Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Zweites Vierteljahr.Beleidigung durch die Presse entsühnt sich, indem er mit neuem und reinem Eifer dem Staate dient, Hätte Grillparzer, dessen außerdichterisches Interesse sich rein auf das Beleidigung durch die Presse von Rechtsanwalt Dr. Lritz Glaser M Der von der Regierung dem Reichstage vorgelegte Einwurf will das Höchst¬ Grenzboten II 1911 39
Beleidigung durch die Presse entsühnt sich, indem er mit neuem und reinem Eifer dem Staate dient, Hätte Grillparzer, dessen außerdichterisches Interesse sich rein auf das Beleidigung durch die Presse von Rechtsanwalt Dr. Lritz Glaser M Der von der Regierung dem Reichstage vorgelegte Einwurf will das Höchst¬ Grenzboten II 1911 39
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/318600"/> <fw type="header" place="top"> Beleidigung durch die Presse</fw><lb/> <p xml:id="ID_1464" prev="#ID_1463"> entsühnt sich, indem er mit neuem und reinem Eifer dem Staate dient,<lb/> nicht mehr, wenigstens in seinem Bewußtsein nicht mehr, an oberster Stelle,<lb/> die einen ganz unbemakelten Diener will, sondern als „Feldhauptmann" seines<lb/> unschuldigen Kindes. Von den Wirren seiner Individualität, seines persönlichen<lb/> Wesens rettet er sich in das festere Gefüge des Staates hinüber. Es ist dies<lb/> aber nur deshalb eine Rettung, weil er an die sittliche Tüchtigkeit, an die<lb/> großen Ziele seines Spaniens nicht anders glaubt als Scipio an sein Rom.--</p><lb/> <p xml:id="ID_1465"> Hätte Grillparzer, dessen außerdichterisches Interesse sich rein auf das<lb/> Staatliche richtete, an sein leidenschaftlich geliebtes Österreich glauben können,<lb/> wie jene beiden an ihre Länder glauben, so hätte der Satz vom Unrecht des<lb/> Handelnden minder fesselnde Kraft für ihn gehabt. Es ist Österreichs staatliche<lb/> Lähmung, die man in Grillparzers lethargischer Anschauung spürt — nur daß eben<lb/> die Zusammenhänge dazwischen nicht jene oftmals angegebenen oberflächlichen<lb/> und fast unsittlichen sind, daß es auch mit dem bequemen Wort von der<lb/> allgemeinen Lässigkeit des österreichischen Wesens nicht getan ist.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Beleidigung durch die Presse<lb/><note type="byline"> von Rechtsanwalt Dr. Lritz Glaser</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1466"> M<lb/> W><lb/> ^ elegenheitsgesetze und Gelegenheitsgedichte haben eines gemein: sie<lb/> passen auf den Anlaß, dem sie ihre Entstehung verdanken, aber im<lb/> übrigen taugen sie meist nicht viel. So ist es mit der Isx Heinze. so<lb/> mit dein ParagraphDuchesne (Z49a Se. G. B.) und anderen, und so<lb/> droht jetzt auch den Bestimmungen gegen die Beleidigung die Gefahr,<lb/> zu ihrem Nachteil reformiert zu werden. Infolge einiger Prozesse der letzten<lb/> Jahre hat sich vieler das Gefühl bemächtigt, daß der Strafschutz gegen Beleidigung,<lb/> insbesondere gegen Preßbeleidigung, nicht genüge. Und alsbald sieht man sich<lb/> genötigt, der angebahnten großen Strafrechtsreform mit einer „kleinen" Reform<lb/> voranzugehen, um die ärgsten „Mißstände" unter anderen im Beleidigungsrechte<lb/> hinwegzuräumen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467" next="#ID_1468"> Der von der Regierung dem Reichstage vorgelegte Einwurf will das Höchst¬<lb/> maß der Geldstrafe für „üble Nachrede" (§ 186 Se. G. B.) von 600 Mark auf<lb/> 1000 Mark und bei öffentlicher VerÜbung, insbesondere bei VerÜbung durch<lb/> die Presse, von 1500 Mark auf 10000 Mark (also das nahezu siebenfache!)