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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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liebsten Motiven, gelangt dann eben nicht
weiter als zum Plädoyer. Und er wird
immer das glauben, was ihm behagt.

Für den Inhalt des Schlußkapitels aber
(Zusammenfassung. Bismarck als Mensch.
Seine Stellung in unserer Geschichte) fällt
die Erklärung leicht. Es steht wunderbar
wenig darin, und das muß seine Ursache":
habe". Die eine davon wird vermutlich
technischer Natur sein: Egclhaaf schrieb dieses
vermeintliche Summar wirklich zuletzt, nach¬
dem er überall schon gesagt hatte, was er
dachte. Vorsichtige Stilisten, die diese Gefahr
kennen, Pflegen ihren geistigen Schwung bei
Beginn größerer Darstellungen weise auszu¬
nutzen, indem sie das Schlußkapitel sofort
niederschreiben und es später, nach Maßgabe
der Fortschritte ihrer Anschauungen während
der Arbeit, sinngemäß nachredigieren. Erst
dann ist die Gewalt des AuSklangs sicher¬
gestellt. Hier jedoch kam als zweite Ursache
hinzu, daß der Verfasser, im Schatten des
Riesen schaffend, nicht mehr aus dieser breiten
Zone hinnusfand. Schön und kräftig ist an
vielen Stellen gesagt worden, was Bismarck
für uns tat, und doch hat die Fülle der
Geschehnisse bei Egclhaaf etwas bewirkt, was
der Kanzler in seinem lieben Platt "ver-
biestern" genannt hätte. Die Geschichte des
Schöpfers erfüllt sich nur durch das Zeugnis
seiner Schöpfung. Es heißt heute mit
feinerem historischen Sinn abwägen, wo die
praktischen Wertunterschiede einer so kolossalen
Hinterlassenschaft anfangen. Deutschland steht
veränderten Realitäten gegenüber. Blicken
wir dankbar zu Bismarck empor, halten wir
treue Fühlung mit seinem Geiste, so wird
uns gerade diese Gesinnung davor bewahren,
unter seinen Worten nach Zaubersprüchen für
irgendeine Situation oder einen Entschluß
zu suchen. Bismarcks Werk fortsetzen be¬
deutet nicht, ihn freiwillig kopieren wollen,
sondern den Mut zur gebotenen Einsicht
wachzuerhalten und dann frischauf danach zu
handeln. Sein Beispiel ist das Licht, seine
Formulierungen bilden den Schatten dazu:
eine eigene Welt für uns vermochte er nicht
zu schaffen, sondern nur uns mitten hinein
an den Platz zu bringen, den dauernd inne-
zubehalteu die Aufgabe neuer Arbeit mit
C, neuen Kräften ist.

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Heeresfragen

Die Einrichtung der "Dcckoffiziere" ent¬
spricht durchaus den Verhältnissen und An¬
forderungen der Marine, die aus der Eigenart
des Wesens der Marine und aus der durch
ihre Kampfesweise bedingten Friedensaus¬
bildung und Vorbereitung hervorgehen. Die
kleinste taktische Einheit der Marine, das
einzelne Schiff ist mit den technischen Er¬
rungenschaften des Dampfes und der Elek¬
trizität zu einem so komplizierten Mechanismus
geworden, daß die Offiziere, denen die Führung
dieser Kriegsmaschine im ganzen und in den
einzelnen Teilen obliegt, der tatkräftigen Unter¬
stützung durch technisch besonders vorgebildetes
Unterpersonal nicht entbehren können. Diese
technische Vorbildung muß sich zum Teil auf
Gebiete erstrecken, die neben einer ausreichen¬
den Schulbildung auch eine besondere Be¬
fähigung verlangen. Zum Beispiel bezüglich
der Steuerleute -- Wohl die wichtigste Kate¬
gorie der Deckoffiziere -- muß sich die Vor¬
bildung ans astronomische, Physikalische und
mathematische Kenntnisse ausdehnen, wie sie
für Zwecke des Landheeres überhaupt nie in
Betracht kommen. Wir haben also in den
Deckoffizieren einen nach Vorbildung und nach
Verwendung eigenartigen Berufsstand inner¬
halb der Marine zu erblicken.

