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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Reichssxicgel

begeht. Die Konservative Korrespondenz und die Deutsche Tageszeitung haben
einen wahren Lügenfeldzug gegen die nationalliberale Partei eingeleitet, sind
dabei aber so wenig bewandert in der Handhabung dieses Mittels, daß sie mit
Leichtigkeit auf Schritt und Tritt zurückgewiesen werden können. Sie sollten sich
also ihren: Charakter entsprechend von dein unwürdigen Mittel fern halten. In
die gleiche Rubrik gehört die Behandlung, die Herr v. Heydebrand dem
deutschen Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhause hat wider¬
fahren lassen. Es war in der Tat eine empörende Szene, als der Herr von
Klein-Tschunkawe Herrn v. Bethmann abkanzelte, lediglich auf die Wirkung im
Lande berechnet. Herr v. Heydebrand ist ein geschickter Demagoge, der weiß, was
im Lande über die staatsmännischen Leistungen des Reichskanzlers gedacht wird.
Ihn, der jedes Eintreten für die Politik Hendebrands abgelehnt hat, draußen der
nationalen Unzuverlässigkeit zu denunzieren, fiel nicht schwer. Wenn wir auch in der
Sache selbst durchaus nicht mitdemHerrnReichskanzler übereinstimmen,so empfinden
wir Hendebrands Vorgehen um so peinlicher und die Staatsautorität unter¬
grabend, weil es von konservativer Seite ausging. Herr v. Bethmann hat leider
nicht das Register gefunden, verfügt wohl auch nicht darüber, um die Angriffe
des konservativen Führers wirksam abzuweisen. Auch was er sachlich für seine
Stellung in der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage anzubringen hatte, war
recht schwach. Herr v. Bethmann verkennt die historischen Grundlagen, auf
denen die Reichslande bestehen. Sie sind kein geschlossener deutscher Staat aus
sich heraus, sondern ein im Jahre 1871 aus verschiedenen französischen Provinzen
zusammengefügtes administratives Gebilde, entstanden infolge von Rivalitäten
der deutschen Bundesfürsten, die Bismarck nicht auszugleichen vermochte. Was
Herr v. Bethmann Rücksichtnahme Preußens gegen das Reich nennt, ist tatsächlich
nur Sentimentalität gegen künstlich gezüchtete Empfindungen eines reichsfeind¬
lichen Partikularismus.


Bank und Geld

Zulassung ausländischer Wertpapiere -- Wunderbare wirtschaftliche Grundsätze Dern-
vnrgs -- Finanzierungen im Auslande -- Bagdadbahnvertrag -- Eine deutsche
Koinnmnnlbnnl

Die Erörterungen über die Zulassung ausländischer Wertpapiere,
die man einstweilen fiir abgetan ansehen konnte, sind wieder in Fluß gekommen.
Herr Bernhard Dernburg, Bankdirektor und Staatssekretär a. D., hat zur
Feder gegriffen und ist seinem "verehrten früheren Kollegen" Sydow kräftig
zuleide gerückt. Die Stellungnahme des Handelsministers in dieser Frage hat
fein höchstes Mißfallen erregt, und so attackiert er ihn dieserhalb weidlich und
mit so viel Temperament, daß unverkennbar ist, wie wenig der Staatssekretär
den früheren Bankdirektor im Charakter des Herrn Dernburg hat verdrängen
können. Leider aber ist das theoretische Fundament seines Angriffs so schwach,
daß es auch für einen Bankdirektor nicht ausreichen sollte. Man muß daher


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begeht. Die Konservative Korrespondenz und die Deutsche Tageszeitung haben
einen wahren Lügenfeldzug gegen die nationalliberale Partei eingeleitet, sind
dabei aber so wenig bewandert in der Handhabung dieses Mittels, daß sie mit
Leichtigkeit auf Schritt und Tritt zurückgewiesen werden können. Sie sollten sich
also ihren: Charakter entsprechend von dein unwürdigen Mittel fern halten. In
die gleiche Rubrik gehört die Behandlung, die Herr v. Heydebrand dem
deutschen Reichskanzler im preußischen Abgeordnetenhause hat wider¬
fahren lassen. Es war in der Tat eine empörende Szene, als der Herr von
Klein-Tschunkawe Herrn v. Bethmann abkanzelte, lediglich auf die Wirkung im
Lande berechnet. Herr v. Heydebrand ist ein geschickter Demagoge, der weiß, was
im Lande über die staatsmännischen Leistungen des Reichskanzlers gedacht wird.
Ihn, der jedes Eintreten für die Politik Hendebrands abgelehnt hat, draußen der
nationalen Unzuverlässigkeit zu denunzieren, fiel nicht schwer. Wenn wir auch in der
Sache selbst durchaus nicht mitdemHerrnReichskanzler übereinstimmen,so empfinden
wir Hendebrands Vorgehen um so peinlicher und die Staatsautorität unter¬
grabend, weil es von konservativer Seite ausging. Herr v. Bethmann hat leider
nicht das Register gefunden, verfügt wohl auch nicht darüber, um die Angriffe
des konservativen Führers wirksam abzuweisen. Auch was er sachlich für seine
Stellung in der elsaß-lothringischen Verfassungsfrage anzubringen hatte, war
recht schwach. Herr v. Bethmann verkennt die historischen Grundlagen, auf
denen die Reichslande bestehen. Sie sind kein geschlossener deutscher Staat aus
sich heraus, sondern ein im Jahre 1871 aus verschiedenen französischen Provinzen
zusammengefügtes administratives Gebilde, entstanden infolge von Rivalitäten
der deutschen Bundesfürsten, die Bismarck nicht auszugleichen vermochte. Was
Herr v. Bethmann Rücksichtnahme Preußens gegen das Reich nennt, ist tatsächlich
nur Sentimentalität gegen künstlich gezüchtete Empfindungen eines reichsfeind¬
lichen Partikularismus.


Bank und Geld

Zulassung ausländischer Wertpapiere — Wunderbare wirtschaftliche Grundsätze Dern-
vnrgs — Finanzierungen im Auslande — Bagdadbahnvertrag — Eine deutsche
Koinnmnnlbnnl

Die Erörterungen über die Zulassung ausländischer Wertpapiere,
die man einstweilen fiir abgetan ansehen konnte, sind wieder in Fluß gekommen.
Herr Bernhard Dernburg, Bankdirektor und Staatssekretär a. D., hat zur
Feder gegriffen und ist seinem „verehrten früheren Kollegen" Sydow kräftig
zuleide gerückt. Die Stellungnahme des Handelsministers in dieser Frage hat
fein höchstes Mißfallen erregt, und so attackiert er ihn dieserhalb weidlich und
mit so viel Temperament, daß unverkennbar ist, wie wenig der Staatssekretär
den früheren Bankdirektor im Charakter des Herrn Dernburg hat verdrängen
können. Leider aber ist das theoretische Fundament seines Angriffs so schwach,
daß es auch für einen Bankdirektor nicht ausreichen sollte. Man muß daher


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/657>, abgerufen am 27.12.2024.