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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Zur Reform der preußischen Areisverfassung
Dr. poste von

in das Jahr 1800 baute sich in Preußen die Verfassung und
Verwaltung der Kreise wie die Ordnung der ländlichen Polizei-
und Gemeindeverhältnisse lediglich auf den: adeligen Grundbesitz
auf*). Die Kreise, zu deuen damals außer den sogenannten
Mediatstädten in der Regel nur das flache Land gehörte, waren
in kommunaler Beziehung durch die Kreistage vertreten, auf denen nach dem
Allgemeinen Landrecht nur die adeligen Rittergutsbesitzer Sitz und Stimme
hatten. Die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit und die privatrechtliche Gleich¬
stellung der Rittergüter mit den anderen Landgütern durch das Edikt vom
Jahre 1807 ließ die Absicht entstehen, auch die mit dem Besitz eines Rittergutes
verbundenen öffentlich-rechtlichen Befugnisse aufzuheben, insbesondere die
Patrimonialgerichtsbarkeit und die gutsherrliche Polizeigewalt. Im Jahre 1812
wurde auch ein Edikt erlassen, wonach die Kreise eine eigene Finanzverwaltung
erhalten sollten und wonach die kommunalen Angelegenheiten unter Aufsicht der
Staatsbehörden durch eine aus Deputierten der Gemeinden zusammengesetzte
Verwaltung erledigt werden sollten. Diese Bestimmungen des Ediktes gelangten
jedoch nicht zur Ausführung und wurden später durch die in den Jahren 1825
bis 1828 für die einzelnen Provinzen erlassenen Kreisordnungen wieder auf¬
gehoben. Diese Kreisordnungen waren noch vollständig von dem alten ständischen
Geist beherrscht. Die Kreisvertretung gliederte sich nach den drei Besitzklassen:
Rittergutsbesitz, bäuerlicher Grundbesitz und Städte. Während aber die Mit¬
glieder der ersten Besitzklasse, die Standesherren und Rittergutsbesitzer, auf den
Kreistagen je eine Virilstimme hatten, waren die im Kreis gelegenen Städte und



v. Bitter, Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung.
Grenzboten III igio68


Zur Reform der preußischen Areisverfassung
Dr. poste von

in das Jahr 1800 baute sich in Preußen die Verfassung und
Verwaltung der Kreise wie die Ordnung der ländlichen Polizei-
und Gemeindeverhältnisse lediglich auf den: adeligen Grundbesitz
auf*). Die Kreise, zu deuen damals außer den sogenannten
Mediatstädten in der Regel nur das flache Land gehörte, waren
in kommunaler Beziehung durch die Kreistage vertreten, auf denen nach dem
Allgemeinen Landrecht nur die adeligen Rittergutsbesitzer Sitz und Stimme
hatten. Die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit und die privatrechtliche Gleich¬
stellung der Rittergüter mit den anderen Landgütern durch das Edikt vom
Jahre 1807 ließ die Absicht entstehen, auch die mit dem Besitz eines Rittergutes
verbundenen öffentlich-rechtlichen Befugnisse aufzuheben, insbesondere die
Patrimonialgerichtsbarkeit und die gutsherrliche Polizeigewalt. Im Jahre 1812
wurde auch ein Edikt erlassen, wonach die Kreise eine eigene Finanzverwaltung
erhalten sollten und wonach die kommunalen Angelegenheiten unter Aufsicht der
Staatsbehörden durch eine aus Deputierten der Gemeinden zusammengesetzte
Verwaltung erledigt werden sollten. Diese Bestimmungen des Ediktes gelangten
jedoch nicht zur Ausführung und wurden später durch die in den Jahren 1825
bis 1828 für die einzelnen Provinzen erlassenen Kreisordnungen wieder auf¬
gehoben. Diese Kreisordnungen waren noch vollständig von dem alten ständischen
Geist beherrscht. Die Kreisvertretung gliederte sich nach den drei Besitzklassen:
Rittergutsbesitz, bäuerlicher Grundbesitz und Städte. Während aber die Mit¬
glieder der ersten Besitzklasse, die Standesherren und Rittergutsbesitzer, auf den
Kreistagen je eine Virilstimme hatten, waren die im Kreis gelegenen Städte und



v. Bitter, Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung.
Grenzboten III igio68
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[0469] [Abbildung] Zur Reform der preußischen Areisverfassung Dr. poste von in das Jahr 1800 baute sich in Preußen die Verfassung und Verwaltung der Kreise wie die Ordnung der ländlichen Polizei- und Gemeindeverhältnisse lediglich auf den: adeligen Grundbesitz auf*). Die Kreise, zu deuen damals außer den sogenannten Mediatstädten in der Regel nur das flache Land gehörte, waren in kommunaler Beziehung durch die Kreistage vertreten, auf denen nach dem Allgemeinen Landrecht nur die adeligen Rittergutsbesitzer Sitz und Stimme hatten. Die Aufhebung der Gutsuntertänigkeit und die privatrechtliche Gleich¬ stellung der Rittergüter mit den anderen Landgütern durch das Edikt vom Jahre 1807 ließ die Absicht entstehen, auch die mit dem Besitz eines Rittergutes verbundenen öffentlich-rechtlichen Befugnisse aufzuheben, insbesondere die Patrimonialgerichtsbarkeit und die gutsherrliche Polizeigewalt. Im Jahre 1812 wurde auch ein Edikt erlassen, wonach die Kreise eine eigene Finanzverwaltung erhalten sollten und wonach die kommunalen Angelegenheiten unter Aufsicht der Staatsbehörden durch eine aus Deputierten der Gemeinden zusammengesetzte Verwaltung erledigt werden sollten. Diese Bestimmungen des Ediktes gelangten jedoch nicht zur Ausführung und wurden später durch die in den Jahren 1825 bis 1828 für die einzelnen Provinzen erlassenen Kreisordnungen wieder auf¬ gehoben. Diese Kreisordnungen waren noch vollständig von dem alten ständischen Geist beherrscht. Die Kreisvertretung gliederte sich nach den drei Besitzklassen: Rittergutsbesitz, bäuerlicher Grundbesitz und Städte. Während aber die Mit¬ glieder der ersten Besitzklasse, die Standesherren und Rittergutsbesitzer, auf den Kreistagen je eine Virilstimme hatten, waren die im Kreis gelegenen Städte und v. Bitter, Handwörterbuch der Preußischen Verwaltung. Grenzboten III igio68

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/469>, abgerufen am 22.07.2024.