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Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr.

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Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt

le Neuordnung der Verwaltung durch die Gesetzgebung der siebziger
und achtziger Jahre bezweckte die Durchführung der großen Gedanken
der Dezentralisation, der Selbstverwaltung und der Rechtskontrolle
der Verwaltung. Sie betraf in der Hauptsache nur die Proviuzial-
behörden.

Zunächst wurden die Kreise und die Provinzen als Gemeindeverbände voll¬
ständig ausgebaut. Ferner wurden die Oberpräsidenten von der Verbindung
mit den Regierungen gelöst. Den Regierungspräsidenten wurde die Erledigung
der Geschäfte der frühem Regierungsabteilung des Innern unter persönlicher
Verantwortung übertragen, während die beiden andern Abteilungen ihre
kollegialische Verfassung behielten. Endlich verlieh man den Oberpräsidenten und
den Landräten das Polizeiverordnungsrecht, die Entscheidung über Beschwerden
gegen die nächst niedern Behörden, Zwangsmittel zur Durchführung ihrer
Anordnungen und schließlich die Zuständigkeit für eine Anzahl einzelner
Angelegenheiten. Diese beiden Behörden erhielten damit ein eigenes "Im¬
perium" und wurden förmliche Instanzen. -- In allen drei Instanzen (Provinz,
Regierungsbezirk, Kreis) wurden den Staatsbehörden Laienausschüsse (Provinzial-
rat, Bezirksausschuß, Kreisausschuß) angegliedert, die zusammen mit Staats¬
beamten teils als reine Verwaltungsbehörden, teils auch als Verwaltungs¬
gerichte tätig sind.

Es teilen sich so in die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung erster
Instanz nunmehr Landrat, Kreisansschuß, Regierungspräsident, Bezirksregierung,
Bezirksausschuß regelmäßig; ausnahmsweise kommen dazu Minister, Ober-
prüsident und Provinzialrat. Aufsichts- und Beschwerdeinstanz sind Minister,
Oberpräsident, Provinzialrat, Regierungspräsident, Bezirksregierung, Bezirks¬
ausschuß, Landrat, Kreisausschuß. Der Instanzenzug geht aber nicht mehr,
wie früher, an die nächst höhere Behörde, sondern ist mehrfach hiervon
abweichend bestimmt. So geht er z. B. in einzelnen Fällen von der Kreis¬
behörde unmittelbar an den Oberpräsidenten oder auch an den Minister.
Besonders und stark von der Regel abweichend find die Organisation der



(") Vgl. "Die Not der preußischen Verwaltung", "Grenzvoten" 1910, Heft 3 und die
Furtsetzungen Heft 4, S, 7, 16.)


Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt

le Neuordnung der Verwaltung durch die Gesetzgebung der siebziger
und achtziger Jahre bezweckte die Durchführung der großen Gedanken
der Dezentralisation, der Selbstverwaltung und der Rechtskontrolle
der Verwaltung. Sie betraf in der Hauptsache nur die Proviuzial-
behörden.

Zunächst wurden die Kreise und die Provinzen als Gemeindeverbände voll¬
ständig ausgebaut. Ferner wurden die Oberpräsidenten von der Verbindung
mit den Regierungen gelöst. Den Regierungspräsidenten wurde die Erledigung
der Geschäfte der frühem Regierungsabteilung des Innern unter persönlicher
Verantwortung übertragen, während die beiden andern Abteilungen ihre
kollegialische Verfassung behielten. Endlich verlieh man den Oberpräsidenten und
den Landräten das Polizeiverordnungsrecht, die Entscheidung über Beschwerden
gegen die nächst niedern Behörden, Zwangsmittel zur Durchführung ihrer
Anordnungen und schließlich die Zuständigkeit für eine Anzahl einzelner
Angelegenheiten. Diese beiden Behörden erhielten damit ein eigenes „Im¬
perium" und wurden förmliche Instanzen. — In allen drei Instanzen (Provinz,
Regierungsbezirk, Kreis) wurden den Staatsbehörden Laienausschüsse (Provinzial-
rat, Bezirksausschuß, Kreisausschuß) angegliedert, die zusammen mit Staats¬
beamten teils als reine Verwaltungsbehörden, teils auch als Verwaltungs¬
gerichte tätig sind.

