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Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.

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Systematische Sprachbildung

Als sie ihm dann gar zu des Schusters Harmonika und Pfeifen den Nationaltanz
vortrugen, erst einfach und darauf mit Ssurikows Divertissements, wurde er so
gerührt, daß ihm Tränen in die Augen traten.

"Ja, Väterchen," sagte er zu Botscharow, "Du hast recht. Überall kaun der
Mensch es gut haben, wenn er es nur versteht. Ich weiß nicht, ob sich im
Gouvernement ein so gemütliches Vergnügen finden ließe."

Als die praktische Liska nach der Beendigung des Tanzes einen Teller nahm,
wie Ssurikow damals bei der ersten Aufführung, und zu den beiden alten Herren
kollektieren ging, warf Botscharow eine violette Fünfundzwanzigrubelnote auf den
Teller, Räbzow aber legte mit der größten Seelenruhe einen einzigen Rubel dazu.

(Fortsetzung folgt.)




Systematische Sprachbildung
n Dr. Lrnst Kliemk vo

le stille Arbeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins läßt im
Garten unserer Muttersprache Frucht auf Frucht reifen. In der
ersten Zeit seines Bestehens vielfach verlacht, weil seine Bestrebungen,
namentlich gegen die Fremdwörter, über das Ziel Hinauszugeheu
schienen, hat er es in stetem Kampfe verstanden, sich nicht nur bei
den Freundeir einer reinen und klaren Sprache Anerkennung zu erringen, sondern
er hat auch mittelbar und unmittelbar praktische Erfolge erzielt, die dauernd ins
Leben eingedrungen sind. Wer die Entwickelung unserer Sprache in den letzten
Jahrzehnten betrachtet, muß seiner dankbar gedenken.

Der sechste Deutsche Luftschiffertag 1907 hatte einen Ausschuß gewählt, der
in Verbindung mit dem Allgemeinen Deutschen Sprachverein und verschiedenen
Behörden einheitliche, möglichst deutsche Fachausdrücke der Luftschiffahrt festsetzen
sollte. Der achte Deutsche Luftschiffertag hat im Jahre 1910 die von dem Sprach¬
ausschusse des Deutschen Luftschifferverbandes gemachten Vorschläge einstimmig
angenommen. Die so festgesetzten Fachausdrücke sollen nicht nur in den Kreisen,
die dem Luftschisferverbcmde nahestehen, angewendet, sondern auch in die Gcsetzes-
sprache eingeführt werden, und es steht zu erwarten, daß sie bald ebenso in das
Leben eindringen werden, wie viele andere auf ähnliche Weise geschaffene Sprach¬
bildungen.

Der früher den allgemeinsten Sinn enthaltende Ausdruck Luftschiffahrt ist zu
einem Unterbegriff geworden, der sich neben dem Flugwesen (umfassend Flug¬
technik, Flugverkehr, Flugsport) unter den Oberbegriff Luftfahrt unterordnet.
Neben die Luftschiffe oder Kraftballoue, die neben den Freiballonen eine Unter¬
abteilung der Lustfahrzeuge geworden sind, treten die Flugzeuge, die wieder
in Kraftflugzeuge und in Gleitflugzeuge eingeteilt werden, mit den weiteren Ein¬
teilungen von Prallschiffen und Starrschiffen auf der einen Seite, Flugdrachen,
Schraubenflugzeugen und Schwingenflugzeugen auf der anderen Seite. Sagte


Systematische Sprachbildung

Als sie ihm dann gar zu des Schusters Harmonika und Pfeifen den Nationaltanz
vortrugen, erst einfach und darauf mit Ssurikows Divertissements, wurde er so
gerührt, daß ihm Tränen in die Augen traten.

„Ja, Väterchen," sagte er zu Botscharow, „Du hast recht. Überall kaun der
Mensch es gut haben, wenn er es nur versteht. Ich weiß nicht, ob sich im
Gouvernement ein so gemütliches Vergnügen finden ließe."

Als die praktische Liska nach der Beendigung des Tanzes einen Teller nahm,
wie Ssurikow damals bei der ersten Aufführung, und zu den beiden alten Herren
kollektieren ging, warf Botscharow eine violette Fünfundzwanzigrubelnote auf den
Teller, Räbzow aber legte mit der größten Seelenruhe einen einzigen Rubel dazu.

(Fortsetzung folgt.)




Systematische Sprachbildung
n Dr. Lrnst Kliemk vo

le stille Arbeit des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins läßt im
Garten unserer Muttersprache Frucht auf Frucht reifen. In der
ersten Zeit seines Bestehens vielfach verlacht, weil seine Bestrebungen,
namentlich gegen die Fremdwörter, über das Ziel Hinauszugeheu
schienen, hat er es in stetem Kampfe verstanden, sich nicht nur bei
den Freundeir einer reinen und klaren Sprache Anerkennung zu erringen, sondern
er hat auch mittelbar und unmittelbar praktische Erfolge erzielt, die dauernd ins
Leben eingedrungen sind. Wer die Entwickelung unserer Sprache in den letzten
Jahrzehnten betrachtet, muß seiner dankbar gedenken.

Der sechste Deutsche Luftschiffertag 1907 hatte einen Ausschuß gewählt, der
in Verbindung mit dem Allgemeinen Deutschen Sprachverein und verschiedenen
Behörden einheitliche, möglichst deutsche Fachausdrücke der Luftschiffahrt festsetzen
sollte. Der achte Deutsche Luftschiffertag hat im Jahre 1910 die von dem Sprach¬
ausschusse des Deutschen Luftschifferverbandes gemachten Vorschläge einstimmig
angenommen. Die so festgesetzten Fachausdrücke sollen nicht nur in den Kreisen,
die dem Luftschisferverbcmde nahestehen, angewendet, sondern auch in die Gcsetzes-
sprache eingeführt werden, und es steht zu erwarten, daß sie bald ebenso in das
Leben eindringen werden, wie viele andere auf ähnliche Weise geschaffene Sprach¬
bildungen.

Der früher den allgemeinsten Sinn enthaltende Ausdruck Luftschiffahrt ist zu
einem Unterbegriff geworden, der sich neben dem Flugwesen (umfassend Flug¬
technik, Flugverkehr, Flugsport) unter den Oberbegriff Luftfahrt unterordnet.
Neben die Luftschiffe oder Kraftballoue, die neben den Freiballonen eine Unter¬
abteilung der Lustfahrzeuge geworden sind, treten die Flugzeuge, die wieder
in Kraftflugzeuge und in Gleitflugzeuge eingeteilt werden, mit den weiteren Ein¬
teilungen von Prallschiffen und Starrschiffen auf der einen Seite, Flugdrachen,
Schraubenflugzeugen und Schwingenflugzeugen auf der anderen Seite. Sagte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341893_317612/43>, abgerufen am 27.12.2024.