Die Grenzboten. Jg. 69, 1910, Erstes Vierteljahr.Gefährlichkeit falscher Anschuldigung und ihre Ahndung Gau hat heute solche Darstellung, vou schlichten Erzählen:, deren Werke den Erst auf der zweiten Stufe darf man im Grunde von Heimatkunst sprechen, Auf der dritten und höchsten Stufe steht der Mensch als Mensch im Vorder¬ Das Mißverhältnis zwischen der Gefährlichkeit der wissentlich falschen Anschuldigung und ihrer Ahndung von Amtsrichter Dr. Sontag, Unlängst berichteten die Zeitungen folgenden zwar seltenen, aber Gegen die Schutzleute wurde daher allein Anklage erhoben, und das Gericht er¬ Gefährlichkeit falscher Anschuldigung und ihre Ahndung Gau hat heute solche Darstellung, vou schlichten Erzählen:, deren Werke den Erst auf der zweiten Stufe darf man im Grunde von Heimatkunst sprechen, Auf der dritten und höchsten Stufe steht der Mensch als Mensch im Vorder¬ Das Mißverhältnis zwischen der Gefährlichkeit der wissentlich falschen Anschuldigung und ihrer Ahndung von Amtsrichter Dr. Sontag, Unlängst berichteten die Zeitungen folgenden zwar seltenen, aber Gegen die Schutzleute wurde daher allein Anklage erhoben, und das Gericht er¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0360" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/315357"/> <fw type="header" place="top"> Gefährlichkeit falscher Anschuldigung und ihre Ahndung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1540" prev="#ID_1539"> Gau hat heute solche Darstellung, vou schlichten Erzählen:, deren Werke den<lb/> Namen Kunst noch nicht verdienen, bis zum freien kulturhistorischen Schilderer.</p><lb/> <p xml:id="ID_1541"> Erst auf der zweiten Stufe darf man im Grunde von Heimatkunst sprechen,<lb/> erst da setzt die Dichtung ein, denn nun werden solche Konflikte gebracht, die<lb/> dieser Heimat im besondern eigen sind, ich möchte sie abgekürzt Deichkonflikte<lb/> oder Gletscherkonflikte nennen — Kämpfe, die nur unter den besondern<lb/> Bedingungen von Luft und Licht, Sitte und Leben einzelner Landschaften aus¬<lb/> gefochten werden können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1542"> Auf der dritten und höchsten Stufe steht der Mensch als Mensch im Vorder¬<lb/> grunde; er ist die Hauptsache, wie er für uns der Erde Mittelpunkt ist. Die<lb/> Konflikte sind allgemein menschliche, mögen sie tragisch oder humoristisch oder<lb/> beides sein; und nur die besondre Färbung, die besondre Lebenstreue gehört<lb/> der Heimat an, versetzt diese Menschen in einen bestimmten Umkreis, dem wir<lb/> sie als ganz zugehörig empfinden. Auf dieser höchsten Stufe wird die Heimat¬<lb/> kunst große Kunst, auf ihr steht Ernst Zahn, auf ihr grüßt er die großen Meister<lb/> vom Züricher See, Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer, und tritt<lb/> zu dem andern großen lebenden Dichter seines Landes, den: Meister Karl<lb/> Spitteler vom Schweizer Jura. Ernst Zahn steht auf einer Höhe mit weitem<lb/> Umkreis, und wir erwarten aus diesem Umkreis noch viele volle Gaben seiner Kunst.