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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Die Bedeutung großer Armccmcmöver

Deklassierte und unter dem Proletariat Rangierende, sondern als erwünschte und
geschätzte Volkszugehörige fühlen dürfen. Der Beamten- und Militärstaat, also
der Staat par exLellence, wittert naturgemäß im Denker und Künstler das anar¬
chische, individualistische Element. Das soziale Ansehen und die materielle Lage der
Intellektuellen sind bei uns wohl überhaupt vielfach niedriger als in den romanischen
Ländern. Dichter- und Künstlerstipendien, wie etwa in Norwegen, kennt man bei uns
nicht oder nur in beschränktem Maße. Sensation, Vergangenheitskultur, Philistertum
sind Trumpf. -- Gebt dem Künstler Liebe zu dem Hause, in dem er anzuwohnen
gezwungen ist, und er wird es euch lohnen; denn:


Gibst du dem Genius ein Gastgeschenk,
So läßt er dir ein schöneres zurück.



Die Bedeutung großer Armeemanöver
von Major a, D. in. v, sah reib crshofcn

^^WEle Kunst der Truppenführung ist in gewisser Hinsicht eine angeborene
Gabe, ein besonderes Talent. Wer dazu nicht besondere Fähig¬
keiten besitzt, wird nie etwas Hervorragendes auf diesem Gebiete
leisten. Es gehört dazu ein eigenes taktisches Gefühl und Ver¬
ständnis, das sich nicht erlernen läßt. Die richtige Beurteilung
des Gegners und der eigenen Lage ist bis zu einem gewissen Grade Gefühls¬
sache. Aus den oftmals sich widersprechenden Meldungen, aus der Ungewißheit
der Situation das Wahre und Richtige zu erkennen, gewissermaßen blitzesartig
den richtigen Entschluß zu fassen, das ist eben die Eigenschaft des angeborenen
Feldherrngenies. Daneben ist aber auch eine gewisse Übung und Routine
erforderlich, ohne die auch das Talent nichts Hervorragendes leisten kann. Es
geht der Kriegführung wie jeder anderen Kunst, daß sie ausgebildet werden
muß. Das Handwerksmäßige, das mit der Ausübung jeder Kunst verbunden
ist, muß gelernt und geübt werden. Der Führer muß sein Instrument, mit
dem er den Gegner vernichten will, nach allen Seiten hin gründlich kennen und
beherrschen. Andernfalls wird es versagen. Nur wer es versteht, das Instrument
unter Benutzung seiner charakteristischen Eigenschaften richtig anzusetzen und zu
verwenden, wird große Resultate damit erzielen. Daraus ergibt sich für alle
Truppenführer die Notwendigkeit, sich in der Führung ihrer Truppe fortgesetzt
zu üben.

Nun kommen im Frieden die höheren Führer sehr selten in die Lage, den
Truppenverband, der ihnen im Kriege anvertraut ist und mit den: sie ihre
Siege erringen sollen, in Wirklichkeit zu sühren, und zwar um so seltener, je


Die Bedeutung großer Armccmcmöver

Deklassierte und unter dem Proletariat Rangierende, sondern als erwünschte und
geschätzte Volkszugehörige fühlen dürfen. Der Beamten- und Militärstaat, also
der Staat par exLellence, wittert naturgemäß im Denker und Künstler das anar¬
chische, individualistische Element. Das soziale Ansehen und die materielle Lage der
Intellektuellen sind bei uns wohl überhaupt vielfach niedriger als in den romanischen
Ländern. Dichter- und Künstlerstipendien, wie etwa in Norwegen, kennt man bei uns
nicht oder nur in beschränktem Maße. Sensation, Vergangenheitskultur, Philistertum
sind Trumpf. — Gebt dem Künstler Liebe zu dem Hause, in dem er anzuwohnen
gezwungen ist, und er wird es euch lohnen; denn:


Gibst du dem Genius ein Gastgeschenk,
So läßt er dir ein schöneres zurück.



