte, die Tugenden der Nachsicht und Fürsorge an lieben Blutsverwandten zu üben, hatte das Schicksal dem Freiherrn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/519
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/519>, abgerufen am 29.12.2024.