Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Die Bedeutung der Allegorie Wahrheit ein nie vollkommen zu erreichendes Ideal sei. Eng hängt damit Die Bedeutung der Allegorie Alexander v, Gleichen-Rußwurm von le Kluft, die zwischen der geistigen Disziplin der Vergangenheit Deuten und Bedeuten, Allegorisieren und Personifizieren war Bekannt ist das erste primitive Symbolisieren im kindlichen Spiel. Erwachsene Die Beschäftigung des Geistes mit solchem orientalischen Rcitseldeuteu wurde Die Bedeutung der Allegorie Wahrheit ein nie vollkommen zu erreichendes Ideal sei. Eng hängt damit Die Bedeutung der Allegorie Alexander v, Gleichen-Rußwurm von le Kluft, die zwischen der geistigen Disziplin der Vergangenheit Deuten und Bedeuten, Allegorisieren und Personifizieren war Bekannt ist das erste primitive Symbolisieren im kindlichen Spiel. Erwachsene Die Beschäftigung des Geistes mit solchem orientalischen Rcitseldeuteu wurde <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0381" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317994"/> <fw type="header" place="top"> Die Bedeutung der Allegorie</fw><lb/> <p xml:id="ID_1755" prev="#ID_1754"> Wahrheit ein nie vollkommen zu erreichendes Ideal sei. Eng hängt damit<lb/> zusammen, daß die moderne Wissenschaft in der Religion wie in allen Gebieten<lb/> des Geisteslebens den Entwicklungsgedanken in den Mittelpunkt stellt, daß<lb/> dagegen die katholische Kirche für ihre Lehre jede wirkliche Entwicklung ablehnt.<lb/> Es ist eben das Vorrecht einer „unfehlbaren" Autorität, zugleich „unverbesserlich"<lb/> zu sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Bedeutung der Allegorie<lb/><note type="byline"> Alexander v, Gleichen-Rußwurm</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1756"> le Kluft, die zwischen der geistigen Disziplin der Vergangenheit<lb/> und der geistigen Disziplin der Neuzeit liegt, erscheint besonders<lb/> scharf beleuchtet, wenn die Geschichte der Allegorie umrissen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1757"> Deuten und Bedeuten, Allegorisieren und Personifizieren war<lb/> während vieler Jahrhunderte eine tiefgehende Gewohnheit des<lb/> menschlichen Denkvermögens, die von Religion oder Theologie ausging und auf<lb/> alle Künste und Wissenschaften hinüberstrahlte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1758"> Bekannt ist das erste primitive Symbolisieren im kindlichen Spiel. Erwachsene<lb/> wundern sich oft, wie lebendig die Suggestion des Spielworts „das bedeutet"<lb/> auf kindliche Gemüter wirkt. Jener Kleiderhaken bedeutet den Spielenden einen<lb/> Baum, jene Reihe von Stühlen die Eisenbahn. Ganz ähnlich ist das Spiel<lb/> der Phantasie und die Autosuggestion bei Dichtungen, die allegorisch gedeutet<lb/> werden, namentlich bei Werken religiösen Inhalts. Wie in kindlicher Phantasie<lb/> ein Möbel einen Baum bedeuten muß, so werden diese oder jene mystisch<lb/> beleuchteten Gegenstände zu Symbolen umgedichtet, oder abstrakte Ideen müssen<lb/> sich in einen allegorischen Körper bequemen. Traditionell geworden sind diese<lb/> Deutungen heilig und unumstößlich. So läßt sich die ungeheuere Macht erklären,<lb/> die das farbenprächtige, alttestamentliche Bibelbuch mit seinen vielen Seltsam¬<lb/> keiten über die Länder der Erde gewann. Alle christlichen Völker geheimnisten<lb/> eine Symbolik in die Bücher der ebräischen Poesie, deren Naivität in den alten<lb/> Kapitelüberschriften sehr interessant zutage tritt. Vor allen springt sie ins Auge<lb/> bei der merkwürdigen Deutung des Hohen Liedes. Die Menschheit vertiefte sich<lb/> in das wunderbare Buch der Bücher und dichtete daran weiter, trug neue Wunder<lb/> in die alte Sagenwelt durch ein großartiges Spiel mit Allegorien.