Die Bedeutung großer Armeemanöver
von Major a, D. in. v, sah reib crshofcn

^^WEle Kunst der Truppenführung ist in gewisser Hinsicht eine angeborene
Gabe, ein besonderes Talent. Wer dazu nicht besondere Fähig¬
keiten besitzt, wird nie etwas Hervorragendes auf diesem Gebiete
leisten. Es gehört dazu ein eigenes taktisches Gefühl und Ver¬
ständnis, das sich nicht erlernen läßt. Die richtige Beurteilung
des Gegners und der eigenen Lage ist bis zu einem gewissen Grade Gefühls¬
sache. Aus den oftmals sich widersprechenden Meldungen, aus der Ungewißheit
der Situation das Wahre und Richtige zu erkennen, gewissermaßen blitzesartig
den richtigen Entschluß zu fassen, das ist eben die Eigenschaft des angeborenen
Feldherrngenies. Daneben ist aber auch eine gewisse Übung und Routine
erforderlich, ohne die auch das Talent nichts Hervorragendes leisten kann. Es
geht der Kriegführung wie jeder anderen Kunst, daß sie ausgebildet werden
muß. Das Handwerksmäßige, das mit der Ausübung jeder Kunst verbunden
ist, muß gelernt und geübt werden. Der Führer muß sein Instrument, mit
dem er den Gegner vernichten will, nach allen Seiten hin gründlich kennen und
beherrschen. Andernfalls wird es versagen. Nur wer es versteht, das Instrument
unter Benutzung seiner charakteristischen Eigenschaften richtig anzusetzen und zu
verwenden, wird große Resultate damit erzielen. Daraus ergibt sich für alle
Truppenführer die Notwendigkeit, sich in der Führung ihrer Truppe fortgesetzt
zu üben.

Nun kommen im Frieden die höheren Führer sehr selten in die Lage, den
Truppenverband, der ihnen im Kriege anvertraut ist und mit den: sie ihre
Siege erringen sollen, in Wirklichkeit zu sühren, und zwar um so seltener, je


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[0352] Die Bedeutung großer Armccmcmöver Deklassierte und unter dem Proletariat Rangierende, sondern als erwünschte und geschätzte Volkszugehörige fühlen dürfen. Der Beamten- und Militärstaat, also der Staat par exLellence, wittert naturgemäß im Denker und Künstler das anar¬ chische, individualistische Element. Das soziale Ansehen und die materielle Lage der Intellektuellen sind bei uns wohl überhaupt vielfach niedriger als in den romanischen Ländern. Dichter- und Künstlerstipendien, wie etwa in Norwegen, kennt man bei uns nicht oder nur in beschränktem Maße. Sensation, Vergangenheitskultur, Philistertum sind Trumpf. — Gebt dem Künstler Liebe zu dem Hause, in dem er anzuwohnen gezwungen ist, und er wird es euch lohnen; denn: Gibst du dem Genius ein Gastgeschenk, So läßt er dir ein schöneres zurück. Die Bedeutung großer Armeemanöver von Major a, D. in. v, sah reib crshofcn ^^WEle Kunst der Truppenführung ist in gewisser Hinsicht eine angeborene Gabe, ein besonderes Talent. Wer dazu nicht besondere Fähig¬ keiten besitzt, wird nie etwas Hervorragendes auf diesem Gebiete leisten. Es gehört dazu ein eigenes taktisches Gefühl und Ver¬ ständnis, das sich nicht erlernen läßt. Die richtige Beurteilung des Gegners und der eigenen Lage ist bis zu einem gewissen Grade Gefühls¬ sache. Aus den oftmals sich widersprechenden Meldungen, aus der Ungewißheit der Situation das Wahre und Richtige zu erkennen, gewissermaßen blitzesartig den richtigen Entschluß zu fassen, das ist eben die Eigenschaft des angeborenen Feldherrngenies. Daneben ist aber auch eine gewisse Übung und Routine erforderlich, ohne die auch das Talent nichts Hervorragendes leisten kann. Es geht der Kriegführung wie jeder anderen Kunst, daß sie ausgebildet werden muß. Das Handwerksmäßige, das mit der Ausübung jeder Kunst verbunden ist, muß gelernt und geübt werden. Der Führer muß sein Instrument, mit dem er den Gegner vernichten will, nach allen Seiten hin gründlich kennen und beherrschen. Andernfalls wird es versagen. Nur wer es versteht, das Instrument unter Benutzung seiner charakteristischen Eigenschaften richtig anzusetzen und zu verwenden, wird große Resultate damit erzielen. Daraus ergibt sich für alle Truppenführer die Notwendigkeit, sich in der Führung ihrer Truppe fortgesetzt zu üben. Nun kommen im Frieden die höheren Führer sehr selten in die Lage, den Truppenverband, der ihnen im Kriege anvertraut ist und mit den: sie ihre Siege erringen sollen, in Wirklichkeit zu sühren, und zwar um so seltener, je

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/352>, abgerufen am 29.12.2024.