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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr.

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Asiatische Arbeit

Ungleichheit im Typus der Obligationen, die zu vollständig regellosen Verhält¬
nissen geführt hat. Abhilfe kann nur geschaffen werden durch die Begründung
einer Bank, welche die Unterbringung solcher Summen ohne Schwierigkeiten
und nach gleichen Grundsätzen vornehmen kann. Den nächsten Vorteil werden
natürlich die vielen kleineren Gemeinden haben, deren bescheidene Emissionen
mit vielen Schwierigkeiten und ganz unverhältnismäßig hohen Kosten ver¬
bunden sind.




Asiatische Arbeit
coelo Goebel von

!in Jahre 1909 hatte ich Gelegenheit, in Ostasien viele Einblicke
in die Betätigung chinesischer, auch koreanischer und japanischer
Arbeiter und Gewerbetreibender zu tun. Meine Beobachtungen
erstrecken sich vor allem auf Sibirien, wo sie von den westlichsten
Vorposten chinesischer Arbeit bis zur Küste des Japanischen Meeres
und von der Amurmündung bis zur Mandschurei und Mongolei hin reichen.

Das eine und andere, was ich auf dieser Reise über Charakter, Leistungs¬
fähigkeit, Ansprüche, Löhne und Lebenshaltung der astatischen, insbesondere der
chinesischen Arbeiter beobachten konnte, scheint mir bei der Wichtigkeit der Frage
der Wettbewerbsfähigkeit des Vierhundert-Millionen-Volkes auf dem Weltmarkt-
der Erwähnung wert. Ich bin mir freilich dabei bewußt, daß es große Teile
Chinas gibt, in denen Leistungen und Ansprüche der Chinesen andere sein mögen
als in Sibirien im Wettbewerb mit den Russen. Manche meiner Beobachtungen
sind aber sicher typisch für den Chinesen als Arbeiter überhaupt.

Um den Vergleich russischer und chinesischer Arbeit einigermaßen ans west¬
europäische Verhältnisse übertragen zu können, sind einige Worte über russische
Arbeiter nötig. Der russische Arbeiter ist in seiner Lebenshaltung anspruchslos
und denkt selten an eine Verbesserung derselben. Er ist daher geneigt, nur bis
zur Befriedigung des Existenzminimums zu arbeiten, in: übrigen aber müßig
zu gehen. Etwaige Überschüsse vertrinkt er gern und wird dann, besonders in
Gesellschaft anderer, ein aufsässiges Element. In der Arbeit ist er oft unzuverlässig
und selten systematisch ausgebildet. Dagegen fehlt es ihm durchaus nicht an
Geschick und man findet vielfach technisches Verständnis verbreitet. Für Erd- und
Bergwerksarbeiter eignet sich der Russe verhältnismäßig gut; er scheut keine
Nässe und Temperaturwechsel und ist achtlos gegenüber der Gefahr, wie sie
primitiver Bergwerksbetrieb oft mit sich bringt.


Asiatische Arbeit

Ungleichheit im Typus der Obligationen, die zu vollständig regellosen Verhält¬
nissen geführt hat. Abhilfe kann nur geschaffen werden durch die Begründung
einer Bank, welche die Unterbringung solcher Summen ohne Schwierigkeiten
und nach gleichen Grundsätzen vornehmen kann. Den nächsten Vorteil werden
natürlich die vielen kleineren Gemeinden haben, deren bescheidene Emissionen
mit vielen Schwierigkeiten und ganz unverhältnismäßig hohen Kosten ver¬
bunden sind.




Asiatische Arbeit
coelo Goebel von

!in Jahre 1909 hatte ich Gelegenheit, in Ostasien viele Einblicke
in die Betätigung chinesischer, auch koreanischer und japanischer
Arbeiter und Gewerbetreibender zu tun. Meine Beobachtungen
erstrecken sich vor allem auf Sibirien, wo sie von den westlichsten
Vorposten chinesischer Arbeit bis zur Küste des Japanischen Meeres
und von der Amurmündung bis zur Mandschurei und Mongolei hin reichen.

Das eine und andere, was ich auf dieser Reise über Charakter, Leistungs¬
fähigkeit, Ansprüche, Löhne und Lebenshaltung der astatischen, insbesondere der
chinesischen Arbeiter beobachten konnte, scheint mir bei der Wichtigkeit der Frage
der Wettbewerbsfähigkeit des Vierhundert-Millionen-Volkes auf dem Weltmarkt-
der Erwähnung wert. Ich bin mir freilich dabei bewußt, daß es große Teile
Chinas gibt, in denen Leistungen und Ansprüche der Chinesen andere sein mögen
als in Sibirien im Wettbewerb mit den Russen. Manche meiner Beobachtungen
sind aber sicher typisch für den Chinesen als Arbeiter überhaupt.

Um den Vergleich russischer und chinesischer Arbeit einigermaßen ans west¬
europäische Verhältnisse übertragen zu können, sind einige Worte über russische
Arbeiter nötig. Der russische Arbeiter ist in seiner Lebenshaltung anspruchslos
und denkt selten an eine Verbesserung derselben. Er ist daher geneigt, nur bis
zur Befriedigung des Existenzminimums zu arbeiten, in: übrigen aber müßig
zu gehen. Etwaige Überschüsse vertrinkt er gern und wird dann, besonders in
Gesellschaft anderer, ein aufsässiges Element. In der Arbeit ist er oft unzuverlässig
und selten systematisch ausgebildet. Dagegen fehlt es ihm durchaus nicht an
Geschick und man findet vielfach technisches Verständnis verbreitet. Für Erd- und
Bergwerksarbeiter eignet sich der Russe verhältnismäßig gut; er scheut keine
Nässe und Temperaturwechsel und ist achtlos gegenüber der Gefahr, wie sie
primitiver Bergwerksbetrieb oft mit sich bringt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_316288/292>, abgerufen am 29.06.2024.