Eine solche Einrichtung auf das Landheer
zu übertragen, könnte ich nicht billigen, weil
die Voraussetzungen für ihre Verwendung in
dem organischen Aufbau der niederen Truppen¬
führung zu Lande fehlen. Soweit zu Lande
eine besondere Vorbildung technischer Art usw.
und dementsprechend^ Verwendung in Frage
kommt, haben wir jetzt schon den Unteroffizieren
die Möglichkett gegeben, eine höhere Stellung
als Feuerwerks- und Zeugofsiziere, Festungs¬
bauoffiziere zu erringen. Auch würde nichts
dagegen einzuwenden sein, wenn noch ein¬
zelnen anderen Unterofsizierskategoricn eine
solche Hebung ihres Standes zuteil werden
könnte. Zum Beispiel Ausbildung befähigter
Unteroffiziere als Turm- und Fechtlehrer auf
der Militärturnanstalt, bei der Kavallerie als
Reitlehrer u. n. in. Diesen Unteroffizieren,
die nach Ausbildung und Verwendung eine
besondere aus dem Rahmen der übrigen Front-
unteroffiziere heraustretende Stellungmit lang-

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

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liebsten Motiven, gelangt dann eben nicht
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immer das glauben, was ihm behagt.

Für den Inhalt des Schlußkapitels aber
(Zusammenfassung. Bismarck als Mensch.
Seine Stellung in unserer Geschichte) fällt
die Erklärung leicht. Es steht wunderbar
wenig darin, und das muß seine Ursache«:
habe». Die eine davon wird vermutlich
technischer Natur sein: Egclhaaf schrieb dieses
vermeintliche Summar wirklich zuletzt, nach¬
dem er überall schon gesagt hatte, was er
dachte. Vorsichtige Stilisten, die diese Gefahr
kennen, Pflegen ihren geistigen Schwung bei
Beginn größerer Darstellungen weise auszu¬
nutzen, indem sie das Schlußkapitel sofort
niederschreiben und es später, nach Maßgabe
der Fortschritte ihrer Anschauungen während
der Arbeit, sinngemäß nachredigieren. Erst
dann ist die Gewalt des AuSklangs sicher¬
gestellt. Hier jedoch kam als zweite Ursache
hinzu, daß der Verfasser, im Schatten des
Riesen schaffend, nicht mehr aus dieser breiten
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vielen Stellen gesagt worden, was Bismarck
für uns tat, und doch hat die Fülle der
Geschehnisse bei Egclhaaf etwas bewirkt, was
der Kanzler in seinem lieben Platt „ver-
biestern" genannt hätte. Die Geschichte des
Schöpfers erfüllt sich nur durch das Zeugnis
seiner Schöpfung. Es heißt heute mit
feinerem historischen Sinn abwägen, wo die
praktischen Wertunterschiede einer so kolossalen
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veränderten Realitäten gegenüber. Blicken
wir dankbar zu Bismarck empor, halten wir
treue Fühlung mit seinem Geiste, so wird
uns gerade diese Gesinnung davor bewahren,
unter seinen Worten nach Zaubersprüchen für
irgendeine Situation oder einen Entschluß
zu suchen. Bismarcks Werk fortsetzen be¬
deutet nicht, ihn freiwillig kopieren wollen,
sondern den Mut zur gebotenen Einsicht
wachzuerhalten und dann frischauf danach zu
handeln. Sein Beispiel ist das Licht, seine
Formulierungen bilden den Schatten dazu:
eine eigene Welt für uns vermochte er nicht
zu schaffen, sondern nur uns mitten hinein
an den Platz zu bringen, den dauernd inne-
zubehalteu die Aufgabe neuer Arbeit mit
C, neuen Kräften ist.

