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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Vie Bibel in neuer Gestalt

in Ka hing chow, wo mein Kollege, Dr. Wittenberg, einem Missionsspitale vorsteht.
Mein Patient, dem es von neuem schlecht ging, hätte natürlich gern ein Tele¬
gramm geschickt, aber bei uns gibts weder drahtlose noch drahthabende Telc-
graphie, und so blieb nichts übrig, als einen menschlichen Boten zu schicken, der
vier Tage brauchte. Vier oder fünf Tage hätte auch ich zur Hinreise nötig
gehabt, also hätte der Kranke mindestens acht Tage warten müssen; Zeit genug,
gesund zu werden oder -- zu sterben! Doch, ich wurde gerufen! Da gibts
meist kein langes Philosophieren, sondern einfach ein kurzes Gebet um Weisheit
und Leitung, und dann steig ich muss Pferd! Drei Tage hatte ich bereits
hinter mir, als mich ein neuer Bote traf mit der Meldung, es gehe wieder
gut! Ich hielt an und ruhte einige Tage. Da, wieder Nachricht: "womöglich
gleich kommen". Ich wollte auf dem kürzesten Wege hinreiten, aber mein
Führer zog mich dabei über die höchsten Berge und in die tiefsten Täter,
sodaß ich nur selten das Pferd brauchen konnte und nicht in einem Tage das
Ziel erreichte. Endlich am zweiten Tage, nach einem heißen Ritt, mittags um
zwei Uhr kam ich an und fand -- meinen Patienten fast wieder normal!
Ich gedachte des Spruches: "Schon die Nähe eines Weisen beruhigt die
Seele", wandte ihn getrost auf den Arzt in mir an und zog fröhlich und dankbar
wieder heim.




Die Bibel in neuer Gestalt

as Buch der Bücher -- weiten Kreisen erscheint es gewiß in
unsern Tagen anmaßend, dem alten Bibelbuch diesen Namen zu
geben; aber wenn man anch nur den Fleiß und die Treue ansieht,
womit sich die Menschheit müht, sich dieses Buch immer nen an¬
zueignen, sich seines Inhalts immer tiefer und gründlicher zu
bemächtigen, ihn in immer neue Form zu fassen, um möglichst vielen seinen
Reichtum zu erschließen, dann wird jedem etwas von der Berechtigung dieses
Namens fühlbar: das Buch der Bücher. Wir möchten heute unsre Leser auf
einige in der letzten Zeit erschienene Werke aufmerksam machen, die jedes in eigen¬
tümlicher Weise und jedes besondern Bedürfnissen entgegenkommend zum Ver¬
ständnis, zum Genusse, zum rechten Gebrauch der Bibel helfen wollen.

Ein ganz eigentümliches und in seiner Art bedeutendes Unternehmen ist
die Ausgabe der Bibel, die jetzt der Verlag von George Westermann in Braun¬
schweig veranstaltet (Die Bücher der Bibel. Herausgegeben von F. Rahlwes.
Zeichnungen von E. M. Lilien. Zehn Bände zu je fünf bis zehn Lieferungen.
Preis' der'Lieferung 1,50 Mark). Es soll hier^die Bibel nicht als das kirch¬
liche Volksbuch geboten werden, auch nicht ein rein wissenschaftlicher Zweck mit
der Ausgabe verfolgt werden, vielmehr soll die Heilige Schrift hier als ein.


Vie Bibel in neuer Gestalt

in Ka hing chow, wo mein Kollege, Dr. Wittenberg, einem Missionsspitale vorsteht.
Mein Patient, dem es von neuem schlecht ging, hätte natürlich gern ein Tele¬
gramm geschickt, aber bei uns gibts weder drahtlose noch drahthabende Telc-
graphie, und so blieb nichts übrig, als einen menschlichen Boten zu schicken, der
vier Tage brauchte. Vier oder fünf Tage hätte auch ich zur Hinreise nötig
gehabt, also hätte der Kranke mindestens acht Tage warten müssen; Zeit genug,
gesund zu werden oder — zu sterben! Doch, ich wurde gerufen! Da gibts
meist kein langes Philosophieren, sondern einfach ein kurzes Gebet um Weisheit
und Leitung, und dann steig ich muss Pferd! Drei Tage hatte ich bereits
hinter mir, als mich ein neuer Bote traf mit der Meldung, es gehe wieder
gut! Ich hielt an und ruhte einige Tage. Da, wieder Nachricht: „womöglich
gleich kommen". Ich wollte auf dem kürzesten Wege hinreiten, aber mein
Führer zog mich dabei über die höchsten Berge und in die tiefsten Täter,
sodaß ich nur selten das Pferd brauchen konnte und nicht in einem Tage das
Ziel erreichte. Endlich am zweiten Tage, nach einem heißen Ritt, mittags um
zwei Uhr kam ich an und fand — meinen Patienten fast wieder normal!
Ich gedachte des Spruches: „Schon die Nähe eines Weisen beruhigt die
Seele", wandte ihn getrost auf den Arzt in mir an und zog fröhlich und dankbar
wieder heim.




Die Bibel in neuer Gestalt

as Buch der Bücher — weiten Kreisen erscheint es gewiß in
unsern Tagen anmaßend, dem alten Bibelbuch diesen Namen zu
geben; aber wenn man anch nur den Fleiß und die Treue ansieht,
womit sich die Menschheit müht, sich dieses Buch immer nen an¬
zueignen, sich seines Inhalts immer tiefer und gründlicher zu
bemächtigen, ihn in immer neue Form zu fassen, um möglichst vielen seinen
Reichtum zu erschließen, dann wird jedem etwas von der Berechtigung dieses
Namens fühlbar: das Buch der Bücher. Wir möchten heute unsre Leser auf
einige in der letzten Zeit erschienene Werke aufmerksam machen, die jedes in eigen¬
tümlicher Weise und jedes besondern Bedürfnissen entgegenkommend zum Ver¬
ständnis, zum Genusse, zum rechten Gebrauch der Bibel helfen wollen.

Ein ganz eigentümliches und in seiner Art bedeutendes Unternehmen ist
die Ausgabe der Bibel, die jetzt der Verlag von George Westermann in Braun¬
schweig veranstaltet (Die Bücher der Bibel. Herausgegeben von F. Rahlwes.
Zeichnungen von E. M. Lilien. Zehn Bände zu je fünf bis zehn Lieferungen.
Preis' der'Lieferung 1,50 Mark). Es soll hier^die Bibel nicht als das kirch¬
liche Volksbuch geboten werden, auch nicht ein rein wissenschaftlicher Zweck mit
der Ausgabe verfolgt werden, vielmehr soll die Heilige Schrift hier als ein.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/458>, abgerufen am 24.07.2024.