</p><lb/> <p xml:id="ID_1759" next="#ID_1760"> Die Beschäftigung des Geistes mit solchem orientalischen Rcitseldeuteu wurde<lb/> zu einer besonderen Kunst und künstlerischen Freude. Sie wurde in die profane<lb/> Dichtung übertragen, die ihr viele der schönsten und tiefsten Schöpfungen verdankt.<lb/> In die bildenden Künste, in Skulptur und Malerei drang sie mit wuchernder<lb/> Kraft, ja sogar in die Architektur, die mit dem himmelstrebenden gotischen Stil</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0381]
Die Bedeutung der Allegorie
Wahrheit ein nie vollkommen zu erreichendes Ideal sei. Eng hängt damit
zusammen, daß die moderne Wissenschaft in der Religion wie in allen Gebieten
des Geisteslebens den Entwicklungsgedanken in den Mittelpunkt stellt, daß
dagegen die katholische Kirche für ihre Lehre jede wirkliche Entwicklung ablehnt.
Es ist eben das Vorrecht einer „unfehlbaren" Autorität, zugleich „unverbesserlich"
zu sein.
Die Bedeutung der Allegorie
Alexander v, Gleichen-Rußwurm von
le Kluft, die zwischen der geistigen Disziplin der Vergangenheit
und der geistigen Disziplin der Neuzeit liegt, erscheint besonders
scharf beleuchtet, wenn die Geschichte der Allegorie umrissen wird.
Deuten und Bedeuten, Allegorisieren und Personifizieren war
während vieler Jahrhunderte eine tiefgehende Gewohnheit des
menschlichen Denkvermögens, die von Religion oder Theologie ausging und auf
alle Künste und Wissenschaften hinüberstrahlte.
Bekannt ist das erste primitive Symbolisieren im kindlichen Spiel. Erwachsene
wundern sich oft, wie lebendig die Suggestion des Spielworts „das bedeutet"
auf kindliche Gemüter wirkt. Jener Kleiderhaken bedeutet den Spielenden einen
Baum, jene Reihe von Stühlen die Eisenbahn. Ganz ähnlich ist das Spiel
der Phantasie und die Autosuggestion bei Dichtungen, die allegorisch gedeutet
werden, namentlich bei Werken religiösen Inhalts. Wie in kindlicher Phantasie
ein Möbel einen Baum bedeuten muß, so werden diese oder jene mystisch
beleuchteten Gegenstände zu Symbolen umgedichtet, oder abstrakte Ideen müssen
sich in einen allegorischen Körper bequemen. Traditionell geworden sind diese
Deutungen heilig und unumstößlich. So läßt sich die ungeheuere Macht erklären,
die das farbenprächtige, alttestamentliche Bibelbuch mit seinen vielen Seltsam¬
keiten über die Länder der Erde gewann. Alle christlichen Völker geheimnisten
eine Symbolik in die Bücher der ebräischen Poesie, deren Naivität in den alten
Kapitelüberschriften sehr interessant zutage tritt. Vor allen springt sie ins Auge
bei der merkwürdigen Deutung des Hohen Liedes. Die Menschheit vertiefte sich
in das wunderbare Buch der Bücher und dichtete daran weiter, trug neue Wunder
in die alte Sagenwelt durch ein großartiges Spiel mit Allegorien.
Die Beschäftigung des Geistes mit solchem orientalischen Rcitseldeuteu wurde
zu einer besonderen Kunst und künstlerischen Freude. Sie wurde in die profane
Dichtung übertragen, die ihr viele der schönsten und tiefsten Schöpfungen verdankt.
In die bildenden Künste, in Skulptur und Malerei drang sie mit wuchernder
Kraft, ja sogar in die Architektur, die mit dem himmelstrebenden gotischen Stil
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