<lb/> erhöhen, und will außerdem zulassen, daß auf die Geldstrafe nicht nur, wie<lb/> bisher, an Stelle, sondern künftig auch neben der Freiheitsstrafe erkannt werde.<lb/> Zugleich soll der Höchstbetrag der im gegebenen Falle an den Beleidigten selbst<lb/> zu zahlenden Buße von 6000 Mark auf 20000 Mark erhöht werden. Diese<lb/> Vorschläge sind vom Reichstage am 12. Januar 1911 in zweiter Lesung bereits</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1911 39</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
Beleidigung durch die Presse
entsühnt sich, indem er mit neuem und reinem Eifer dem Staate dient,
nicht mehr, wenigstens in seinem Bewußtsein nicht mehr, an oberster Stelle,
die einen ganz unbemakelten Diener will, sondern als „Feldhauptmann" seines
unschuldigen Kindes. Von den Wirren seiner Individualität, seines persönlichen
Wesens rettet er sich in das festere Gefüge des Staates hinüber. Es ist dies
aber nur deshalb eine Rettung, weil er an die sittliche Tüchtigkeit, an die
großen Ziele seines Spaniens nicht anders glaubt als Scipio an sein Rom.--
Hätte Grillparzer, dessen außerdichterisches Interesse sich rein auf das
Staatliche richtete, an sein leidenschaftlich geliebtes Österreich glauben können,
wie jene beiden an ihre Länder glauben, so hätte der Satz vom Unrecht des
Handelnden minder fesselnde Kraft für ihn gehabt. Es ist Österreichs staatliche
Lähmung, die man in Grillparzers lethargischer Anschauung spürt — nur daß eben
die Zusammenhänge dazwischen nicht jene oftmals angegebenen oberflächlichen
und fast unsittlichen sind, daß es auch mit dem bequemen Wort von der
allgemeinen Lässigkeit des österreichischen Wesens nicht getan ist.
Beleidigung durch die Presse
von Rechtsanwalt Dr. Lritz Glaser
M
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^ elegenheitsgesetze und Gelegenheitsgedichte haben eines gemein: sie
passen auf den Anlaß, dem sie ihre Entstehung verdanken, aber im
übrigen taugen sie meist nicht viel. So ist es mit der Isx Heinze. so
mit dein ParagraphDuchesne (Z49a Se. G. B.) und anderen, und so
droht jetzt auch den Bestimmungen gegen die Beleidigung die Gefahr,
zu ihrem Nachteil reformiert zu werden. Infolge einiger Prozesse der letzten
Jahre hat sich vieler das Gefühl bemächtigt, daß der Strafschutz gegen Beleidigung,
insbesondere gegen Preßbeleidigung, nicht genüge. Und alsbald sieht man sich
genötigt, der angebahnten großen Strafrechtsreform mit einer „kleinen" Reform
voranzugehen, um die ärgsten „Mißstände" unter anderen im Beleidigungsrechte
hinwegzuräumen.
Der von der Regierung dem Reichstage vorgelegte Einwurf will das Höchst¬
maß der Geldstrafe für „üble Nachrede" (§ 186 Se. G. B.) von 600 Mark auf
1000 Mark und bei öffentlicher VerÜbung, insbesondere bei VerÜbung durch
die Presse, von 1500 Mark auf 10000 Mark (also das nahezu siebenfache!)
erhöhen, und will außerdem zulassen, daß auf die Geldstrafe nicht nur, wie
bisher, an Stelle, sondern künftig auch neben der Freiheitsstrafe erkannt werde.
Zugleich soll der Höchstbetrag der im gegebenen Falle an den Beleidigten selbst
zu zahlenden Buße von 6000 Mark auf 20000 Mark erhöht werden. Diese
Vorschläge sind vom Reichstage am 12. Januar 1911 in zweiter Lesung bereits
Grenzboten II 1911 39
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