Es teilen sich so in die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung erster
Instanz nunmehr Landrat, Kreisansschuß, Regierungspräsident, Bezirksregierung,
Bezirksausschuß regelmäßig; ausnahmsweise kommen dazu Minister, Ober-
prüsident und Provinzialrat. Aufsichts- und Beschwerdeinstanz sind Minister,
Oberpräsident, Provinzialrat, Regierungspräsident, Bezirksregierung, Bezirks¬
ausschuß, Landrat, Kreisausschuß. Der Instanzenzug geht aber nicht mehr,
wie früher, an die nächst höhere Behörde, sondern ist mehrfach hiervon
abweichend bestimmt. So geht er z. B. in einzelnen Fällen von der Kreis¬
behörde unmittelbar an den Oberpräsidenten oder auch an den Minister.
Besonders und stark von der Regel abweichend find die Organisation der



(") Vgl. „Die Not der preußischen Verwaltung", „Grenzvoten" 1910, Heft 3 und die
Furtsetzungen Heft 4, S, 7, 16.)
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[0127] [Abbildung] Die preußische Verwaltungsorganisation jetzt le Neuordnung der Verwaltung durch die Gesetzgebung der siebziger und achtziger Jahre bezweckte die Durchführung der großen Gedanken der Dezentralisation, der Selbstverwaltung und der Rechtskontrolle der Verwaltung. Sie betraf in der Hauptsache nur die Proviuzial- behörden. Zunächst wurden die Kreise und die Provinzen als Gemeindeverbände voll¬ ständig ausgebaut. Ferner wurden die Oberpräsidenten von der Verbindung mit den Regierungen gelöst. Den Regierungspräsidenten wurde die Erledigung der Geschäfte der frühem Regierungsabteilung des Innern unter persönlicher Verantwortung übertragen, während die beiden andern Abteilungen ihre kollegialische Verfassung behielten. Endlich verlieh man den Oberpräsidenten und den Landräten das Polizeiverordnungsrecht, die Entscheidung über Beschwerden gegen die nächst niedern Behörden, Zwangsmittel zur Durchführung ihrer Anordnungen und schließlich die Zuständigkeit für eine Anzahl einzelner Angelegenheiten. Diese beiden Behörden erhielten damit ein eigenes „Im¬ perium" und wurden förmliche Instanzen. — In allen drei Instanzen (Provinz, Regierungsbezirk, Kreis) wurden den Staatsbehörden Laienausschüsse (Provinzial- rat, Bezirksausschuß, Kreisausschuß) angegliedert, die zusammen mit Staats¬ beamten teils als reine Verwaltungsbehörden, teils auch als Verwaltungs¬ gerichte tätig sind. Es teilen sich so in die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung erster Instanz nunmehr Landrat, Kreisansschuß, Regierungspräsident, Bezirksregierung, Bezirksausschuß regelmäßig; ausnahmsweise kommen dazu Minister, Ober- prüsident und Provinzialrat. Aufsichts- und Beschwerdeinstanz sind Minister, Oberpräsident, Provinzialrat, Regierungspräsident, Bezirksregierung, Bezirks¬ ausschuß, Landrat, Kreisausschuß. Der Instanzenzug geht aber nicht mehr, wie früher, an die nächst höhere Behörde, sondern ist mehrfach hiervon abweichend bestimmt. So geht er z. B. in einzelnen Fällen von der Kreis¬ behörde unmittelbar an den Oberpräsidenten oder auch an den Minister. Besonders und stark von der Regel abweichend find die Organisation der (") Vgl. „Die Not der preußischen Verwaltung", „Grenzvoten" 1910, Heft 3 und die Furtsetzungen Heft 4, S, 7, 16.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341891_315638/127>, abgerufen am 29.06.2024.