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Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr.

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Deutschland und Amerika

Ma die Vereinigten Staaten das deutsch-amerikanische Handels¬
abkommen vom Jahre 1907 gekündigt haben, wird im Verlaufe des
nächsten Halbjahres eine neue Regelung der Handelsbeziehungen
zwischen Deutschland und der Union vereinbart werden müssen,
oder es tritt ein vertragsloser Zustand ein, dessen Folgen sich
schwer voraussehen lassen. Es wird sich darum handeln, ob ein Ausgleich
zwischen den deutschen, in der Mehrzahl auf bestimmte Sätze festgelegten Zöllen
und dem neuen nordamerikanischen Tarif, dessen Abänderung ebenfalls enge
Grenzen gezogen sind, gefunden werden kann. Der amerikanische Tarif bringt
namentlich gewisse allgemeine, die Einfuhr erschwerende Bestimmungen und
außerdem starke Zollerhöhungen, die ganz besonders die deutsche Kleineisen¬
industrie und bedeutende Zweige des Textilgewerbes treffen. Die Entrüstung
in deutschen Blättern über das Vorgehn der Nordamerikaner ist nicht gering,
man ereifert sich über die Selbstsucht der Jankers, die so gar keine Rücksicht
auf andre Leute nehmen, aber die ganze Entrüstung kommt zu spät. Ob es
etwas genützt Hütte, wenn die öffentliche Meinung in Deutschland vom ersten
Tage an, wo man sich in der Union mit der Frage zu beschäftigen begann,
gegen eine einseitige Gesetzgebung von drüben ernst aufgetreten wäre, steht
freilich dahin. Jedenfalls ist der neue Tarif, für den am 18. März der erste
Vorschlag vom Komitee der Mittel und Wege eingebracht worden war, schon
am 6. August in Kraft getreten, obwohl eine scharfe Gegnerschaft bestand, und
es eines starken Parteidrucks auf zahlreiche Repräsentanten und Senatoren
bedürfte, um das Payne-Aldrichsche Machwerk durchzusetzen. Präsident Taft
hat sich leider nicht an die Wahlversprechungen gehalten, sondern dem kalt
"vvomxli zugestimmt, wenn auch mit einem gewissen Bedauern darüber, daß
er in diesem Falle nicht von vornherein seinen Standpunkt über seiner Partei
und ihrem Treiben eingenommen habe. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er
bei einer festen Stellungnahme die Mehrzahl des Volks hinter sich gehabt
hätte, es ist auch möglich, daß die republikanische Partei in der Zukunft üble


Grenzboten IV 1909 26


Deutschland und Amerika

Ma die Vereinigten Staaten das deutsch-amerikanische Handels¬
abkommen vom Jahre 1907 gekündigt haben, wird im Verlaufe des
nächsten Halbjahres eine neue Regelung der Handelsbeziehungen
zwischen Deutschland und der Union vereinbart werden müssen,
oder es tritt ein vertragsloser Zustand ein, dessen Folgen sich
schwer voraussehen lassen. Es wird sich darum handeln, ob ein Ausgleich
zwischen den deutschen, in der Mehrzahl auf bestimmte Sätze festgelegten Zöllen
und dem neuen nordamerikanischen Tarif, dessen Abänderung ebenfalls enge
Grenzen gezogen sind, gefunden werden kann. Der amerikanische Tarif bringt
namentlich gewisse allgemeine, die Einfuhr erschwerende Bestimmungen und
außerdem starke Zollerhöhungen, die ganz besonders die deutsche Kleineisen¬
industrie und bedeutende Zweige des Textilgewerbes treffen. Die Entrüstung
in deutschen Blättern über das Vorgehn der Nordamerikaner ist nicht gering,
man ereifert sich über die Selbstsucht der Jankers, die so gar keine Rücksicht
auf andre Leute nehmen, aber die ganze Entrüstung kommt zu spät. Ob es
etwas genützt Hütte, wenn die öffentliche Meinung in Deutschland vom ersten
Tage an, wo man sich in der Union mit der Frage zu beschäftigen begann,
gegen eine einseitige Gesetzgebung von drüben ernst aufgetreten wäre, steht
freilich dahin. Jedenfalls ist der neue Tarif, für den am 18. März der erste
Vorschlag vom Komitee der Mittel und Wege eingebracht worden war, schon
am 6. August in Kraft getreten, obwohl eine scharfe Gegnerschaft bestand, und
es eines starken Parteidrucks auf zahlreiche Repräsentanten und Senatoren
bedürfte, um das Payne-Aldrichsche Machwerk durchzusetzen. Präsident Taft
hat sich leider nicht an die Wahlversprechungen gehalten, sondern dem kalt
»vvomxli zugestimmt, wenn auch mit einem gewissen Bedauern darüber, daß
er in diesem Falle nicht von vornherein seinen Standpunkt über seiner Partei
und ihrem Treiben eingenommen habe. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er
bei einer festen Stellungnahme die Mehrzahl des Volks hinter sich gehabt
hätte, es ist auch möglich, daß die republikanische Partei in der Zukunft üble


Grenzboten IV 1909 26
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[0209] [Abbildung] Deutschland und Amerika Ma die Vereinigten Staaten das deutsch-amerikanische Handels¬ abkommen vom Jahre 1907 gekündigt haben, wird im Verlaufe des nächsten Halbjahres eine neue Regelung der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Union vereinbart werden müssen, oder es tritt ein vertragsloser Zustand ein, dessen Folgen sich schwer voraussehen lassen. Es wird sich darum handeln, ob ein Ausgleich zwischen den deutschen, in der Mehrzahl auf bestimmte Sätze festgelegten Zöllen und dem neuen nordamerikanischen Tarif, dessen Abänderung ebenfalls enge Grenzen gezogen sind, gefunden werden kann. Der amerikanische Tarif bringt namentlich gewisse allgemeine, die Einfuhr erschwerende Bestimmungen und außerdem starke Zollerhöhungen, die ganz besonders die deutsche Kleineisen¬ industrie und bedeutende Zweige des Textilgewerbes treffen. Die Entrüstung in deutschen Blättern über das Vorgehn der Nordamerikaner ist nicht gering, man ereifert sich über die Selbstsucht der Jankers, die so gar keine Rücksicht auf andre Leute nehmen, aber die ganze Entrüstung kommt zu spät. Ob es etwas genützt Hütte, wenn die öffentliche Meinung in Deutschland vom ersten Tage an, wo man sich in der Union mit der Frage zu beschäftigen begann, gegen eine einseitige Gesetzgebung von drüben ernst aufgetreten wäre, steht freilich dahin. Jedenfalls ist der neue Tarif, für den am 18. März der erste Vorschlag vom Komitee der Mittel und Wege eingebracht worden war, schon am 6. August in Kraft getreten, obwohl eine scharfe Gegnerschaft bestand, und es eines starken Parteidrucks auf zahlreiche Repräsentanten und Senatoren bedürfte, um das Payne-Aldrichsche Machwerk durchzusetzen. Präsident Taft hat sich leider nicht an die Wahlversprechungen gehalten, sondern dem kalt »vvomxli zugestimmt, wenn auch mit einem gewissen Bedauern darüber, daß er in diesem Falle nicht von vornherein seinen Standpunkt über seiner Partei und ihrem Treiben eingenommen habe. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß er bei einer festen Stellungnahme die Mehrzahl des Volks hinter sich gehabt hätte, es ist auch möglich, daß die republikanische Partei in der Zukunft üble Grenzboten IV 1909 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 68, 1909, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341889_314346/209>, abgerufen am 04.07.2024.