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Heeresfragen

Die Einrichtung der „Dcckoffiziere" ent¬
spricht durchaus den Verhältnissen und An¬
forderungen der Marine, die aus der Eigenart
des Wesens der Marine und aus der durch
ihre Kampfesweise bedingten Friedensaus¬
bildung und Vorbereitung hervorgehen. Die
kleinste taktische Einheit der Marine, das
einzelne Schiff ist mit den technischen Er¬
rungenschaften des Dampfes und der Elek¬
trizität zu einem so komplizierten Mechanismus
geworden, daß die Offiziere, denen die Führung
dieser Kriegsmaschine im ganzen und in den
einzelnen Teilen obliegt, der tatkräftigen Unter¬
stützung durch technisch besonders vorgebildetes
Unterpersonal nicht entbehren können. Diese
technische Vorbildung muß sich zum Teil auf
Gebiete erstrecken, die neben einer ausreichen¬
den Schulbildung auch eine besondere Be¬
fähigung verlangen. Zum Beispiel bezüglich
der Steuerleute — Wohl die wichtigste Kate¬
gorie der Deckoffiziere — muß sich die Vor¬
bildung ans astronomische, Physikalische und
mathematische Kenntnisse ausdehnen, wie sie
für Zwecke des Landheeres überhaupt nie in
Betracht kommen. Wir haben also in den
Deckoffizieren einen nach Vorbildung und nach
Verwendung eigenartigen Berufsstand inner¬
halb der Marine zu erblicken.

Eine solche Einrichtung auf das Landheer
zu übertragen, könnte ich nicht billigen, weil
die Voraussetzungen für ihre Verwendung in
dem organischen Aufbau der niederen Truppen¬
führung zu Lande fehlen. Soweit zu Lande
eine besondere Vorbildung technischer Art usw.
und dementsprechend^ Verwendung in Frage
kommt, haben wir jetzt schon den Unteroffizieren
die Möglichkett gegeben, eine höhere Stellung
als Feuerwerks- und Zeugofsiziere, Festungs¬
bauoffiziere zu erringen. Auch würde nichts
dagegen einzuwenden sein, wenn noch ein¬
zelnen anderen Unterofsizierskategoricn eine
solche Hebung ihres Standes zuteil werden
könnte. Zum Beispiel Ausbildung befähigter
Unteroffiziere als Turm- und Fechtlehrer auf
der Militärturnanstalt, bei der Kavallerie als
Reitlehrer u. n. in. Diesen Unteroffizieren,
die nach Ausbildung und Verwendung eine
besondere aus dem Rahmen der übrigen Front-
unteroffiziere heraustretende Stellungmit lang-

