Die Grenzboten. Jg. 70, 1911, Erstes Vierteljahr.Lin neues Begnadigungsrecht Ermahnung, auch seine Gemahlin für die wahre Lehre zu gewinnen, kam der Auch als durchlauchtigste Herzogin wurde Franziska dem ländlichen Still¬ "Zwei Worte, denn mehr gewähren die Augen nicht, allerliebste Frau. Karl Eugen starb am 24. Oktober 1793. Der geliebten Frau hatte er Gin neues Begnadigungsrecht Geh, Justizrat Wollschläger, Landgerichtsdirektor in Thorn von in deutschen Reichstage äußerte vor einigelt Monaten ein sozial¬ Wir leben in einer wunderlichen Zeit. Einst nannte man Lin neues Begnadigungsrecht Ermahnung, auch seine Gemahlin für die wahre Lehre zu gewinnen, kam der Auch als durchlauchtigste Herzogin wurde Franziska dem ländlichen Still¬ „Zwei Worte, denn mehr gewähren die Augen nicht, allerliebste Frau. Karl Eugen starb am 24. Oktober 1793. Der geliebten Frau hatte er Gin neues Begnadigungsrecht Geh, Justizrat Wollschläger, Landgerichtsdirektor in Thorn von in deutschen Reichstage äußerte vor einigelt Monaten ein sozial¬ Wir leben in einer wunderlichen Zeit. Einst nannte man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0032" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/317645"/> <fw type="header" place="top"> Lin neues Begnadigungsrecht</fw><lb/> <p xml:id="ID_98" prev="#ID_97"> Ermahnung, auch seine Gemahlin für die wahre Lehre zu gewinnen, kam der<lb/> Herzog nicht nach. Fanatisch religiöse Anwandlungen hatte er niemals gehabt;<lb/> in der Beziehung wenigstens war er ein echter Fürst des aufgeklärten Absolutismus.</p><lb/> <p xml:id="ID_99"> Auch als durchlauchtigste Herzogin wurde Franziska dem ländlichen Still¬<lb/> leben von Hohenheim nicht untreu. Karl Eugen fand nach wie vor in ihr<lb/> das Glück und den Frieden, den er in dem sündhaften Treiben seiner ersten<lb/> zwanzig Regierungsjahre vergeblich gesucht hatte. In den Briefen, die ihr der<lb/> schreiblustige Mann zu ihrem Geburth- oder Namenstage widmete, klingt durch<lb/> allen Wortschwall doch immer ein Ton echter Empfindung hindurch. An dem<lb/> letzten Geburtstage, den er mit ihr feiern durfte, am 10. Januar 1793, schrieb er:</p><lb/> <p xml:id="ID_100"> „Zwei Worte, denn mehr gewähren die Augen nicht, allerliebste Frau.<lb/> Seele und Herz, beide Dir eigen, in der Wette Dir eigen. Sie sein der Ursprung<lb/> aller Dinge, Dir eigen, auf immer eigen. Urteile, richte mich, das erwartet<lb/> mit heiterster Stirn </p> <note type="closer"><note type="bibl"> Freund Karl."</note> Dein Dich ewig liebender</note><lb/> <p xml:id="ID_101"> Karl Eugen starb am 24. Oktober 1793. Der geliebten Frau hatte er<lb/> das freundlich gelegene Schloß Kirchheim unter Teck zum Witwensitz bestimmt,<lb/> und hier lebte sie, von einem kleinen Hofstaat umgeben, in ziemlicher Zurück¬<lb/> gezogenheit noch bis zum 1. Januar 1811. Ihr Neffe ließ in der Kapelle des<lb/> Gutes Sendungen ihre Büste aufstellen mit der Inschrift: „Ihr Herz schlug<lb/> warm für Gott und Menschen, durch Frömmigkeit und Wohltätigkeit zeichnete<lb/> sie sich aus." — Die Worte treffen die Grundzüge ihres Wesens. Unausgesprochen<lb/> aber ist der Zauber, der von ihr ausging und einen Karl Eugen ihr so ganz<lb/> zu eigen gab, das Unwägbare, das Göttliche in ihr, das das Gemeine in ihm<lb/> bezwang und bändigte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Gin neues Begnadigungsrecht<lb/><note type="byline"> Geh, Justizrat Wollschläger, Landgerichtsdirektor in Thorn</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_102"> in deutschen Reichstage äußerte vor einigelt Monaten ein sozial¬<lb/> demokratischer Redner, daß vor den Gerichten einer nordwest¬<lb/> deutschen Provinzialhauptstadt den Angeklagten stets so zumute sei,<lb/> als wenn sie reißenden Wölfen vorgeworfen würden.