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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

"Besorgen Sie lieber eine Laterne. -- Und wegen Testament: wenn ich
auf dein Poggensieler Deich umkomme, so sollen Sie mich beerben."

"Das ist 'n Wort," sagte Jerum und dachte: das wäre für mich und
meine Göttinger Tretphilister so übel uicht.

Die Laterne kam, und Miß Grautou und Doktor Jerum machten sich unter
den Segenswünschen Hannes Puttfarkens und seiner Gäste auf den Weg.

Es ist unbeschreiblich, wie Miß Granton und Doktor Jerum bereits uach
zehn Minuten aussahen. Tapire in: Schlamm waren nichts gegell die beiden.
Die Laterne war schon nach zwei Minuten ausgeweht. Ab und zu sagte Miß
Grautou hinter Doktor Jerum etwas. Aber der konnte nicht hören, ob sie
A--vnd! gerufen hatte oder ob einer ihrer Füße aus dem Schlick herausgezogen
wurde. Glücklicherweise schien den beiden Kämpfern gegell die Sturm- und
Schlickgeister eine Art Götterdäinmerungslicht durch die Wolkenjagd. Sonst hätten
sie vielleicht, ivie früher die auf dem Schlachtfelde erschlagenen Germanen, den
Weg nach Walhalla antreten müssen. (Schluß folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiekel

Der Notenwechsel zwischen Preußen und dem Vatikan um die Borromäus-
Enzyklika -- Landtagsschluß -- Ersatzwahlen.

Die durch die Borrom aus - Enzyklika verursachte Bewegung hat zu einem
bedeutungsvollen Ergebnis geführt. Als wir vor acht Tagen an dieser Stelle die
Lage schilderten, stand die Antwort der Kurie auf die vom preußischen Gesandten
überreichte Protestnote noch aus. Inzwischen ist sie eingegangen und der ganze
Notenwechsel in der "Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht worden.
Die entscheidende Frage ist nun: Hat das Vorgehen der preußischen Regierung
einen wirklichen Erfolg gehabt? Hat es etwas genutzt? Die Frage wird ver¬
schieden beantwortet, und es ist deshalb notwendig, sich die verschiedenen Ant¬
worten näher anzusehen. Einige Stimmen sind unzufrieden, von dem Ausgang
der Sache enttäuscht. Da wird vor allem zu fragen sein, was man denn eigentlich
erwartet hat. Es liegt auf der Hand, daß dabei eine ganze Reihe von Erwartungen
untergelaufen ist, die aus einer ernsthaften, sachlichen Betrachtung von vornherein
auszuscheiden sind. Es gibt Menschen, die in jedem Streitfall auf diesem Gebiet
eine Gelegenheit wittern, das Problem des Verhältnisses von Staat und Kirche
im Handumdrehen zu lösen oder über das Wesen, die Beziehungen und die Zukunft
der christlichen Bekenntnisse ein allgemein gültiges, abschließendes Urteil zu fällen.
Wir haben nicht die Neigung, denen, die von solchen Gedanken erfüllt, ja vielleicht
auch ehrlich begeistert sind, auf diesem Wege zu folgen. Solche Gedanken mögen
ihre individuelle Berechtigung haben, für manche mögen sie auch unzertrennlich
von ihrer Weltanschauung, ihren religiösen und ethischen Bedürfnissen sein: vom
politischen Standpunkt aus gesehen sind sie Utopien. Wir haben vielmehr mit


Maßgebliches und Unmaßgebliches

„Besorgen Sie lieber eine Laterne. — Und wegen Testament: wenn ich
auf dein Poggensieler Deich umkomme, so sollen Sie mich beerben."

„Das ist 'n Wort," sagte Jerum und dachte: das wäre für mich und
meine Göttinger Tretphilister so übel uicht.

Die Laterne kam, und Miß Grautou und Doktor Jerum machten sich unter
den Segenswünschen Hannes Puttfarkens und seiner Gäste auf den Weg.

Es ist unbeschreiblich, wie Miß Granton und Doktor Jerum bereits uach
zehn Minuten aussahen. Tapire in: Schlamm waren nichts gegell die beiden.
Die Laterne war schon nach zwei Minuten ausgeweht. Ab und zu sagte Miß
Grautou hinter Doktor Jerum etwas. Aber der konnte nicht hören, ob sie
A—vnd! gerufen hatte oder ob einer ihrer Füße aus dem Schlick herausgezogen
wurde. Glücklicherweise schien den beiden Kämpfern gegell die Sturm- und
Schlickgeister eine Art Götterdäinmerungslicht durch die Wolkenjagd. Sonst hätten
sie vielleicht, ivie früher die auf dem Schlachtfelde erschlagenen Germanen, den
Weg nach Walhalla antreten müssen. (Schluß folgt.)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiekel

Der Notenwechsel zwischen Preußen und dem Vatikan um die Borromäus-
Enzyklika — Landtagsschluß — Ersatzwahlen.

Die durch die Borrom aus - Enzyklika verursachte Bewegung hat zu einem
bedeutungsvollen Ergebnis geführt. Als wir vor acht Tagen an dieser Stelle die
Lage schilderten, stand die Antwort der Kurie auf die vom preußischen Gesandten
überreichte Protestnote noch aus. Inzwischen ist sie eingegangen und der ganze
Notenwechsel in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" veröffentlicht worden.
Die entscheidende Frage ist nun: Hat das Vorgehen der preußischen Regierung
einen wirklichen Erfolg gehabt? Hat es etwas genutzt? Die Frage wird ver¬
schieden beantwortet, und es ist deshalb notwendig, sich die verschiedenen Ant¬
worten näher anzusehen. Einige Stimmen sind unzufrieden, von dem Ausgang
der Sache enttäuscht. Da wird vor allem zu fragen sein, was man denn eigentlich
erwartet hat. Es liegt auf der Hand, daß dabei eine ganze Reihe von Erwartungen
untergelaufen ist, die aus einer ernsthaften, sachlichen Betrachtung von vornherein
auszuscheiden sind. Es gibt Menschen, die in jedem Streitfall auf diesem Gebiet
eine Gelegenheit wittern, das Problem des Verhältnisses von Staat und Kirche
im Handumdrehen zu lösen oder über das Wesen, die Beziehungen und die Zukunft
der christlichen Bekenntnisse ein allgemein gültiges, abschließendes Urteil zu fällen.
Wir haben nicht die Neigung, denen, die von solchen Gedanken erfüllt, ja vielleicht
auch ehrlich begeistert sind, auf diesem Wege zu folgen. Solche Gedanken mögen
ihre individuelle Berechtigung haben, für manche mögen sie auch unzertrennlich
von ihrer Weltanschauung, ihren religiösen und ethischen Bedürfnissen sein: vom
politischen Standpunkt aus gesehen sind sie Utopien. Wir haben vielmehr mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/582>, abgerufen am 29.06.2024.