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[0334] Maßgebliches und Unmaßgebliches liebsten Motiven, gelangt dann eben nicht weiter als zum Plädoyer. Und er wird immer das glauben, was ihm behagt. Für den Inhalt des Schlußkapitels aber (Zusammenfassung. Bismarck als Mensch. Seine Stellung in unserer Geschichte) fällt die Erklärung leicht. Es steht wunderbar wenig darin, und das muß seine Ursache«: habe». Die eine davon wird vermutlich technischer Natur sein: Egclhaaf schrieb dieses vermeintliche Summar wirklich zuletzt, nach¬ dem er überall schon gesagt hatte, was er dachte. Vorsichtige Stilisten, die diese Gefahr kennen, Pflegen ihren geistigen Schwung bei Beginn größerer Darstellungen weise auszu¬ nutzen, indem sie das Schlußkapitel sofort niederschreiben und es später, nach Maßgabe der Fortschritte ihrer Anschauungen während der Arbeit, sinngemäß nachredigieren. Erst dann ist die Gewalt des AuSklangs sicher¬ gestellt. Hier jedoch kam als zweite Ursache hinzu, daß der Verfasser, im Schatten des Riesen schaffend, nicht mehr aus dieser breiten Zone hinnusfand. Schön und kräftig ist an vielen Stellen gesagt worden, was Bismarck für uns tat, und doch hat die Fülle der Geschehnisse bei Egclhaaf etwas bewirkt, was der Kanzler in seinem lieben Platt „ver- biestern" genannt hätte. Die Geschichte des Schöpfers erfüllt sich nur durch das Zeugnis seiner Schöpfung. Es heißt heute mit feinerem historischen Sinn abwägen, wo die praktischen Wertunterschiede einer so kolossalen Hinterlassenschaft anfangen. Deutschland steht veränderten Realitäten gegenüber. Blicken wir dankbar zu Bismarck empor, halten wir treue Fühlung mit seinem Geiste, so wird uns gerade diese Gesinnung davor bewahren, unter seinen Worten nach Zaubersprüchen für irgendeine Situation oder einen Entschluß zu suchen. Bismarcks Werk fortsetzen be¬ deutet nicht, ihn freiwillig kopieren wollen, sondern den Mut zur gebotenen Einsicht wachzuerhalten und dann frischauf danach zu handeln. Sein Beispiel ist das Licht, seine Formulierungen bilden den Schatten dazu: eine eigene Welt für uns vermochte er nicht zu schaffen, sondern nur uns mitten hinein an den Platz zu bringen, den dauernd inne- zubehalteu die Aufgabe neuer Arbeit mit C, neuen Kräften ist. Heeresfragen Die Einrichtung der „Dcckoffiziere" ent¬ spricht durchaus den Verhältnissen und An¬ forderungen der Marine, die aus der Eigenart des Wesens der Marine und aus der durch ihre Kampfesweise bedingten Friedensaus¬ bildung und Vorbereitung hervorgehen. Die kleinste taktische Einheit der Marine, das einzelne Schiff ist mit den technischen Er¬ rungenschaften des Dampfes und der Elek¬ trizität zu einem so komplizierten Mechanismus geworden, daß die Offiziere, denen die Führung dieser Kriegsmaschine im ganzen und in den einzelnen Teilen obliegt, der tatkräftigen Unter¬ stützung durch technisch besonders vorgebildetes Unterpersonal nicht entbehren können. Diese technische Vorbildung muß sich zum Teil auf Gebiete erstrecken, die neben einer ausreichen¬ den Schulbildung auch eine besondere Be¬ fähigung verlangen. Zum Beispiel bezüglich der Steuerleute — Wohl die wichtigste Kate¬ gorie der Deckoffiziere — muß sich die Vor¬ bildung ans astronomische, Physikalische und mathematische Kenntnisse ausdehnen, wie sie für Zwecke des Landheeres überhaupt nie in Betracht kommen. Wir haben also in den Deckoffizieren einen nach Vorbildung und nach Verwendung eigenartigen Berufsstand inner¬ halb der Marine zu erblicken. Eine solche Einrichtung auf das Landheer zu übertragen, könnte ich nicht billigen, weil die Voraussetzungen für ihre Verwendung in dem organischen Aufbau der niederen Truppen¬ führung zu Lande fehlen. Soweit zu Lande eine besondere Vorbildung technischer Art usw. und dementsprechend^ Verwendung in Frage kommt, haben wir jetzt schon den Unteroffizieren die Möglichkett gegeben, eine höhere Stellung als Feuerwerks- und Zeugofsiziere, Festungs¬ bauoffiziere zu erringen. Auch würde nichts dagegen einzuwenden sein, wenn noch ein¬ zelnen anderen Unterofsizierskategoricn eine solche Hebung ihres Standes zuteil werden könnte. Zum Beispiel Ausbildung befähigter Unteroffiziere als Turm- und Fechtlehrer auf der Militärturnanstalt, bei der Kavallerie als Reitlehrer u. n. in. Diesen Unteroffizieren, die nach Ausbildung und Verwendung eine besondere aus dem Rahmen der übrigen Front- unteroffiziere heraustretende Stellungmit lang-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_318948/334>, abgerufen am 29.12.2024.