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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die vereinigte" Staate", ihre innere ""d äußere Tagespolitik

der Entwicklung unsrer Lyrik, die in gewissem Sinne zeitloser ist als andre
Dichtungsformen, harmonischer ein. Er steht etwa da, wo unter den Malern
Hans Thoma steht, und er gewinnt, je älter er wird, gleich diesem einen
altmeisterlichen Zug, der uns sein Bild noch lieber macht und unsre warme
Neigung zu ihm vermehrt.




Die Vereinigten Staaten,
ihre innere und äußere Tagespolitik

^as Übergewicht der Vereinigten Staaten auf der westlichen Halb¬
kugel wirkt stark auf die Beziehungen der süd- und mittel¬
amerikanischen Republiken zu Deutschland und anderen euro¬
päischen Staaten. Ihr Verhältnis zu Japan beherrscht die Politik
des fernen Ostens, ja aller Gestade des Großen Ozeans. Bei
ihnen selber aber hängt die äußere Politik ganz von der inneren ab. Die
Opposition verwirft den Imperialismus, den Panamerikanismus, die überspannte
Schutzzollpolitik, vor allen Dingen das Trustwesen, das einen so starken Einfluß
auf die innere und äußere Politik hat. Und eben hier scheint sich eine
bedeutungsvolle Wendung vorzubereiten. Jeder Tag bringt neue Nachrichten
voll düsteren Inhalts für die im Besitz der Macht befindliche republikanische
Partei. Ja, die bestbeglaubigten Korrespondenten melden, daß ihr Sturz schon
bei der nächsten Wahl des Repräsentantenhauses, die am 1. November d. Is.
stattfindet, unbedingt sicher sei. Darauf wäre nicht allzuviel zu geben, wenn
man auf die allgemeinen Stimmungszeichen angewiesen wäre. Nach ihnen hat
man sich über die Gesinnung der Bevölkerung schou oft geirrt. Aber man hat
es mit der Tatsache eines offenen Aufruhrs innerhalb der herrschenden Partei
zu tun. Es bildet sich dort seit einigen Monaten eine Partei der "Insurgenten"
heraus, uicht etwa nur auf Grund persönlicher Meinungen, sondern tiefgreifendster
Interessengegensätze, denen man bisher noch so wenig entgegenzusetzen gewußt
hat, daß ein Teil der leitenden Männer, und zwar gerade die hervorragendsten,
das Gewehr in den Graben werfen und dem politischen Leben den Rücken kehren.

Die republikanische Partei entstand erst 1856, als die Sklavenfrage zur
Entscheidung drängte. Mit dieser parallel ging jedoch der Streit um Freihandel
und Schutzzoll. Die sklavenhaltenden Südstaaten mußten weitaus den größten
Teil ihrer Erzeugnisse, Baumwolle, Tabak, Holz, ans Ausland absetzen, wobei
ihnen kein Schutzzoll nützen konnte. Das ist noch heute so. Deshalb sind sie
allezeit Anhänger eines immerhin gemäßigten Freihandels geblieben. Sie waren


Die vereinigte» Staate», ihre innere »»d äußere Tagespolitik

der Entwicklung unsrer Lyrik, die in gewissem Sinne zeitloser ist als andre
Dichtungsformen, harmonischer ein. Er steht etwa da, wo unter den Malern
Hans Thoma steht, und er gewinnt, je älter er wird, gleich diesem einen
altmeisterlichen Zug, der uns sein Bild noch lieber macht und unsre warme
Neigung zu ihm vermehrt.