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Das Mißverhältnis zwischen der Gefährlichkeit der<lb/> wissentlich falschen Anschuldigung und ihrer Ahndung<lb/><note type="byline"> von Amtsrichter Dr. Sontag, </note></head><lb/> <p xml:id="ID_1543"> Unlängst berichteten die Zeitungen folgenden zwar seltenen, aber<lb/> doch nicht einzig dastehenden Fall. Zwei Schutzleute hatten einen<lb/> wegen einer leichten nächtlichen Ruhestörung auf der Polizeiwache<lb/> eingelieferten jungen Mann in deren Arrestlokal ohne jeden Grund<lb/> geprügelt und dabei fürchterlich zugerichtet. Der junge Mann<lb/> erstattete gegen beide Strafanzeige wegen Körperverletzung. Die Polizeibeamten<lb/> suchten die ihnen drohende Gefahr durch eine Gegenanzeige wegen Widerstandes<lb/> gegen die Staatsgewalt, Beamtenbeleidigung und Körperverletzung abzuwenden.<lb/> Das eingeleitete Verfahren ergab die völlige Haltlosigkeit der von den Schutzleuten<lb/> erhobenen Bezichtigungen und bestätigte die Behauptungen des jungen Mannes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1544" next="#ID_1545"> Gegen die Schutzleute wurde daher allein Anklage erhoben, und das Gericht er¬<lb/> kannte gegensiewegenKörperverletzungaufdreiMonateGefängnis,wegen derwissent-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0360]
Gefährlichkeit falscher Anschuldigung und ihre Ahndung
Gau hat heute solche Darstellung, vou schlichten Erzählen:, deren Werke den
Namen Kunst noch nicht verdienen, bis zum freien kulturhistorischen Schilderer.
Erst auf der zweiten Stufe darf man im Grunde von Heimatkunst sprechen,
erst da setzt die Dichtung ein, denn nun werden solche Konflikte gebracht, die
dieser Heimat im besondern eigen sind, ich möchte sie abgekürzt Deichkonflikte
oder Gletscherkonflikte nennen — Kämpfe, die nur unter den besondern
Bedingungen von Luft und Licht, Sitte und Leben einzelner Landschaften aus¬
gefochten werden können.
Auf der dritten und höchsten Stufe steht der Mensch als Mensch im Vorder¬
grunde; er ist die Hauptsache, wie er für uns der Erde Mittelpunkt ist. Die
Konflikte sind allgemein menschliche, mögen sie tragisch oder humoristisch oder
beides sein; und nur die besondre Färbung, die besondre Lebenstreue gehört
der Heimat an, versetzt diese Menschen in einen bestimmten Umkreis, dem wir
sie als ganz zugehörig empfinden. Auf dieser höchsten Stufe wird die Heimat¬
kunst große Kunst, auf ihr steht Ernst Zahn, auf ihr grüßt er die großen Meister
vom Züricher See, Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer, und tritt
zu dem andern großen lebenden Dichter seines Landes, den: Meister Karl
Spitteler vom Schweizer Jura. Ernst Zahn steht auf einer Höhe mit weitem
Umkreis, und wir erwarten aus diesem Umkreis noch viele volle Gaben seiner Kunst.
Das Mißverhältnis zwischen der Gefährlichkeit der
wissentlich falschen Anschuldigung und ihrer Ahndung
von Amtsrichter Dr. Sontag,
Unlängst berichteten die Zeitungen folgenden zwar seltenen, aber
doch nicht einzig dastehenden Fall. Zwei Schutzleute hatten einen
wegen einer leichten nächtlichen Ruhestörung auf der Polizeiwache
eingelieferten jungen Mann in deren Arrestlokal ohne jeden Grund
geprügelt und dabei fürchterlich zugerichtet. Der junge Mann
erstattete gegen beide Strafanzeige wegen Körperverletzung. Die Polizeibeamten
suchten die ihnen drohende Gefahr durch eine Gegenanzeige wegen Widerstandes
gegen die Staatsgewalt, Beamtenbeleidigung und Körperverletzung abzuwenden.
Das eingeleitete Verfahren ergab die völlige Haltlosigkeit der von den Schutzleuten
erhobenen Bezichtigungen und bestätigte die Behauptungen des jungen Mannes.
Gegen die Schutzleute wurde daher allein Anklage erhoben, und das Gericht er¬
kannte gegensiewegenKörperverletzungaufdreiMonateGefängnis,wegen derwissent-
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