</p><lb/> <p xml:id="ID_103" next="#ID_104"> Wir leben in einer wunderlichen Zeit. Einst nannte man<lb/> den geächteten Verbrecher den „würgenden Wolf" oder den „Wolfshauptträger",<lb/> weil er gleich dem Raubtier straflos getötet werden konnte, oder den „Wald¬<lb/> gänger", weil er friedlos im Walde schweifte. Jetzt müssen wir es erleben,<lb/> daß deutsche Richter unter dieser Benennung vor Land und Volk angeklagt<lb/> werden. Die Maßlosigkeit der Anschuldigung kennzeichnet freilich schon allein<lb/> ihren Unwert. Aber auch abgesehen davon, wird kein Verständiger den leiden-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Lin neues Begnadigungsrecht
Ermahnung, auch seine Gemahlin für die wahre Lehre zu gewinnen, kam der
Herzog nicht nach. Fanatisch religiöse Anwandlungen hatte er niemals gehabt;
in der Beziehung wenigstens war er ein echter Fürst des aufgeklärten Absolutismus.
Auch als durchlauchtigste Herzogin wurde Franziska dem ländlichen Still¬
leben von Hohenheim nicht untreu. Karl Eugen fand nach wie vor in ihr
das Glück und den Frieden, den er in dem sündhaften Treiben seiner ersten
zwanzig Regierungsjahre vergeblich gesucht hatte. In den Briefen, die ihr der
schreiblustige Mann zu ihrem Geburth- oder Namenstage widmete, klingt durch
allen Wortschwall doch immer ein Ton echter Empfindung hindurch. An dem
letzten Geburtstage, den er mit ihr feiern durfte, am 10. Januar 1793, schrieb er:
„Zwei Worte, denn mehr gewähren die Augen nicht, allerliebste Frau.
Seele und Herz, beide Dir eigen, in der Wette Dir eigen. Sie sein der Ursprung
aller Dinge, Dir eigen, auf immer eigen. Urteile, richte mich, das erwartet
mit heiterster Stirn
Freund Karl." Dein Dich ewig liebender
Karl Eugen starb am 24. Oktober 1793. Der geliebten Frau hatte er
das freundlich gelegene Schloß Kirchheim unter Teck zum Witwensitz bestimmt,
und hier lebte sie, von einem kleinen Hofstaat umgeben, in ziemlicher Zurück¬
gezogenheit noch bis zum 1. Januar 1811. Ihr Neffe ließ in der Kapelle des
Gutes Sendungen ihre Büste aufstellen mit der Inschrift: „Ihr Herz schlug
warm für Gott und Menschen, durch Frömmigkeit und Wohltätigkeit zeichnete
sie sich aus." — Die Worte treffen die Grundzüge ihres Wesens. Unausgesprochen
aber ist der Zauber, der von ihr ausging und einen Karl Eugen ihr so ganz
zu eigen gab, das Unwägbare, das Göttliche in ihr, das das Gemeine in ihm
bezwang und bändigte.
Gin neues Begnadigungsrecht
Geh, Justizrat Wollschläger, Landgerichtsdirektor in Thorn von
in deutschen Reichstage äußerte vor einigelt Monaten ein sozial¬
demokratischer Redner, daß vor den Gerichten einer nordwest¬
deutschen Provinzialhauptstadt den Angeklagten stets so zumute sei,
als wenn sie reißenden Wölfen vorgeworfen würden.
Wir leben in einer wunderlichen Zeit. Einst nannte man
den geächteten Verbrecher den „würgenden Wolf" oder den „Wolfshauptträger",
weil er gleich dem Raubtier straflos getötet werden konnte, oder den „Wald¬
gänger", weil er friedlos im Walde schweifte. Jetzt müssen wir es erleben,
daß deutsche Richter unter dieser Benennung vor Land und Volk angeklagt
werden. Die Maßlosigkeit der Anschuldigung kennzeichnet freilich schon allein
ihren Unwert. Aber auch abgesehen davon, wird kein Verständiger den leiden-
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