Die Vereinigten Staaten,
ihre innere und äußere Tagespolitik

^as Übergewicht der Vereinigten Staaten auf der westlichen Halb¬
kugel wirkt stark auf die Beziehungen der süd- und mittel¬
amerikanischen Republiken zu Deutschland und anderen euro¬
päischen Staaten. Ihr Verhältnis zu Japan beherrscht die Politik
des fernen Ostens, ja aller Gestade des Großen Ozeans. Bei
ihnen selber aber hängt die äußere Politik ganz von der inneren ab. Die
Opposition verwirft den Imperialismus, den Panamerikanismus, die überspannte
Schutzzollpolitik, vor allen Dingen das Trustwesen, das einen so starken Einfluß
auf die innere und äußere Politik hat. Und eben hier scheint sich eine
bedeutungsvolle Wendung vorzubereiten. Jeder Tag bringt neue Nachrichten
voll düsteren Inhalts für die im Besitz der Macht befindliche republikanische
Partei. Ja, die bestbeglaubigten Korrespondenten melden, daß ihr Sturz schon
bei der nächsten Wahl des Repräsentantenhauses, die am 1. November d. Is.
stattfindet, unbedingt sicher sei. Darauf wäre nicht allzuviel zu geben, wenn
man auf die allgemeinen Stimmungszeichen angewiesen wäre. Nach ihnen hat
man sich über die Gesinnung der Bevölkerung schou oft geirrt. Aber man hat
es mit der Tatsache eines offenen Aufruhrs innerhalb der herrschenden Partei
zu tun. Es bildet sich dort seit einigen Monaten eine Partei der „Insurgenten"
heraus, uicht etwa nur auf Grund persönlicher Meinungen, sondern tiefgreifendster
Interessengegensätze, denen man bisher noch so wenig entgegenzusetzen gewußt
hat, daß ein Teil der leitenden Männer, und zwar gerade die hervorragendsten,
das Gewehr in den Graben werfen und dem politischen Leben den Rücken kehren.

Die republikanische Partei entstand erst 1856, als die Sklavenfrage zur
Entscheidung drängte. Mit dieser parallel ging jedoch der Streit um Freihandel
und Schutzzoll. Die sklavenhaltenden Südstaaten mußten weitaus den größten
Teil ihrer Erzeugnisse, Baumwolle, Tabak, Holz, ans Ausland absetzen, wobei
ihnen kein Schutzzoll nützen konnte. Das ist noch heute so. Deshalb sind sie
allezeit Anhänger eines immerhin gemäßigten Freihandels geblieben. Sie waren


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[0376] Die vereinigte» Staate», ihre innere »»d äußere Tagespolitik der Entwicklung unsrer Lyrik, die in gewissem Sinne zeitloser ist als andre Dichtungsformen, harmonischer ein. Er steht etwa da, wo unter den Malern Hans Thoma steht, und er gewinnt, je älter er wird, gleich diesem einen altmeisterlichen Zug, der uns sein Bild noch lieber macht und unsre warme Neigung zu ihm vermehrt. Die Vereinigten Staaten, ihre innere und äußere Tagespolitik ^as Übergewicht der Vereinigten Staaten auf der westlichen Halb¬ kugel wirkt stark auf die Beziehungen der süd- und mittel¬ amerikanischen Republiken zu Deutschland und anderen euro¬ päischen Staaten. Ihr Verhältnis zu Japan beherrscht die Politik des fernen Ostens, ja aller Gestade des Großen Ozeans. Bei ihnen selber aber hängt die äußere Politik ganz von der inneren ab. Die Opposition verwirft den Imperialismus, den Panamerikanismus, die überspannte Schutzzollpolitik, vor allen Dingen das Trustwesen, das einen so starken Einfluß auf die innere und äußere Politik hat. Und eben hier scheint sich eine bedeutungsvolle Wendung vorzubereiten. Jeder Tag bringt neue Nachrichten voll düsteren Inhalts für die im Besitz der Macht befindliche republikanische Partei. Ja, die bestbeglaubigten Korrespondenten melden, daß ihr Sturz schon bei der nächsten Wahl des Repräsentantenhauses, die am 1. November d. Is. stattfindet, unbedingt sicher sei. Darauf wäre nicht allzuviel zu geben, wenn man auf die allgemeinen Stimmungszeichen angewiesen wäre. Nach ihnen hat man sich über die Gesinnung der Bevölkerung schou oft geirrt. Aber man hat es mit der Tatsache eines offenen Aufruhrs innerhalb der herrschenden Partei zu tun. Es bildet sich dort seit einigen Monaten eine Partei der „Insurgenten" heraus, uicht etwa nur auf Grund persönlicher Meinungen, sondern tiefgreifendster Interessengegensätze, denen man bisher noch so wenig entgegenzusetzen gewußt hat, daß ein Teil der leitenden Männer, und zwar gerade die hervorragendsten, das Gewehr in den Graben werfen und dem politischen Leben den Rücken kehren. Die republikanische Partei entstand erst 1856, als die Sklavenfrage zur Entscheidung drängte. Mit dieser parallel ging jedoch der Streit um Freihandel und Schutzzoll. Die sklavenhaltenden Südstaaten mußten weitaus den größten Teil ihrer Erzeugnisse, Baumwolle, Tabak, Holz, ans Ausland absetzen, wobei ihnen kein Schutzzoll nützen konnte. Das ist noch heute so. Deshalb sind sie allezeit Anhänger eines immerhin gemäßigten Freihandels geblieben. Sie waren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/376>, abgerufen am 29.06.2024.