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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Texas als Staat in die Union festgesetzten Bedingungen und Bestimmungen
auch die geeignete Handhabe bieten.

Selbswerstäudlich handelt es sich bei der Prohibitionsbewegung nicht nur
um moralische und ethische Fragen, sowie um politische, wie es der Zusammen¬
hang mit dem Steuer- und Abgabewesen mit sich bringt und wie es unter
anderem auch das texanische Staatsteilungsprojekt zeigt, sondern es handelt sich
dabei auch nicht zum wenigsten um schwerwiegende materielle Interessen.

Im Gegensatz zu dem in Deutschland vorherrschenden Stande der Dinge,
wo jede kleine Stadt, ja manche Dorfschaft ihre eigene Brauerei hat, herrscht
in den Vereinigten Staaten auf dem Gebiete der Brauindustrie fast ausschließlich
der konzentrierte Großbetrieb vor. In dieser Industrie siud aber in der Union
ganz ungeheure Werte angelegt, Werte, welche bei der Einführung der Staats¬
prohibition mit einem Federstriche vernichtet werden würden. Sind doch
Milwaukee und Se. Louis -- trotz München -- die größten Braustädte der
Erde, und haben doch selbst im fernen Westen einige Städte -- wie beispiels¬
weise das schöne alte San Antonio -- eine Stadt von über 100000 Ein¬
wohnern -- Braubetriebe auszuweisen, die Tausenden von Menschen die Existenz¬
bedingungen liefern. All diesen Tausenden würde aber einfach die Existenz¬
berechtigung durch Majoritätsbeschluß wegdekretiert, wenn es den Prohibitionisten
gelänge, bei der aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstehenden Volksabstimmung
die Mehrheit zu erzielen!

Man sieht, zu welchen Ungeheuerlichkeiten. das an sich richtige demokratische
Prinzip der Majoritäts-Herrschaft in der Übertreibung nicht nur theoretisch
führen kann, sondern in dem vielgerühmten "Lande der Freiheit" tatsächlich
geführt hat, fortwährend führt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch
(Fortsetzung folgt.) weiter führen wirbt




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Neichsspiegel

Die neuesten Veränderungen an leitenden Stellen.

Dem neulich hier besprochenen Ministerwechsel ist eine neue Serie von Ver¬
änderungen gefolgt, deren allgemeine Bedeutung nicht noch einmal auseinander¬
gesetzt zu werden braucht, weil es sich um die Ausführung desselben Grund¬
gedankens handelt. Dagegen ist über die Persönlichkeiten der scheidenden und der
kommenden Männer einiges zu sagen.

Daß Herr v. Rheinbaben als Finanzminister gehen sollte, lag keineswegs in
dem ursprünglichen Plan des Ministerpräsidenten. Aber der Finanzminister selbst
hielt, als durch den Einzug des Herrn v. Schorlemer in das Ministerium das
Oberpräsidium der Rheinprovinz frei wurde, den Augenblick für gekommen, sich
auf einen ruhigeren Posten zurückzuziehen, der seinen besonderen Wünschen ent¬
sprach. Das kann man durchaus verstehen und würdigen, und es ist mindestens
richtiger, als wenn man die Amtsmüdigkeit des Herrn v. Rheinbaben aus dem
Unbehagen über die Angriffe des Herrn v. Gwinner im Herrenhause oder aus


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Texas als Staat in die Union festgesetzten Bedingungen und Bestimmungen
auch die geeignete Handhabe bieten.

Selbswerstäudlich handelt es sich bei der Prohibitionsbewegung nicht nur
um moralische und ethische Fragen, sowie um politische, wie es der Zusammen¬
hang mit dem Steuer- und Abgabewesen mit sich bringt und wie es unter
anderem auch das texanische Staatsteilungsprojekt zeigt, sondern es handelt sich
dabei auch nicht zum wenigsten um schwerwiegende materielle Interessen.

Im Gegensatz zu dem in Deutschland vorherrschenden Stande der Dinge,
wo jede kleine Stadt, ja manche Dorfschaft ihre eigene Brauerei hat, herrscht
in den Vereinigten Staaten auf dem Gebiete der Brauindustrie fast ausschließlich
der konzentrierte Großbetrieb vor. In dieser Industrie siud aber in der Union
ganz ungeheure Werte angelegt, Werte, welche bei der Einführung der Staats¬
prohibition mit einem Federstriche vernichtet werden würden. Sind doch
Milwaukee und Se. Louis — trotz München — die größten Braustädte der
Erde, und haben doch selbst im fernen Westen einige Städte — wie beispiels¬
weise das schöne alte San Antonio — eine Stadt von über 100000 Ein¬
wohnern — Braubetriebe auszuweisen, die Tausenden von Menschen die Existenz¬
bedingungen liefern. All diesen Tausenden würde aber einfach die Existenz¬
berechtigung durch Majoritätsbeschluß wegdekretiert, wenn es den Prohibitionisten
gelänge, bei der aller Wahrscheinlichkeit nach bevorstehenden Volksabstimmung
die Mehrheit zu erzielen!

Man sieht, zu welchen Ungeheuerlichkeiten. das an sich richtige demokratische
Prinzip der Majoritäts-Herrschaft in der Übertreibung nicht nur theoretisch
führen kann, sondern in dem vielgerühmten „Lande der Freiheit" tatsächlich
geführt hat, fortwährend führt und aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch
(Fortsetzung folgt.) weiter führen wirbt




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Neichsspiegel

Die neuesten Veränderungen an leitenden Stellen.

Dem neulich hier besprochenen Ministerwechsel ist eine neue Serie von Ver¬
änderungen gefolgt, deren allgemeine Bedeutung nicht noch einmal auseinander¬
gesetzt zu werden braucht, weil es sich um die Ausführung desselben Grund¬
gedankens handelt. Dagegen ist über die Persönlichkeiten der scheidenden und der
kommenden Männer einiges zu sagen.

Daß Herr v. Rheinbaben als Finanzminister gehen sollte, lag keineswegs in
dem ursprünglichen Plan des Ministerpräsidenten. Aber der Finanzminister selbst
hielt, als durch den Einzug des Herrn v. Schorlemer in das Ministerium das
Oberpräsidium der Rheinprovinz frei wurde, den Augenblick für gekommen, sich
auf einen ruhigeren Posten zurückzuziehen, der seinen besonderen Wünschen ent¬
sprach. Das kann man durchaus verstehen und würdigen, und es ist mindestens
richtiger, als wenn man die Amtsmüdigkeit des Herrn v. Rheinbaben aus dem
Unbehagen über die Angriffe des Herrn v. Gwinner im Herrenhause oder aus


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/55>, abgerufen am 22.07.2024.